Über 110 Nationen leben auf dem Campus der Jacobs University (JUB), was bedeutet, dass eine Fülle von Essgewohnheiten aufeinandertrifft. Eine Herausforderung, die Erfahrung, Flexibilität und ein offenes Ohr für die Wünsche der Studenten erfordert. „Jedes Jahr kommen bis zu 500 neue Studenten aus unterschiedlichen Ländern an die JUB. Dadurch ändern sich die Anforderungen ständig“, erklärt Frank Gleitsmann. Er leitet das Catering-Team, das von der Küche bis zur Essensausgabe so weltumspannend aufgestellt ist wie die Studentenschaft. Ein Mitarbeiter, der heraussticht, ist Anil Kumar. Als Fernsehkoch war der in Dubai lebende gebürtige Inder im gesamten arabischen Raum bekannt. Diese Erfahrung sowie die, die er weltweit gesammelt hat, gibt er seit 2019 als Küchenleiter weiter. Wie auch Frank Gleitsmann hat er sich zum Ziel gesetzt, den Studenten emotionales Wohlgefühl vermitteln und sie in der neuen Heimat integrieren.
„Die Studenten bleiben bis zu vier Jahre, vermissen ihre Heimat und das bekannte Essen. Oft sind sie das erste Mal von zu Hause weg“, berichtet Anil Kumar aus eigener Erfahrung. Sein Sohn studierte bis 2021 an der JUB. „Sie sind emotional und wir geben ihnen Emotionen zurück, zum Beispiel durch Ingwertee, Toast oder anderes Soulfood“. Zwar seien die Studenten Kunden, man spreche sie jedoch mit Vertrautheit an. „Wir sind für sie Familie“, erklärt Kumar, der als Familienvater weiß, dass gesundes Essen allein junge Menschen nicht glücklich macht. „Spaß muss dabei sein!“.
Spaß an Neuem, am Entdecken und Kochen hat Anil Kumar auch nach Jahrzehnten in der Küche noch. „Ich habe in 36 Ländern, auf Kreuzfahrtschiffen, in Hotels, für die Industrie und im Flughafencatering gearbeitet und noch immer will ich Neues lernen“, so der Profikoch. Deshalb hat er sich zu Hause eine Laborküche eingerichtet, in der sich ausprobiert. Inspiration liefern Reisen, auf denen er landestypisch kocht, aber auch Anregungen von Studenten. „Sie wissen, wenn sie sich etwas Bestimmtes wünschen, schaffe ich das“, so Kumar.

JUB inside: Head of Catering - Frank Gleitsmann
Konsequent authentisch soll das Speisenangebot sein, da sind sich Frank Gleitsmann und Anil Kumar einig. „Normalerweise werden Gerichte für das deutsche Empfinden modifiziert. Hier nicht!“, erklärt Kumar. Um dem typischen Geschmack so nah wie möglich zu kommen, hat er eine umfangreiche Sammlung an Gewürzen, Ölen und Würzsoßen zusammengetragen. Auf diese ist er sichtlich stolz. „Kein Hotel hat das, was ich hier habe, denn meine Gäste sind speziell!“. Sechzehn verschiedene Olivenöle und mehr als 20 spezielle Würzsoßen für jede Länderküche stapeln sich in Schwerlastregalen. Darunter beispielsweise Sriracha-, Chipotle-, oder Szechuan-Soße. Hinzu kommen Asia-Öle und unterschiedliche Fette. In einem Raum reihen sich alle Gewürze der Welt aneinander. Sie sind Kumars Geheimzutat. „Zwei Prozent Gewürz pro Gericht kontrollieren den Rest. Deshalb muss man genau wissen, wie man sie richtig nutzt“, verrät der Profi.
Kumar ist es wichtig, internationale wie auch regionale Gerichte anzubieten. Vom äthiopischen Nationalgericht Doro Wot, einem Hähnchencurry, das er auf Studentenwunsch eingeführt hat, bis zu Bremer Labskaus ist alles dabei. Und Kumar besteht darauf, dass jeder Student alles probiert. „Alle essen alles, auch wenn es mich zwei Jahre kostet, bis ich die Studenten so weit habe“. Sie zum Probieren von fremden Gerichten zu motivieren soll ihren kulinarischen Horizont erweitern und ihnen gleichzeitig helfen, heimisch zu werden. „Ich bin der Meinung, dass, wenn man nach Deutschland kommt, man hier auch integriert werden muss. Essen ist eine Komponente. Deshalb frage ich jeden Studenten, was er an diesem Tag gegessen hat“, so Kumar. Bei aller Integration sei es aber ebenso wichtig, religiöse Gepflogenheiten wie zum Beispiel spezielle Speiseregeln zu akzeptieren.
Kumar selbst fühlt sich schon lange in Bremen zu Hause. Nach Jahren in allen Ländern der Welt wollte er irgendwo hin, wo es „ruhiger ist“. Seine Frau schwärmte nach einem Besuch bei dem in Bremen studierenden Sohn von der Stadt und schnell war klar, dass es genau so ein Ort sein sollte. „Hier hat man viel Natur, echte Jahreszeiten und alles, was man braucht, um ein ruhiges Leben zu führen“, so Kumar. An seinen Job kam er über Umwege. „Ich hatte einem Berliner Freund meine Unterlagen gegeben, um sie an Leute weiterzuleiten, die passen könnten. Keiner von uns weiß, wie sie an der JUB gelandet sind“, erinnert sich Kumar. „Mein Sohn war komplett überrascht, als er hörte, dass wir kommen“.