Diesmal haben es die Helfer anders gemacht: Statt mit einem einzigen Impftruck wie Ende Juni sind sie an diesem Tag gleich mit zwei Speziallastern zur Grohner Düne gekommen – und trotzdem stehen die Menschen wieder Schlange. Um kurz vor halb elf ist sie so lang, dass die Ersten fast am Ende des Kulturbahnhofs warten und die Letzten an der Kreuzung zur Friedrich-Klippert-Straße. Erst gegen Mittag wird das Team aus Ärzten, medizinischen Fachkräften, Dolmetschern und Ordnern sein Pensum reduzieren können. Aber nur kurz.
Peter Zeugträger hat den Andrang quasi kommen sehen. Der Bereichsleiter des Deutschen Roten Kreuzes war schon am Abend zuvor im Grohner Quartier, um die Impftrucks vor den Mietblocks startklar zu machen – und wurde dabei so oft von Bewohnern gefragt, wann es denn nun losgeht, dass ihn die Reihe an Frauen und Männern an diesem Morgen kaum überrascht. Zeugträger, das kann man trotz Schutzmaske sehen, strahlt. Für ihn ist die große Resonanz ein Beleg dafür, dass die Impfkampagne nicht ins Stocken gekommen ist. Auch wenn in anderen Bundesländern das Gegenteil gesagt wird.
Der Bereichschef und sein Team – knapp 30 Ärzte, medizinische Fachkräfte, Dolmetscher und Ordner gehören ihm an – sind nicht die Einzigen, die an diesem Tag in Nord im Impfeinsatz sind. Auch im Gemeindesaal der St.-Marien-Kirche in Blumenthal werden Vakzine von Biontech/Pfizer injiziert. Auch dort sind die Helfer zum zweiten Mal und stehen die Menschen morgens Schlange. Zeugträger, vor Corona für den Fahrdienst und die Ausbildung zuständig, jetzt für das Management der Impftrucks, geht davon aus, dass die Helfer nicht das letzte Mal im Gemeindesaal und vor der Grohner Düne sind.
Hier wie dort geht es zwar vorrangig um die Zweitimpfung. Aber auch Menschen, die noch keinen Wirkstoff gegen das Virus erhalten haben, bekommen die Spritze. Mit der Folge, dass die mobilen Impfteams ein weiteres Mal vorfahren werden. Und vielleicht noch einmal, wenn es wieder Neuzugänge in den Reihen der Menschen gibt, die anstehen. Zeugträger hat sich darauf eingestellt, dass sein Alltag und der seiner Kollegen noch über Monate so aussehen wird, wie er jetzt aussieht: An einem Tag sind sie in diesem Stadtteil, am nächsten in einem anderen. Um irgendwann wieder dort zu sein, wo sie schon einmal waren.
Aufbauen, abbauen, aufbauen, abbauen – seit Wochen geht das so. Zeugträger muss inzwischen auf seinem Smartphone nachschauen, wo das Team zuletzt war und wo es demnächst sein wird. In dieser Woche macht es noch Station beim Weserpark, Hauptbahnhof, Weserstadion und an der Schlachte. Der Bereichsleiter sagt, dass die mobilen Helfer erst sporadisch im Einsatz waren und jetzt täglich unterwegs sind. Dass sich ihr Takt erhöht hat, erklärt er damit, dass immer mehr Impfzentren schließen. Den Anfang hat die Anlaufstelle in Vegesack gemacht, dann sind die Angebote in den Messehallen vier, fünf und sechs gefolgt.
Zeugträger schließt nicht aus, dass die Flotte der mobilen Einsatzkräfte erweitert wird, wenn auch das Impfzentrum in der Halle sieben seinen Betrieb einstellt. Und dass Bremen – zusätzlich zu den beiden Spezialtrucks des Roten Kreuzes – aus Großraumbussen künftig Impfbusse machen wird. Andere Städte haben das schon getan. Der Bereichschef ist davon überzeugt, dass das Interesse der Menschen an stationären Angeboten immer weiter sinken wird und es nun andersherum laufen muss: Nicht die Quartiersbewohner kommen zu den Impfzentren, sondern die Impfzentren zu den Quartiersbewohnern.
Ob das mobile Angebot angenommen wird, hat das Rote Kreuz an der Grohner Düne getestet. Im Juni sind die Trucks nicht bloß das erste Mal bei den Mietblocks vorgefahren, sondern waren das erste Mal überhaupt in ein Bremer Wohnviertel gekommen. Eingestellt waren die Helfer auf 60 Impfungen, am Ende ließen sich fast viermal so viele Menschen gegen das Virus schützen. Diesmal haben die Speziallaster gleich 325 Dosen an Bord – und kann das Team nahezu unbegrenzt nachordern. Zeugträger sagt, dass die mobilen Impfhelfer mittlerweile überall auf eine ähnlich große Resonanz stoßen wie in Grohn.
Dass die Menschen vor den Trucks anstehen, während andernorts auf Impfwillige gewartet wird, kommt für den Bereichsleiter nicht von ungefähr. Ihm zufolge sind Nachbarn ein Motivationsmotor. Je mehr sich in der Schlange anstellen, meint er, desto weniger Bedenken gibt es gegen eine Impfung. Am Nachmittag ist die Reihe der Bewohner fast genauso lang wie am Morgen. Jetzt reihen sich die ein, die bisher gearbeitet haben.