„Nanu, hier stand doch gestern noch ein Schwein? Wo ist das hin?“ Diese Frage stellten sich Passanten, die in dieser Woche durch die Gerhard-Rohlfs-Straße gingen. Davon, dass auf der Ellipse eigentlich eine Skulptur stehen sollte, zeugen nur noch einige gelbe Markierungen auf dem Pflaster. Von dem Kunstwerk selbst fehlt jede Spur. Nur wer am Montagnachmittag durch die Fußgängerzone kam, konnte kurz einen Blick auf das fünf Meter hohe und sieben Meter lange Schwein aus Stahl werfen.
Gegen 10 Uhr am Morgen war das Team um die niederländische Künstlerin Jantien Mook angereist und hatte begonnen, das aus mehreren Einzelteilen bestehende Tier aufzubauen. Doch schon am frühen Abend begann bereits der Rückbau. „Kurz bevor alles fertig war, kam die Info vom Ordnungsamt, dass die Skulptur aufgrund des Bauzauns nicht an der Stelle stehen darf“, fasst Nils Hillmer vom Imbiss Scheffel zusammen. Aktuell steht er mit einem kleinen Stand an der Ellipse und somit in direkter Nachbarschaft zur Baustelle und dem ursprünglich geplanten Platz für das Kunstwerk.
In der Begründung des Ortsamtes heißt es: Die Skulptur würde zu dicht an die Baustelle heranragen, sodass nicht mehr ausreichend Platz an dem schmalen Durchgang vorhanden wäre. Ein Verschieben der Skulptur auf die gegenüberliegende Seite sei aber auch nicht möglich. „Dort würde sie die mögliche Durchfahrtsbreite für Rettungsfahrzeuge zu sehr einengen.“ Es gäbe die Möglichkeit, einen anderen Standort vorzuschlagen.
Eine Chance, die Jörn Gieschen vom Vegesack Marketing und sein Team gerne sofort wahrgenommen hätten. Das Einlagern des Kunstwerks hätte jedoch zusätzliche Kosten verursacht, so Gieschen. Also nahm die Künstlerin die Skulptur noch am selben Tag wieder mit in die Niederlande. Im kommenden Jahr soll ein neuer Anlauf für das Schwein gemacht werden.

Nils Hillmer hat die Diskussion um das Kunstwerk aufgegriffen und will nun schauen, wie Bio-Bratwürste in seinem Imbiss angenommen werden.
„Ode to the Wilderness“
Kunst von Jantien Mook ist bereits 2018 in Vegesack auf positive Resonanz gestoßen. Damals hat über mehrere Wochen ein riesiger Elefant auf der Ellipse gestanden. Beide Skulpturen gehören zu der Werkreihe „Ode to the Wilderness“, die die Künstlerin quer durch Europa reisen lässt. Zuletzt hatte die „Ode to the pig“ in Hamburg haltgemacht, was Mook dazu motivierte, in Vegesack anzufragen, ob Interesse an einem kurzen Aufenthalt bestünde. „Das Team musste auf den Weg von Hamburg zurück in die Niederlande sowieso durch Bremen. Ein Stopp bot sich also an“, erklärt Jörn Gieschen. Man habe versucht, das Projekt ohne großen Vorlauf zu realisieren. „Natürlich haben wir die entsprechenden Anträge gestellt und uns im Vorfeld über die notwendigen Sicherheitsabstände informiert. Die Signale waren positiv, aber eine feste Zusage hatten wir bei Beginn des Aufbaus noch nicht“, stellt Gieschen klar.
Die Baustelle machte dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung. „Aber Sicherheit geht vor“, findet Jörn Gieschen, der die Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt lobt und Verständnis für die Entscheidung zeigt. Dass die Skulptur nun erst mal weiterziehen musste, findet der neue Geschäftsführer des Vegesack Marketings zwar schade, führt aber bereits Gespräche über eine Realisierung im nächsten Jahr. Wichtig ist ihm das Projekt vor allem wegen dessen Botschaft. Das Werk „Ode to the pig“ soll an die aktuellen Missstände in der Fleischindustrie erinnern und zu einem Umdenken anhalten.
„Nachhaltigkeit und bewusster Fleischkonsum sind sehr aktuelle und wichtige Themen“, findet Jörn Gieschen. Dem stimmt auch Nils Hillmer zu, der sich im Vorfeld mit dem Kunstwerk auseinandergesetzt hat. Bratwürste gehören zu seinem Hauptsortiment. „Mich hat die Aktion angesprochen, und ich habe beschlossen, meinen Teil dazu beizutragen“, erklärt er. Also orderte er bei seiner Haus-Fleischerei Bio-Bratwürste, die ausschließlich für ihn und in limitierter Stückzahl hergestellt wurden.
Dass das Schwein nun nicht vor seinem Stand steht, empfindet er zwar als schade, für sein Angebot jedoch nicht weiter relevant. „Für mich hat die Situation in jedem Fall etwas Gutes. Ich habe die Gelegenheit genutzt, etwas Neues auszuprobieren, und kann nun schauen, wie es angenommen wird“, so Hillmer. „Bio und Nachhaltigkeit sind gewollt, selbst wenn das etwas mehr kostet. Skandale wie die um Tönjes und Co möchte schließlich niemand mehr“. Eine Einstellung, die auch im Sinne der niederländischen Künstlerin ist. So ist Jantien Mook nach ihren positiven Erfahrungen aus 2018 immer noch sehr interessiert an Vegesack als Standort für ihre Kunst. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Schwein zu einem späteren Zeitpunkt seinen Platz in der Fußgängerzone beziehen wird.