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Konflikt mit Wohnprojekt ebenso Thema Lürssen-Immobilienchef über Kauf des Bootsbau-Geländes

Die Lürssen-Gruppe will das frühere Bootsbau-Gelände in Vegesack kaufen und entwickeln. Im Interview sagt Immobilienchef Stephan Friedrich, wie die Verhandlungen vorangehen – und warum er Probleme befürchtet.
21.05.2019, 17:53 Uhr
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Lürssen-Immobilienchef über Kauf des Bootsbau-Geländes
Von Christian Weth

Herr Friedrich, Projektentwickler sagen, dass der Vegesacker Weserhang eine Eins-a-Lage zum Wohnen ist. Was sagen Sie?

Stephan Friedrich: Das unterstreiche ich voll und ganz. Wer dort wohnt, hat einen unverbaubaren Blick auf die Weser.

Warum sehen Sie dann die geplante Wohnbebauung an der Weserstraße so kritisch, wenn der Hang zum Wohnen ideal ist?

Weil das Grundstück sehr dicht an einem Gewerbegebiet liegt. Und wir befürchten, dass diese Nähe zu Problemen führen kann.

Investor Ludwig Koehne will zwei Wohnhäuser neben anderen Wohnhäusern bauen, Sie das benachbarte Gelände, das an andere Firmengrundstücke grenzt, für Gewerbe nutzen. Warum sollte es zu Problemen kommen?

Wir wollen eine Fläche, die als Gewerbefläche im jetzt gültigen Bebauungsplan ausgewiesen ist, für die Lürssen-Werft und deren Zulieferer nutzbar machen. Investor Ludwig Koehne will auf einem Grundstück bauen, das noch nicht fürs Wohnen vorgesehen ist. Wird es das, rücken Wohnhäuser in diesem Gebiet noch weiter an das Gewerbegelände heran. Und das könnte Folgen für die neuen Bewohner haben, da die Immissionswerte, die für das Firmengrundstück festgelegt und damit erlaubt sind, sie stören würden.

Wohnhäuser gibt es schon jetzt in Nachbarschaft zum Gewerbe. Was ist beim neuen Wohnbauprojekt anders?

Die Wohnhäuser, die es gibt, sind zum einen weiter entfernt vom früheren Gelände der Bremer Bootsbau Vegesack GmbH, das wir kaufen wollen. Zum anderen sind sie bei den geltenden Immissionswerten, die von dem Grundstück ausgehen dürfen, längst berücksichtigt worden. Außerdem sind die Häuser nicht so hoch. Die Wohngebäude, die jetzt am Hang geplant sind, kommen nicht nur auf mehr Geschosse, sondern stehen auch höher als alle anderen, sodass Lärm sie leichter erreichen kann.

Die Behörde hat Messungen veranlasst. Was ist dabei herausgekommen?

Es hat mehrere Untersuchungen gegeben. Die erste Messung haben wir beanstandet, weil aus unserer Sicht nicht alle Immissionsquellen von den Gutachtern berücksichtigt worden sind. Und bei einer weiteren Messung ist herausgekommen, dass die zulässigen Lärmwerte für eine neue Wohnbebauung am Weserhang zu hoch sind.

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Das heißt?

Simulationen haben ergeben, dass die Immission, die auf dem geplanten Neubaugrundstück ankommt, über den gesetzlichen Grenzwerten liegen würde. Das wollen wir natürlich nicht. Wir wollen aber auch nicht, dass genehmigte Lärmimmissionen vom Gewerbegelände auf einmal nicht mehr erlaubt sein sollen und dadurch eine gewerbliche Entwicklung des Grundstücks erschwert wird.

Was schlagen Sie also vor?

Dass bauliche Vorkehrungen an den Gebäuden getroffen werden, die es den Bewohnern erlauben, ungestört zu wohnen. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir sind nicht gegen eine Wohnbebauung, wie sie Investor Ludwig Koehne plant. Wir sind für eine Koexistenz von Wohnen und Gewerbe.

Und was wollen Sie ihrerseits unternehmen, damit die Lärmwerte eingehalten werden?

Wir wollen ja nicht mehr Lärm auf dem Grundstück machen als erlaubt ist, sondern das machen können, was auch bisher gemacht werden konnte. Die Rechtsprechung ist meiner Meinung nach eindeutig: Gewerbebetriebe sind vor der heranrückenden Wohnbebauung zu schützen – und nicht umgekehrt. Auf dem Grundstück, das wir kaufen wollen, sind Lärmimmissionen erlaubt, die im neuen Wohngebiet mit den hohen Häusern zu Störungen führen würden.

Pläne von Ludwig Koehne, das ehemalige Grundstück des Vulkan-Kontorhauses zu bebauen, gibt es schon seit Jahren. Warum haben Sie Ihre Bedenken erst jetzt öffentlich gemacht?

