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Offener Brief Bremer Bündnis beklagt Missstände in Erstaufnahmestelle

Immer wieder gab es Proteste, jetzt gibt es einen offenen Brief von Kritikern der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge – und eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft zur Strafanzeige des Flüchtlingsrates.
21.04.2020, 07:30 Uhr
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Bremer Bündnis beklagt Missstände in Erstaufnahmestelle
Von Christian Weth

Zuletzt gab es Proteste von Bewohnern, dann eine Strafanzeige des Flüchtlingsrats – jetzt gibt es einen offenen Brief eines Bündnisses. Mehr als ein Dutzend Organisationen und Vereine beklagen darin Missstände in der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Sie fordern Verbesserungen bei der Unterbringung der Menschen. Im Grunde wollen die Unterzeichner jedoch mehr als das: das Aus der Landeseinrichtung.

Haben die Kritiker in den Vorwochen immer wieder argumentiert, die Aufnahmestelle müsse wegen der Corona-Krise geschlossen werden, ist in dem siebenseitigen Schreiben keine Rede mehr von einem erhöhten Infektionsrisiko. Und auch nichts davon, dass Sozialbehörde und Arbeiterwohlfahrt als Träger der Einrichtung gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen haben sollen. Dass die Vorwürfe im offenen Brief unerwähnt bleiben, kommt nicht von ungefähr: Die Staatsanwaltschaft hat den Fall zu den Akten gelegt.

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Laut Frank Passade ist nach der Strafanzeige des Flüchtlingsrats überprüft worden, ob ein Anfangsverdacht vorliegt. Der Sprecher der Staatsanwalt sagt, dass es den aus Sicht der Behörde nicht gegeben hat – und deshalb auch kein Ermittlungsverfahren gegen das Sozialressort und die Arbeiterwohlfahrt eingeleitet wurde. Über das Ergebnis der Prüfung ist der Flüchtlingsrat inzwischen informiert worden. Eine Beschwerde dagegen liegt der Staatsanwaltschaft nach Angaben von Passade bisher nicht vor.

Dass die Organisationen jetzt in einem offenen Brief mehrere Misstände beklagen, hat mit Äußerungen von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) zu tun. Sie hat am Sonntag im WESER-KURIER die Kritiker der Einrichtung kritisiert. Stahmann spricht von einer kleinen, lautstarken Gruppe, die schon lange vor der Corona-Krise die Erstaufnahmestelle angeprangert hat – und zwar ihr zufolge so, als ginge es um das griechische Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos, wo Tausende Menschen unterbracht sind.

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Wie die Behörde auf die Vorwürfe in dem Schreiben reagieren wird – es geht um Kritik am Essen, am Verhalten von Securitykräften, an der Größe von Zimmern, an Bildungsangeboten für Kinder, an der psychologischen und medizinischen Betreuung –, ist unklar. Bernd Schneider sagt, dass er zu offenen Briefen grundsätzlich nichts sagt. Der Sprecher der Sozialsenatorin kündigt jedoch an, dass sich das Ressort, wie zuvor bei der Strafanzeige des Flüchtlingsrates, jeder Kritik in einem angemessenen Forum stellen wird.

Die Arbeiterwohlfahrt hat dieses Forum mittlerweile gefunden. Der Träger der Einrichtung veröffentlichte am Montag eine Stellungnahme unter dem Titel „Fakten gegen Fake-News“. Vieles, was in sozialen Netzwerken über die Anlaufstelle verbreitet wurde, ist ihm zufolge unwahr. Zum Beispiel, dass die Bedingungen in der Einrichtung schon vor der Pandemie unzumutbar gewesen seien. Dass sich die Bewohner zu zehnt ein Zimmer teilten und ein Abstandhalten beim Essen unmöglich wäre. Und dass die Behörde erst angefangen habe, Flüchtlinge zu verlegen, nachdem es Proteste gegeben hatte.

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Wahr ist aus Sicht der Arbeiterwohlfahrt etwas anderes. Dass nämlich die Einrichtung unter Beachtung behördlicher Auflagen betrieben werde und zahlreiche Flüchtlingsinitiativen, Mediziner und Pädagogen dies bestätigen könnten. Dass nicht mehr als sieben Menschen in einem Zimmer wohnen und das auch nur, weil es sich um Familien handelt. Dass Mindestabstände beim Essen sehr wohl eingehalten werden können, weil die Kantinenzeiten verlängert wurden. Und dass die Behörde begonnen habe, die Zahl der Bewohner zu reduzieren, noch bevor zu Kundgebungen aufgerufen wurde. Nach Rechnung der Behörde sind noch 380 Menschen in der Einrichtung, bis zu 750 kann sie aufnehmen.

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