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Ein Virus, fünf Forschungsprojekte Wissenschaftler der Jacobs University suchen Antworten zum Coronavirus

Wissenschaftler und Professoren der Jacobs University befassen sich in fünf Projekten mit dem Coronavirus. Es geht unter anderem um medizinische Fragen, aber auch um Wirtschaft und den Wertewandel.
06.08.2020, 06:13 Uhr
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Wissenschaftler der Jacobs University suchen Antworten zum Coronavirus
Von Frieda Ahrens

Wir wissen noch zu wenig über das Coronavirus und seine Auswirkungen. Und das in mehreren Bereichen: Welche wirtschaftlichen Folgen hat die Pandemie auf Deutschland? Welche langfristigen Auswirkungen hat die soziale Distanz auf die Gesellschaft? In welchem Sinne verschiebt sich unser Wertesystem? Die Jacobs University versucht, auf einige der vielen Fragen Antworten zu finden. In fünf wissenschaftlichen Bereichen wird zu den Folgen des Virus geforscht. Lehren aus der Pandemie zu ziehen, sei ein wichtiges Anliegen. „Wir wollen ein Beitrag leisten zum besseren Verständnis des Virus und zu seiner erfolgreichen Bekämpfung“, sagt Thomas auf der Heyde, Provost der Jacobs University.

Corona hat unseren Alltag grundlegend verändert: ständiges Hände waschen, drinnen bleiben müssen und Maske tragen. Sonia Lippke, Professorin für Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin, und ihr Team gehen der Frage auf den Grund: „Wie tiefgreifend sind diese Veränderungen?“. Wie sehr hat das Coronavirus unseren Alltag wirklich verändert? In einer noch laufenden Umfrage werden Vorteile wie auch Nachteile analysiert. Man habe zwar mehr Zeit, mit der Familie oder Mitbewohnern und über Themen nachzudenken, für die sonst kein Raum bleibt.

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Aber gleichzeitig werde durch die Digitalisierung und Abstandsregeln der übliche Sport erschwert, die Kommunikation und die Stimmung verändert. „Auch wenn wir auf Bevölkerungsebene keine Änderungen, zum Beispiel bei der gefühlten Einsamkeit, sehen, so berichten doch viele Menschen, dass ihnen etwas im Umgang miteinander fehlt. Die Frage ist nun, ob es allen Bürgern und Bürgerinnen so geht“, meint Lippke. Die Arbeitsgruppe rechnet damit, erste Ergebnisse bald kommunizieren zu können.

Auch das Team um Politikwissenschaftlerin Franziska Deutsch und den Psychologen Ulrich Kühnen und Klaus Boehnke setzt sich mit der sozialen Komponente der Folgen der Pandemie auseinander: den Einfluss der Pandemie auf die Werteorientierung der Menschen. Ausgangspunkt des Projektes war, dass Wertorientierungen normalerweise ab dem jungen Erwachsenenalter relativ stabil seien und sich Wertewandel auf gesellschaftlicher Ebene in erster Linie durch Generationenwechsel vollziehe.

Zunehmende Angst führt zur Abwehr von allem Fremden

Mit dem Beginn der Pandemie zeichnete sich für das Team jedoch ab, dass diese bei vielen Menschen mit Ängsten verbunden sei: Zunehmende Angst, die zur Abwehr von allem Fremden und Zustimmung zu eher autoritärem Regierungshandeln führt, aber auch positive Gefühle, wie eine starke globale Solidarität, kamen schnell auf. Damit stellte sich die Frage, ob die Pandemie einen schnelleren Wertewandel hervorbringt. Die Idee für das Projekt entstand Ende März. Die ersten Ergebnisse sind bereits zur Veröffentlichung eingereicht. Ob der Wertewandel von Dauer ist, sollen weitere Erhebungswellen zeigen.

Das Projekt von Stansilav Chankov, Dozent für Supply Chain Management, befasst sich mit der Frage: Welche Lehren kann man die humanitäre Pandemiehilfe ziehen? Das Projekt hat seinen Ursprung in der Bachelorarbeit von Camilia Popoff. Die Jacobs-Absolventin hat sich mit dem Thema befasst, wie sich der Schaden von Pandemien durch die frühzeitige Einrichtung von öffentlich-privaten Partnerschaften eingrenzen lässt. Die Rolle von öffentlich-privaten Partnerschaften wird also untersucht. Beispielweise anhand von Bekleidungsfirmen, die Masken und medizinische Kittel produzieren, oder Kosmetikfirmen, die Desinfektionsmittel herstellen.

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Ebenfalls wirtschaftlich ausgelegt, ist die Forschung der Arbeitsgruppe um Tilo Halaszovich. Der Professor für Globale Märkte und Firmen und sein Team befassen sich mit der Auswirkung der Krise auf die Investitions- und Handelsbeziehung des deutschen Mittelstandes zu Schwellenländern. „Uns interessiert sehr, ob bestimmte Regionen und Schwellenländer von möglichen Umstrukturierungen profitieren können“, sagt Halaszovich.

„Das betrifft vor allem auch die afrikanischen Länder, die bisher von der deutschen Wirtschaft primär als Absatzmarkt, nicht aber als Beschaffungsmarkt gesehen wurden.“ Die Fragestellungen sind: Wie stark ist das Auslandsgeschäft des Mittelstandes betroffen und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Firmen? Erfolgt etwa ein Rückzug aus einzelnen Ländern und werden neue als Zulieferer oder Absatzmarkt erschlossen?

Immunantwort auf das Virus

In eine noch ganz andere Richtung, und damit eine fünfte Perspektive aufmachend, geht die Arbeit des Biochemikers und Zellbiologen Sebastian Springer. Sein Team forscht an einer Immunantwort auf das Virus. Wenn ein Virus eine menschliche Zelle befällt, reagiert das Immunsystem automatisch. Der Erfolg der Immunantwort auf den Virenangriff hängt, ebenso wie der Erfolg einer Impfung, von der Wirkung einer Gruppe von Abwehrproteinen ab.

Fragmente der Virus-Proteine (Peptide) docken an zelluläre, menschliche Proteine (Rezeptoren) an, die dann dem Immunsystem Auskunft über die Virusinfektion geben. In der Arbeitsgruppe von Sebastian Springer sind besonders stabile Versionen der Rezeptoren hergestellt worden. Diese neuartige Methode sei erst in den letzten Monaten entwickelt worden und käme jetzt erstmals zum Einsatz. Seine Arbeitsgruppe forscht gemeinsam mit einer Gruppe von Wissenschaftlern am Heinrich-Heine-Institut in Hamburg. Grundsätzlich sei die Kooperation mit anderen Universitäten der Jacobs University wichtig – gerade in Zeiten einer Krise sollten Ressourcen gemeinsam genutzt werden.

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