Wir konnten erst Bedenken äußern, nachdem die Entwürfe für das Kontorhaus-Grundstück und die Änderungen des Bebauungsplans für das Gebiet vorgestellt wurden. Als wir wussten, was geplant wird, haben wir gehandelt. Erst habe ich das Vorhaben und seine möglichen Auswirkungen auf unser Projekt analysiert, dann unsere Gutachter. Zusammen sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es Probleme geben könnte.

Die Handelskammer hat sich ebenso eingeschaltet wie die Senatsbaudirektorin. Wie groß ist der Konflikt zwischen Wohnen und Gewerbe?

Ich habe in der Baubehörde unsere Situation dargestellt. Die frühere Bootsbau-Fläche ist uns sehr wichtig. Sie ist das letzte verfügbare Grundstück, auf dem sich die Lürssen-Werft und seine Zulieferer erweitern können. Wie groß der Konflikt ist, vermag ich nicht einzuschätzen. Aus unserer Sicht gibt es noch offene Fragen.

Die Senatsbaudirektorin, heißt es, soll im Fall Vegesacker Weserufer vermittelt haben. Wie stehen die Aussichten, dass tatsächlich beide Projekte kommen?

Ich möchte nicht spekulieren, sondern nur klarstellen, dass wir das Gewerbegelände erwerben wollen. Und das nicht etwa, um ein Wohnbauprojekt zu verhindern, wie manche behaupten. Seit drei Jahren verhandeln wir mit der Wirtschaftsförderung über einen Kauf der Fläche.

Warum dauern die Gespräche so lange?

Weil der Wert des Grundstücks zunächst vom Landesamt für Geoinformation ermittelt werden musste. Weil diverse Gutachten notwendig waren, um den Zustand der Hallen und der Spundwand zu bewerten. Und weil zu klären war, ob Fristen einzuhalten sind, weil manche Gebäude auf dem Grundstück von der EU gefördert worden sind.

Wie viel ist der Lürssen-Gruppe denn das Gelände wert?

Das ist ein Betriebsgeheimnis.

Und was genau planen Sie auf dem 1,5 Hektar großen Grundstück?

Die konkreten Planungen haben wir fürs Erste zurückgestellt, weil wir noch nicht wissen, wann wir den Zuschlag bekommen. Fest steht aber schon lange, dass wir weitere Grundstücke für den Werftbetrieb und für unserer Zulieferer brauchen.

Sie wollen alles kaufen, also auch das Restaurant ,Zur Gläsernen Werft‘. Was soll mit dem passieren?

Das Restaurant ist Bestandteil des Kaufvertrags. Im Falle eines Abschlusses würden wir die Gastronomie gerne verpachten und ihrer ursprünglichen Funktion zuführen.

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Wie geht es nun weiter?

Wir würden uns wünschen, dass die Behörde den Investor des Wohnbauprojekts und uns zu einem Treffen einlädt, damit wir ausloten können, wie beide Vorhaben realisiert werden können, ohne das dem einen oder dem anderen Projekt irgendwelche Nachteile entstehen.

Und wann wollen Sie das Gewerbegrundstück kaufen?

Ich hoffe, dass wir noch in diesem Jahr den Vertrag unterschreiben.

Es gibt noch ein anderes Projekt, das sie wollen – nur kommt es nicht voran. Was ist denn nun mit dem seit Langem diskutierten Supermarkt an der Lindenstraße?

Dieses Vorhaben geht mittlerweile ins 13. oder 14. Jahr. Die Menschen in Fähr-Lobbendorf wollen es genauso wie die Vegesacker Beiratsfraktionen. Doch es scheitert immer wieder am Zentren- und Nahversorgungskonzept der Stadt.

Warum immer wieder?

Weil die Behörde meines Erachtens den Umstand verkennt, dass Handel zugleich Wandel bedeutet – und dass das Tempo der Handelsketten hoch ist. Anfänglich gab es Interessenten für eine Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern. Das Raumkonzept stellten wir der Baubehörde vor, die mehrere Jahre brauchte, es zu prüfen. Als die Zustimmung vorlag, waren die Interessenten jedoch inzwischen bei einer Mindestgröße von 1000 Quadratmetern. Wieder legten wir den Plan zur Genehmigung vor, wieder brauchte die Entscheidung Jahre. Das wiederholte sich mehrmals.

Und wie lautet Ihre Prognose für das Projekt?

Ich habe es aufgegeben, Prognosen für dieses Projekt abzugeben.

Die Fragen stellte Christian Weth.

Zur Person

Zur Person

Stephan Friedrich (58) ist seit 18 Jahren Geschäftsführer von ELB Real Estate. Die Immobilienfirma gehört zur Lürssen-Gruppe. Friedrich wohnt in Vegesack, ist verheiratet und hat drei Kinder.

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