Der älteste fahrende Hochsee-Fischkutter aus Finkenwerder kommt nach Vegesack genauso wie die Großherzogin Elisabeth und das Segelschulschiff General Zaruski. Anlässlich des 400. Hafengeburtstags wird sich das Hafenbecken am Wochenende, 14. und 15. Mai, füllen. Nach Angaben des Museumshavenvereins werden hier bis zu 37 Schiffe festmachen. Oder – wie im Fall des 63 Meter langen Frachtsegelschoners Elisabeth – an der Signalstation. Wir stellen vier Seemänner mit ihren Schiffen vor.
Der Torfschiffer aus Neu-Helgoland
Schon als Kind hat Martin Brünjes seinem Vater geholfen, im Frühjahr weißen Torf im Teufelsmoor zu stechen. „Heute wird er als Blumenerde genutzt, wir haben ihn damals unter die Schweine getan.“
90 Prozent des Torfs brachten die Torfstecher in ihren Kähnen über die Seitenkanäle nach Bremen. „Sie haben Bäckereien und Gärtnereien beliefert“, erinnert sich Brünjes. Er selbst begann eine Lehre als Bankkaufmann. Doch die Geschichte der Torfschiffer hat ihn nie losgelassen: „Ich wohne selbst auf vier Metern Moor.“
Seit 22 Jahren engagiert sich Martin Brünjes im Vorstand der Adolphsdorfer Torfschiffer. Die nehmen statt Torf Gäste an Bord und schippern von Neu-Helgoland aus über die Hamme: „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, den Gästen das Teufelsmoor näher zu bringen.“
Mit vier Torfkähnen will allein der Adolphsdorfer Verein nach Vegesack kommen. „Die Kähne haben alle Originalmaße, damit jedes Kind sehen kann, wie so ein Torfkahn aufgebaut ist.“ Die zehn Meter langen und circa zwei Meter breiten Boote sind aus Eichenbohlen gefertigt. „Es sind Halbhuntkähne“, erklärt Martin Brünjes. Ein Halbhunt war im Teufelsmoor das gängigste Bootsmodell. Brünjes: „Auf den Kahn passten sechs Kubikmeter Torf, ein halbes Hunt.“
Der Reisende aus Vegesack
Torf hat auch Carsten Rendigs Binnenfrachtschiff De Vrouw Christina transportiert, allerdings in den Siebziger Jahren im Raum Groningen. Heute dient das 1909 gebaute Schiff dem Chef des Museumshavenvereins in Vegesack als beweglicher Wohnsitz. Seit seiner Rente plant er damit Reisen quer durch Europa. „De Vrouw Christina ist nur 2,85 Meter hoch, hat wenig Tiefgang und eine Breite unter fünf Metern – wir kommen überall durch.“ Nach dem Hafengeburtstag solle es losgehen, berichtet Carsten Rendigs während er einen Kaffee aufsetzt. Von der Spüle aus hat er einen guten Blick auf die Schiffe im Hafen und die Wohntürme der Grohner Düne.
Die fast 20 Meter lange Vrouw Christina bietet auf rund 30 Quadratmetern Platz für einen gut ausgestatteten Haushalt mit elektrischem Backofen und Kühlschrank und sogar eine kleine Gästekammer. „Wir haben Behälter für fast 3000 Liter Wasser an Bord und ein Solarmodul auf dem Dach – wir sind autark.“
Sein Patent für große Sportboote hat der gelernte Fernmeldehandwerker schon vor Jahren auf dem Rhein gemacht. „Ich war schon als Kind viel auf dem Wasser.“ Was reizt ihn am Leben an Bord? „Wenn ich auf dem Schiff bin, bin ich aus allem raus. Wir haben auch kein Fernsehen an Bord.“
Der frühere Matrose aus Finkenwerder
Hinnik Meyer hat seiner Mutter fast das Herz gebrochen, als er als 15-Jähriger auf dem Landrath Küster anheuerte. „Schon mein Bruder war mit dem Landrath Küster gefahren und ging dann auf große Fahrt. Sie wollte nicht, dass beide Jungs zur See fuhren. Aber 1953 gab es keine Lehrstellen und schweren Herzen ließ sie mich doch zur See fahren“, berichtet der heute 84-Jährige. Hinnik Meyer segelte mit dem gut 28 Meter langen Hochseekutter die Nordsee bis nach Norwegen hoch und lernte auf dem heute ältesten noch fahrenden Hochsee-Fischkutter aus Hamburg-Finkenwerder Kabeljau von Steinbutt unterscheiden. Hinnik Meyer arbeitete sich hoch, vom Schiffsjungen zum Matrosen.
Später zog es ihn an Land. Hinnik Meyer begann ein Studium und arbeitete bis zur Pensionierung als Beamter im Personalamt der Seeberufsgenossenschaft. Als über die Zeitung alte Bilder von dem 1889 gebauten und vor dem Verfall stehenden Landrath Küster gesucht wurden, um ihn originalgetreu restaurieren zu können, meldete er sich sofort. Meyer gründete den Verein „Freunde des Hochseekutters Landrath Küster“ und ist seitdem wieder jeden zweiten Tag an Bord des segelnden Kulturdenkmals: „Wir haben 211 Quadratmeter Segelfläche, die muss gepflegt werden.“
Der Skipper aus Carolinensiel
Die Sonne scheint, die Sicht ist klar, Manfred Mannot kann bis Langeoog gucken. Er ist an diesem Vormittag auf dem Fischkutter Gebrüder AZ 5 auf dem Weg zu einem Schiffswrack vor Spiekeroog. Die Tauchergruppe Ghost Diving Germany wolle nach Geisternetzen suchen, die zur tödlichen Falle für Meeresbewohner werden können.
Für Mannot eine besondere Aktion. Das Traditionsschiff fährt normalerweise Gruppen von Carolinensiel aus ins Wattenmeer. Es gehört seit seiner Außerdienststellung 1993 zum deutschen Sielhafenmuseum und ist als schwimmendes Denkmal anerkannt, berichtet der Skipper. Er war früher bei der Marine. „Aber weil ich aus Carolinensiel bin, hat man mich 2010 dazu geholt, bei der Besatzungsgewinnung“, berichtet der gelernte Elektroniker.
Seefahrerromantik kommt auf, wenn Manfred Mannot von den Anfängen des Schiffs berichtet. „Früher ist dieser Segelkutter bis nach England gefahren. Er war zwei bis drei Wochen unterwegs. Es war zwar gleich beim Bau ein Hilfsmotor eingebaut worden – aber der war nur 18 PS stark.“