Wissenschaftssenatorin Claudia Schilling (SPD) hat auf einen Offenen Brief reagiert, in dem Professoren der Jacobs University (JUB) beklagen, dass sie bei der Neuausrichtung der privaten Hochschule zu wenig einbezogen werden. Gegenüber dem WESER-KURIER versichert Schilling zwar, dass sie „größtes Verständnis“ dafür habe, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich für die Frage interessierten, wie es in der Zukunft weitergehe. Allerdings werde sie in entsprechende Gespräche mit ihnen erst einsteigen, wenn die Verhandlungen mit dem angestrebten künftigen deutsch-chinesischen Betreiber-Konsortium „weiter konkretisiert sind“.
Das Trio, bestehend aus dem Software-Konzern SAP, dem chinesischen IT-Dienstleister Neusoft und dem Deutschen Zentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) soll die Anteile der Jacobs Foundation übernehmen. Die bisherige Mehrheitseignerin hatte im Frühsommer ihren Rückzug aus der JUB erklärt. Damit stand die chronisch defizitäre JUB vor der Insolvenz – „mit einem vollständigen Verlust aller Arbeitsplätze“, wie die Wissenschaftsbehörde nun betont.
Deshalb hatte der Senat vorige Woche entschieden, die Anteile der Jacobs Foundation an der JUB für sechs Monate zu übernehmen. „Ziel ist es, diese Anteile an einen Dritten zu geben, der garantiert, dass der Campus Grohn als wissenschaftliche Hochschule fortgeführt wird“, erklärt Sebastian Rösener, Sprecher der Senatorin. Das KI-Konsortium ist bislang der einzige Kandidat mit einem detaillierten Konzept. Aber es gibt eben noch keinen endgültigen Vertrag. Aktuell laufen erst einmal Gespräche über eine schriftliche Absichtserklärung („Letter of Intent“). „Zeitlich ist das alles noch im Rahmen“, versichert Rösener. Denn in einer Pressemitteilung vom vorigen Dienstag hieß es schon, die Absichtserklärung sollte „gegen Ende der Woche unterschrieben werden“.
Sie ist erste Voraussetzung dafür, dass die bisherigen Anteile der Jacobs Foundation an das Konsortium verkauft werden, damit es die JUB umgestalten kann. Klappt das nicht bis zum Jahresende, gehen die Anteile der Foundation an den Verein zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in der Freien Hansestadt Bremen. Der wird vom Wissenschaftsressort und der (öffentlichen) Universität Bremen gemeinsam getragen. Vorstandsvorsitzender ist Wissenschaftsstaatsrat Tim Cordßen (SPD), dessen Vize ist Uni-Rektor Bernd Scholz-Reiter.
Haushaltsbelastung hielte sich in Grenzen
Dieser quasi landeseigene Verein hätte dann bis Ende Juni 2021 Zeit, die Mehrheitsanteile an das Konsortium zu veräußern. Zunächst geht es dabei um kleine Beträge: Das Stammkapital der JUB beträgt 33.000 Euro, davon hielt die Jacobs Foundation 22.000, jeweils 5500 liegen bei der Reimar-Lüst-Stiftung und der Alumni-and-Friends-Stiftung der JUB. Bremens Haushaltsbelastung hielte sich also mit 22.000 Euro plus Anwalts- und Notarkosten in Grenzen.
Scheitert eine Übertragung an das Konsortium bis zum 31. Juni, werden die Geschäftsanteile auf die JUB selbst übertragen und „ruhend gestellt“. Die anderen beiden Teilhaber hätten damit automatisch jeweils 50 Prozent Stimmanteil. Es wäre das Katastrophen-Szenario: Bei der dann sehr wahrscheinlichen Insolvenz besteht nämlich eine Verpflichtung Bremens, den Studierenden der JUB einen Abschluss zu ermöglichen. Der reduzierte Weiterbetrieb der Hochschule könnte das Land nach Einschätzung der Wissenschaftssenatorin etwa 50 Millionen Euro kosten.
In Verhandlungen mit der Jacobs Foundation hat man immerhin erreicht, dass die Stiftung zugesagte 63 Millionen Schweizer Franken, die eigentlich bis Ende 2027 fließen sollten, bereits in diesem Jahr auszahlt. „Nur deswegen ist die JUB heute in der Situation, überhaupt über eine Zukunft zu sprechen“, macht Schilling gegenüber dem Faculty Council klar. Das sechsköpfige Professoren-Gremium hatte in seinem Brief nachdrücklich gefordert, „unmittelbar und frühzeitig an allen die akademische
Ausrichtung der Jacobs University betreffenden Planungen beteiligt“ zu werden.
Dies wurde unter anderem mit der „weltweit exzellenten Reputation“ begründet, welche sich die JUB in knapp 20 Jahren erarbeitet habe. „Dies ist nicht nur durch zahlreiche nationale und internationale Rankings belegt, sondern drückt sich auch in steigenden Studierendenzahlen und in der erfolgreichen Einwerbung externer Forschungsgelder aus“, schreiben die drei Professorinnen und drei Professoren. Die JUB stärke die Bremer Wissenschaftslandschaft nicht zuletzt „durch drittmittelgeförderte Kooperationen mit den Bremer Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der Bremer Industrie“.
So rosig fällt der Befund im Wissenschaftsressort nicht aus. Es sei deutlich geworden, „dass das bisherige Geschäftsmodell der JUB nicht tragfähig ist und ohne einen hohen Zuschussbedarf nicht weitergeführt werden kann“. Eine private Universität durch öffentliche Mittel zu finanzieren, ist für Schilling „jedoch keine Option“. Also müsse man „jemand Drittes“ finden, der den Universitätsbetrieb in Grohn „mit einer neuen Geschäftsidee neu ausrichtet“. Ein eigener Business-Plan der JUB krankte laut Senatsvorlage schon daran, dass keine Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden, die eine Prüfung ermöglicht hätten.