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400 Jahre Hafen Schutt beeinträchtigt maritimes Flair

Der 400. Geburtstag des Vegesacker Hafens wird durch den Umbau optisch beeinträchtigt. Ein Rundgang durch das Quartier offenbart, wie trostlos es ist – auch abseits der eigentlichen Bauarbeiten.
20.04.2022, 18:00 Uhr
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Von Imke Molkewehrum

Kurz vor dem 400. Geburtstag des Vegesacker Hafens führt der langjährige Anwohner Wilfried Meier-Richetzky über das Gelände. Seit zehn Jahren wohnt er im Seniorenheim „Vier Deichgrafen" und kennt den Hafen aus jedem Blickwinkel. Seine maritime Ader hat er über Jahre als ehrenamtliches Crewmitglied des "Schulschiff Deutschland" befriedigt. Was er kritisiert und wo er Potenziale sieht.

Der Ausflug führt in ein Quartier, das sich als gigantische Baustelle mit Leerständen, Schuttbergen und trostlosen Ecken präsentiert. Der 84-Jährige führt zunächst zum verwaisten Steg der "Schulschiff Deutschland", die seit August in Bremerhaven liegt. Bis zur Verholung konnte der gelernte Schiffsmaschinenenbauer aus seiner Wohnung direkt auf den historischen Großsegler gucken. „Das Schiff fehlt mir tagein tagaus, weil ich da mitgearbeitet habe“, sagt er wehmütig und guckt gen Norden. Dort hängt noch das Rettungsboot an einem Ständer. Am Boden liegen Ankerketten: „Die müssen auch noch nach Bremerhaven. Sie sind viel wert und werden dort gebraucht – vielleicht als Abgrenzung oder Deko.“

Es geht weiter zum Geschichtenhaus. Am Hintereingang steht ein Lkw. Ein Mitarbeiter des Hauses hilft beim Beladen und erklärt Passanten, das Gebäude sei im Jahr 1815 erbaut worden und habe als Holzlager gedient. Meier-Richetzky verweist derweil auf den Schriftzug „Maritime Meile“, der an einer Wand prangt und fragt: „Was ist hier eigentlich noch wirklich maritim?“ Dabei blickt er auf Tonnen zertrümmerter Steine: „Hierhin kommt das neue Hochhaus. Die Pläne habe ich mir angeguckt. Das ist schon okay, denn so kommt wieder Leben her – mit Hotel, Kindergarten und Polizei.“ Die Grohner Düne sei eine Bausünde, „aber an die hat man sich gewöhnt“. Auch das neue "Kontor-Einkaufszentrum" sei optisch akzeptabel, findet der Rentner. Das "Haven Höövt" hätte man nicht unbedingt abreißen müssen.“ Nun ist der 84-Jährige gespannt auf das neue Speicherviertel: „Ich bin schon irgendwie genervt, dass ich das Ende des Hafenumbaus möglicherweise gar nicht erlebe – solange wie das alles dauert.“

Nah an dem hohen Schutthaufen steht das Gebäude des "Deutschen Schulschiff-Vereins". „Es soll verkauft werden, und ich verkaufe gerade das Inventar: Computer, Tische, Stühle“, sagt Meier-Richetzky und schließt die Tür auf. Das Gebäude in Form eines Schiffs hat bis vor Kurzem auch ein Restaurant beherbergt. Wo der "Deutsche Schulschiff-Verein" sein Domizil hatte, stehen etliche Kartons und Mobiliar. In einigen Büros sieht es noch chaotisch aus. Vor den Bürofenstern des Vereinsvorsitzenden Claus Jäger, wo das Schulschiff am Lesum-Ufer lag, hat jetzt ein Schiff aus dem Museumshafen festgemacht. 

Trostlosigkeit zwischen Schutt und verwaisten Gebäuden

Auf einer Betontreppe unterhalb des Gebäudes sitzt eine junge Frau in der Sonne und liest. Meier-Richetzky: "Da sitzen ständig Leute. An sich sollten schon vor zwei Jahren direkt neben dem Haus zwei Bänke aufgestellt werden, aber die sind nie angekommen.“ Der Weg führt nun nach oben, in die Räume des ehemaligen Restaurants. Auf dem Balkon im Obergeschoss liegen leere Weinflaschen und Bierdosen von ungebetenen Gästen. „Der Standort hätte es verdient, dass hier wieder eine Gastronomie mit Niveau einzieht", findet der Rentner und drückt gegen die Tür des früheren Restaurants. „Hier campieren öfter Wohnungslose“, sagt er und zeigt auf die Einbruchspuren. Auch das Innere des Gebäudes ist etwas ramponiert, lässt aber erahnen, welches Potenzial das Gebäude hat.

Am Geschichtenhaus vorbei führt der Weg zum Museumshafen. Am Geschichtenhaus wäre wasserseits Platz für Parkbänke oder einen Biergarten. Aber von der Bank, die um die Ecke steht, fällt der Blick zwischen grauen Mauern auf graue Mauern. Und der kastige Anbau am Geschichtenhaus verstellt den Blick auf die historische Fassade. Auf der weißen Brücke am Museumshafen manövrieren Radfahrer derweil ihre Räder um die neuen Sperren. „Manche müsse ihre Räder sogar um sie herum heben – für ältere Menschen anstrengend“, kritisiert Meier-Richetzky. Die Alternative ist der Umweg um das Hafenbecken.

Auf dem Heringslogger „BV2“ genießen einige Männer in roten Overalls gerade ein Bierchen im Sonnenschein. „Wir haben das Schiff fertiggemacht, damit es zum Hafengeburtstag schön ist“, sagt einer. Die Gruppe nennt sich „Dienstagsmaler“ und wünscht sich, dass „im Museumshafen künftig nur museale Schiffe liegen. So wie in Hamburg.“

Meier-Richetzky zeigt auf ein verwahrlostes Boot. „Die ,Atlantic' ist ein Schrotthaufen, die müsste eigentlich weg. Die kann man nicht mehr retten.“ In Vegesack gebe es zu viele  Schiffe, um die sich niemand kümmere. Umso mehr Spaß machen ihm die Besuche in Bremerhaven. Dafür legt er gern pro Strecke 58 Kilometer zurück. Bei Bedarf hilft er dort aus. Als Springer sozusagen. "Wenn die Bremerhavener Helfer keine Zeit haben, fahr ich hin. Das macht riesigen Spaß.“

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