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Auf dem Vegesacker Wochenmarkt Kibbelinge aus der blauen Bude

Die Mütze ist sein Markenzeichen. Und das blaue Holzhäuschen auch. Wolfgang Schulz-Urbrock ist seit zwanzig Jahren Händler auf dem Vegesacker Wochenmarkt. Angefangen hatte damals alles mit einer Wette.
05.01.2023, 12:26 Uhr
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Von Ulrike Schumacher

Er trägt sie immer auf dem Kopf. Und deshalb wird der Mann auch so genannt: Mütze. Würde jemand sagen: "Ich geh mal an den Stand von Wolfgang Schulz-Urbrock", kaum jemand würde wissen, wer gemeint ist. Aber "Mütze", da klingelt es gleich. Bei Mütze gibt's auf dem Vegesacker Wochenmarkt Fisch. "Kibbelinge wie in Holland". So ist es auf dem Schild zu lesen, das an der blauen Bude hängt, in der Mütze seine schmackhaften Happen brutzelt. Die Portion für fünf Euro.

Seit zwanzig Jahren steht der "echte Grohner Butjer", wie er sich selber nennt, donnerstags und sonnabends auf dem Wochenmarkt in Vegesack und bereitet die Mahlzeit für zwischendurch zu. Längst sitzt jeder Handgriff. Flink bestäubt der Fisch-Mann Stücke von Rotbarsch-Filet mit Fischbackmehl. "Das schließt die Poren", erklärt er. Das Saftige bleibt so erhalten. Hinein mit den Stücken in die Pfanne, dass das heiße Fett spritzt. Von dort auf den Teller, noch einen Klecks Knoblauchsoße über die leicht gebräunten Bissen und dem nächsten Kunden heiß serviert. Die meisten sind Stammkunden. Legen zwischen ihren Einkäufen an der blauen Hütte einen Stopp ein und sind im Nu in einen Plausch vertieft. Der Mann an der Pfanne schaut unter seiner Mütze hervor, die er winters wie sommers trägt – "ohne Mütze bin ich inkognito" – und schickt einen stummen Gruß hinaus zu den Kunden. Er hat zu tun. Filetstückchen in Mehl wenden, die Pfannen heiß halten, Portionen auffüllen, zwischendurch kassieren.

Mit einem kleinen Tisch fing es an

Die blaue Bude hatte er nicht immer. Wolfgang Schulz-Urbrock erinnert sich noch an den Anfang seiner Marktaktivität. Damals stand er hier unter freiem Himmel. Ganz bescheiden "mit einem kleinen Tisch und einem Ofen". Bei Sonne war das schön. Bei Regen – der Mann mit der Mütze winkt vielsagend ab. "Ich bin öfter nass geworden." "Also", erzählt er weiter, "bin ich mit der Bude auf den Markt gekommen – und alle haben gesagt: ,Jetzt ist Mütze ganz verrückt geworden'." Von wegen, längst ist das blaue Häuschen wie die Mütze sein Markenzeichen.

Gebaut hat er das Holzhaus selbst. Schließlich ist er mal Tischlermeister gewesen. Eine kommodige Bude hat der Nordbremer sich gezimmert. Im Innern ist alles griffbereit zur Hand, was er für die Zubereitung der Kibbelinge braucht: Herd, Pfannen, Küchenfreunde, so die charmante Beschreibung für Pfannenwender. Sogar ein kleines Gemälde ziert die Küchenwand. Ein handgezeichnetes Porträt, das den Markthändler hinter seinem Tresen zeigt. "Das hat eine Kundin gemalt und mir geschenkt", erzählt Mütze stolz. Jetzt gibt es ihn in seiner blauen Bude sozusagen zweimal.

Eine Wette forderte ihn heraus

Dass er überhaupt Markt-Händler wurde, ist das Ergebnis einer Wette. "Damals war ich mit Freunden vor Borkum fischen", erzählt er. "Da haben wir so viel gefangen, dass ich gesagt habe: Das müsste man auf dem Markt verkaufen." Die Freunde waren skeptisch. "Das machst du doch nicht." Ein Wort gab das andere und schon stand die Wette. So fing das damals an. Der Mann aus Grohn brachte "30 Forellen und mehr als 40 Makrelen" auf den Wochenmarkt und räucherte sie vor Ort. "Anderthalb Stunden später war alles verkauft", erzählt Mütze und lässt ein leicht verschmitztes Lächeln über sein Gesicht huschen. Die reinste Marktlücke, dachte sich der Mann damals. Und machte weiter.

Seitdem startet er an seinen Markttagen morgens um sechs Richtung Sedanplatz, um dort rechtzeitig alles für den Verkauf vorzubereiten. Ans Aufhören denkt Wolfgang Schulz-Urbrock mit seinen 79 Jahren – "aber innen bin ich jung" – noch lange nicht. "Das ist für mich keine Arbeit, sondern Hobby", erklärt er. Eines wie die anderen Hobbys. Angeln und Fische räuchern zum Beispiel. Oder Kurzgeschichten schreiben. Das macht er nämlich auch. Zu Hause zur Ruhe kommen, genau beobachten, was in der Natur vor seiner Haustür los ist und dies dann zu Papier bringen. Die beiden Verkaufstage auf dem Vegesacker Wochenmarkt seien "zu 51 Prozent Hobby, zu 49 Prozent Arbeit", relativiert er dann doch, schwenkt in der Pfanne die nächste Portion Kibbelinge und fügt hinzu: "Wenn sich das mal umkehrt, geh ich in Rente." Dann würden sie ihn aber sehr vermissen, den Mann in der blauen Bude, den alle nur Mütze nennen.

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