Routiniert verkabelt der Musiker und Produzent Volker Siedenburg, im Bremer Norden unter anderem als Chef der „Rustlers“, der selbst ernannten „ältesten Schülerband der Welt“ bekannt, eine Reihe von Mikrofonen in einem Trakt der Stiftung Friedehorst, der auch die Probenheimat des Seemannschors Vegesack darstellt. Dessen Mitglieder treffen unterdessen allmählich ein – zumindest jene, die aktuell nicht ans Krankenbett gefesselt sind. „Wir haben derzeit leider sehr viele Ausfälle“, bedauert Chorleiterin Birgit Kropp.
Dieser Umstand ist umso bedauerlicher, als der Grund dieser Zusammenkunft in einer Aufnahme für ein Lied besteht, das künftig zu einer Hymne für den Stadtteil Vegesack werden soll. Zumindest ist dies der Wunsch des Projektinitiators Torsten Bullmahn.
Durch seine politische Funktion als CDU-Fraktionssprecher im Vegesacker Beirat half Bullmahn laut eigenem Bekunden im Vorjahr bei der Vermittlung von Corona-Hilfen – unter anderem für den Seemannschor. Durch den so entstandenen Kontakt entwickelte sich eine Idee, die bald darauf hin eine eigene Dynamik entwickeln sollte. Unter anderem im Hinblick auf den bevorstehenden Hafengeburtstag richtete Bullmahn eine Anfrage an den Chor. „Allerdings als Privatperson, nicht in meiner politischen Funktion“, betont Bullmahn explizit. So fragte er, ob es möglich wäre, zu diesem Anlass ein Lied oder noch besser eine Art Hymne über Vegesack zu schreiben.
Externe Hilfe für das Lied
Nun verfügen nur die wenigsten Freizeitchöre über begnadete Komponisten und Songschreiber in den eigenen Reihen. So beschlossen Bullmahn und Chorleiterin Kropp, externe Hilfe hinzuzuziehen. Einen entsprechenden Kandidaten hatte Bullmahn bereits im Auge: „Um den Zeitpunkt herum habe ich mal wieder mit Michael 'Mitch' Keller, einem alten Freund aus Schulzeiten telefoniert, der mir unter anderem erzählte, dass er einen Preis für seine Songs erhalten habe. Da habe ich die Gelegenheit gleich genutzt, um ihn zu fragen, ob er nicht auch mal einen Song über Vegesack schreiben könne – schließlich hat er ja lange hier gelebt.“
Keller, der mit seiner Familie mittlerweile wieder in seiner Geburtsstadt Berlin heimisch ist, sagte sofort zu: „Ich verbinde mit Vegesack immer noch ein Stück Heimat und komme auch noch mehrmals im Jahr hierher, zumal meine Mutter nach wie vor in der Gegend wohnt. Letztlich fühle ich mich immer noch als halber Bremer“, erklärt er. Keller hat in der Vergangenheit unter anderem als Songwriter und Backgroundsänger für unter anderem Andreas Gabalier, Beatrice Egli und Andrea Berg gearbeitet und forciert seit 2015 erfolgreich eine Solokarriere.
Demofassung aus Heimstudio
Nachdem im Austausch mit Bullmahn und Kropp erste Stichworte erarbeitet wurden, machte sich Keller ans Werk. Im Übrigen, wie alle an dem Projekt Beteiligten, komplett ehrenamtlich. „Ich war schon absolut begeistert, als er mir am Telefon seine ersten Ideen vorgesungen hat“, erinnert sich Bullmahn. Aus diesen Ideen entwickelte Keller in seinem Heimstudio eine Demofassung des Liedes. Währenddessen hatte Torsten Bullmahn schon einen weiteren Kontakt aktiviert und Volker Siedenburg als ausführenden Produzenten mit ins Boot geholt.
„Schlager ist zwar nicht unbedingt meine Musik, aber ich dachte mir: Warum nicht? Durch den ganzen Corona-Zirkus habe ich derzeit 'eh nicht viel zu tun“, erklärt Siedenburg und schmunzelt.
Es ist nicht das erste Mal, dass Vegesack musikalisch verewigt wird: So veröffentlichten sowohl die „Utkieker“ als auch Entertainer Zoran Stepput in den vergangenen Jahren eigene „Vegesack“-Songs.
In den Achtzigerjahren schmetterte Komikerunikum Fips Asmussen sein „Von Vegesack bis Titisee“, zuletzt wurde die Nordbremer Vorstadt im Vorjahr durch das Bremer Punkquartett „Team Scheiße“ besungen – jedoch konnte sich bisher keine dieser Veröffentlichungen langfristig als identitätsstiftende Stadtteilhymne etablieren.
Durch seine ebenso einprägsame wie einschmeichelnde Melodie und den maritimen Hymnenflair habe Kellers Lied „Mein Vegesack“ hingegen potenziell gute Chancen, zu einer solchen Stadtteilhymne zu avancieren, hoffen die Initiatoren, Beteiligten und Ausführenden. Bis zur finalen Veröffentlichung müssen allerdings noch einige Aspekte geklärt werden: „Als ich die erste Version von Volker gehört habe, war ich überrascht, wie laut er meine Stimme in den Vordergrund gestellt hat – die war eigentlich erst mal nur als ,Platzhalter' gedacht“, gesteht Keller.
Schließlich sei der Song nicht als Keller-Single geplant: „Eigentlich sollte der Song einfach ein Geschenk an den Seemannschor sein, mit dem ich Vegesack etwas zurück geben möchte.“ Entsprechend ist derzeit auch noch nicht klar, auf welchen Kanälen und unter welchem Projektnamen der fertige Song schließlich veröffentlicht werden wird. „Ich fände es schön, wenn eine Möglichkeit zur Veröffentlichung gefunden würde, durch deren Erlös man Spenden für wohltätige Zwecke generieren könnte. Die Verantwortung dafür liegt jedoch nicht bei mir, zumal ich ja auch vertraglich an meine Plattenfirma gebunden bin. Die Verantwortung liegt in Vegesack – wer auch immer dort für so etwas zuständig ist“, erklärt Keller.
Torsten Bullmahn hat auf jeden Fall eine klare Vision: „Es wäre natürlich toll, wenn der Song nicht nur von Mitch gemeinsam mit dem Seemannschor mal auf einer hiesigen Bühne präsentiert werden könnte, beispielsweise im Rahmen des Hafengeburtstags oder spätestens beim nächsten Festival Maritim. Noch toller wäre es allerdings, wenn die Leute hier den Song bis dahin bereits kennen und 'ihre' Hymne gleich bei deren Bühnenpremiere sofort lautstark mitsingen würden.“