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Kabarett im Kito in Vegesack Von Daunenlutschern und armen Milliardären

Die Brüder Podewitz haben in Vegesack eine kabarettistische Jahresbilanz für 2023 gezogen. Das Publikum erfuhr etwa, warum reiche Weltraumtouristen zu bedauern sind und wie Weihnachten zeitgemäß gefeiert wird.
14.01.2024, 17:00 Uhr
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Von Marina Köglin/mag

Die Brüder Podewitz – Willi und Peter – hatten zu ihrem inzwischen traditionellen kabarettistischen Jahresresümee ins Kito geladen. Titel des Abends: „Jahrsager – Das Jahr im Rückspiegel“. Und 2023 hatte allerhand zu bieten: Weltraumtouristen, Bauernproteste, Fachkräftemangel, die Deutsche Bahn, den Vogel des Jahres und einiges mehr. Mit einer Mischung aus Comedy, Sprachwitz und Situationskomik ließ das Duo die vergangenen zwölf Monate Revue passieren

Los ging’s mit Weihnachten. Die Erinnerung ist ja noch frisch. Im Hause Podewitz wurde das Fest extrem zeitgemäß gefeiert: „Mit indigenen Christbaumkugeln und veganem Lametta. Die Bescherung übernahm eine non-binäre Weihnachtsperson.“ Zu essen gab es eine vegetarische Weihnachtsgans: „Man isst nur die Federn. Ein einziges Daunenlutschen.“

Insgesamt sei 2023 ziemlich chaotisch gewesen. Überall so viel Wut, so wenig Entspannung. „Anderswo haben sie Yin und Yang fürs innere Gleichgewicht. Wir haben Habeck und Lindner – wie soll man sich da entspannen?“ fragte Willi Podewitz. Dennoch seien die Angriffe einiger Landwirte auf Vizekanzler Habeck natürlich nicht in Ordnung gewesen. „Was war da denn los? Haben die ihren Kühen das Gras weggeraucht?“ Vielleicht, so die podewitzsche Theorie, liegt’s an der Berufsbezeichnung. „Wer will heute noch Bauer genannt werden? Wie wäre es stattdessen mit Agrar-Ingenieur, Feldfrucht-Stylist oder Pflugbegleiter?“

Strafgedichte fürs Publikum

Auf den Namen komme es an. „Das hier ist ja auch kein Kabarett“, erfuhren die Zuschauer, „sondern autoritäre Unterhaltung.“ Disziplin, Konzentration und überzeugende Euphorie waren vom Publikum gefordert. „Wenn eure Applaus-Leistung nachlässt, gibt’s lyrische Zwangsmaßnahmen – Strafgedichte. Und keins ist kürzer als vier Zeilen.“ Vorgetragen wurden die Strafgedichte von Peter Podewitz. Mit weißer Toga, hölzerner Harfe und lyrisch-entrücktem Gesichtsausdruck deklamierte er staubtrocken Nonsens-Reime, die durchaus an Heinz Erhardt erinnerten. Dabei hatte sich das Vegesacker Publikum sehr engagiert in die Applaus-Choreografie eingebracht. Gefordert waren tosender Applaus, spitze Begeisterungsschreie und ohnmächtige Teenager, die hinausgetragen werden sollten. Auf den letzten Programmpunkt musste mangels Teenager verzichtet werden. („Alles unter 60 gilt hier heute als Teenager. Und selbst das wird eng.“). 

Und schon war man beim nächsten Thema: dem Fachkräftemangel. „Auch uns Kabarettisten hat’s erwischt“, bekannte Willi Podewitz. „Wir suchen ganz dringend lachkundige Zuschauer mit Applaus-Kenntnissen. Aber gerade die jungen Leute wollen ja kaum noch eine Hand rühren. Geschweige denn zwei. Wir müssen zum Teil Zuschauer aus dem Ruhestand zurückholen.“ Da hätten es die Vereinigten Staaten besser:„Die USA verfügen über Fachkräfte, die bei jedem Scheiß losklatschen können.“

Von Weltraumtouristen und irdischen Problemen

Ein weiteres Thema waren Weltraumtouristen; Milliardäre, die sich zum Mond schießen lassen. Kommentar der Brüder Podewitz dazu: „Wir sollten Mitleid haben; wo sollen diese armen Milliardäre denn sonst noch Urlaub machen? Jetzt, wo auch Dubai schon einfache Millionäre reinlässt.“ Zwischendurch wurden jahresrückblicks-relevante Fakten abgefragt. Zum Beispiel: Der Vogel des Jahres 2023 war…? „Der Schluckspecht“, antwortete sofort ein Zuschauer. Willi Podewitz schüttelte grinsend den Kopf. „Manchmal glaube ich, Vegesack hat am Jahr 2023 nicht teilgenommen.“ Es war natürlich das Braunkehlchen. „Das ist nicht etwa der Wappenvogel der AfD, sondern ein kleines, unscheinbares Federtier. Wie wird so einer Vogel des Jahres? Hat sich wahrscheinlich hochgeschlafen.“

Außerdem erfuhren die Zuschauer, dass die Deutsche Bahn 2023 insgesamt 80 Millionen Minuten Verspätung eingefahren hat. Das sind immerhin 152 Jahre. „152 Jahre in einem Jahr – wenn das keine Leistung ist!“ so Willi Podewitz. „Wer jetzt noch sagt, die Deutschen kriegen nichts mehr hin, dem antworte ich: Doch! Verspätung können wir.“ Schön auch der Dialog zweier moderner Väter, die sich in Automobil-Vokabular über ihre Kinder unterhalten: „Mein Sohn hat ABS. Nee, ADHS.“ „Aber das gehört ja mittlerweile zur Serienausstattung.“

Fiktive Interviews, Soloszenen, Dialoge, Wortspiele und Strafgedichte – die Podewitz-Brüder, die schon mit vielen Kleinkunstpreisen ausgezeichnet wurden, boten humoristische Abwechslung. Im Kito präsentierten sie sich als eingespieltes Team, das sich die Textbälle sicher zuwirft. Mitunter blitzte der erfrischend unperfekte Charme des Improvisierten auf. („Habe ich jetzt Text?“ „Ja.“ „Oh...“) Nach einer Zugabe wurde das Duo vom Publikum mit gut trainierter Euphorie verabschiedet. Vielleicht sogar zu gut, denn weitere Strafgedichte gab es leider nicht. Aber im Rückblick wird auch 2024 wieder einiges los gewesen sein. Willi und Peter Podewitz werden bestimmt davon berichten.

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