Wo sonst buchstäblich über Gott und die Welt gesprochen wird, war so großer Andrang, dass Helferin Regine Wieseler aus Aumund sich nach dem großen Ansturm erst einmal einen Moment setzen musste. „So wuselig und voll hatten wir es lange nicht. Geht halt auf das Monatsende zu“, erklärt sie sich die Resonanz. Was los war in der Christuskirche an der Georg-Gleistein-Straße.
Concettina Michaelis und ihre sechs Kolleginnen sind ein wenig stolz: Zum 19. Mal konnten sie als Mitglieder der „Barber Angels“ um die 50 Bedürftigen in der Christuskirche kostenlos die Haare schneiden, Bärte stutzen, Augenbrauen wieder in Form bringen und ihnen damit ihr Gesicht zurückgeben. „Diese Dankbarkeit ist jedes Mal überwältigend“, findet die Friseurin aus Arsten, die nicht alleine einen weiten Anfahrtsweg hatte. So kamen die Kolleginnen aus Nordenham, Rastede, Oldenburg, Lamstedt und eine sogar aus Prignitz, die gerade in Bremen Urlaub macht. Lediglich Nina Weber aus Grohn hatte ein Heimspiel. Für den begehrten Haarschnitt gab es Nummernkarten. Alles war möglich, nur keine Färbung. „Wir haben hier ja kein Wasser zum Ausspülen!“, erklärt Concettina Michaelis während im Hintergrund eine Frau einer Kollegin einen Ausweis mit Bild von sich zeigt und ihr erklärt, dass sie die Haare wieder so wie auf dem Foto haben möchte.
Das Mittagessen der Obdachloseninitiative bestand diesmal aus einem deftigen Gulasch, als Nachtisch gab es Schokoladenpudding und Obst. 80 Portionen kamen vom Diako und Joachim Weisheit, Pastor in Rente und zur Christuskirche gehörend, blickt etwas sorgenvoll in die Zukunft. Die Zahl der Bedürftigen steige. Das Essen finanziere sich durch Spenden und Reserven, die seien aber irgendwann aufgebraucht. Sein Weihnachtswunsch: Zehn weitere Helfer für die sonntäglichen Hilfsaktionen und weitere Spenden. Derzeit gibt es 32 Ehrenamtliche, unter anderem aus den neun Kirchengemeinden, die die Obdachloseninitiative unterstützen. Er freut sich darüber sehr, auch über die Unterstützung des Senats und das gespendete Brot der „Backstube“, befürchtet aber, dass es mittelfristig schwieriger wird, ausreichend Hilfe zu leisten.
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Die Gruppe „Die Bremer Straßenhunde“ war zum dritten Mal bei der Hilfsaktion in der Christuskirche dabei. Kein Wunder, denn es besteht ein guter Kontakt zur Obdachloseninitiative. 30 Tierhaltern konnte diesmal mit Futter geholfen werden, für die Samtpfoten war am Ende der Aktion alles weg. Die „Bremer Straßenhunde“ haben 2024 viel vor: Die offizielle Vereinsgründung mit zukünftigem Sitz in Schwanewede steht an. „Es kann doch nicht sein, dass es für Tiere von Bedürftigen in Bremen-Nord keine Unterstützung gibt!“, findet Sandra Peciarolo aus Schwanewede, die mit ihrem Sohn Sandro den Stein ins Rollen gebracht und mittlerweile ein kleines Team von sieben Gleichgesinnten um sich gescharrt hat. Ein Logo der Gruppe gibt es bereits, auch einen Flyer und ein besonderes Augenmerk haben die „Bremer Straßenhunde“ auch schon auf ältere Menschen gelegt. „Wir wollen auch diese Zielgruppe erreichen und ihnen helfen. Sie sollen ihre Scheu verlieren, wir möchten und können helfen“, erklärt Julia Stohlmann.
Eine, die sich sehr über Hilfe freute und keine Scheu hatte, war Barbara, die extra aus Oberneuland nach Vegesack gekommen war. „Meine Katze hatte eine Operation und mit Nachsorge hat das viel Geld gekostet“, erläuterte sie den Grund für ihren Weg nach Vegesack. Sie hatte am Ende eine große Tasche gefüllt mit Katzenfutter, eine warme Mahlzeit im Magen und wartete geduldig auf einen Haarschnitt der „Barber Angels“, den Engeln mit den Scheren.