Immer wieder werden Gullydeckel in Schaufenster geworfen und Türschlösser geknackt: Die Zahl der Einbrüche in Vegesacker Geschäfte steigt. Um wie viel sie zugenommen hat, will die Polizei im März sagen, wenn die Kriminalitätsstatistik vorgestellt wird. Die Beamten schreiben die meisten Taten einer Gruppe von minderjährigen Intensivtätern zu. Die Jugendlichen beschäftigt die Polizei seit einem halben Jahr. Sie werden gefasst – und einen Tag später erneut vor Läden in der Fußgängerzone gesehen.
Fahrradhändler Jens Reeger reicht es jetzt. Nachdem die Intensivtäter an drei aufeinanderfolgenen Tagen versucht haben, bei ihm einzubrechen, denkt er über mehr nach als Rolltore, weitere Kameras und Bewegungsmelder: Privates Wachpersonal soll her und in den Geschäftsstraßen patrouillieren. Reeger ist davon überzeugt, dass Vegesack größere Probleme mit Kriminalität hat, als die Behörden sagen. Wie andere Kaufleute die Lage einschätzen – und was sie von einem Sicherheitsdienst halten. Ein Überblick.

Maged Walle erzählt, dass er Angst hat, obwohl die Sicherheitstechnik in seinem Geschäft regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht wird.
Maged Walle hat seit 20 Jahren sein Geschäft in Vegesack, aber so viele Einbrüche und Einbruchsversuche wie jetzt hat er noch nicht erlebt. Walle, 57, Juwelier, hört mittlerweile von zwei bis drei Fällen die Woche. Zuvor bekam er in Gesprächen mit Händlern währenddessen höchstens einen Fall pro Monat mit. Walle sagt, dass die Taten die Kaufleute sehr beschäftigen. Treffen sich zwei, werde sich als erstes darüber ausgetauscht, wie die Geschäfte gehen – und als zweites, wo wieder eingebrochen wurde. Der Kaufmann spricht davon, Angst zu haben, obwohl die Sicherheitstechnik in seinem Geschäft immer wieder auf den neuesten Stand gebracht wird. Deshalb würde er die Forderung nach einem Wachdienst unterstützen, wenn sich genügend Händler an der Finanzierung beteiligen.

Babette Hedrich-Gröning findet, dass die Polizei öfter auf Streife sein müsste, vor allem am späten Nachmittag, wenn es dunkel wird.
Babette Hedrich-Gröning kennt die Probleme, die Kaufleute mit jugendlichen Einbrechern haben. Sie hat andere. Die 37-jährige Geschäftsführerin zweier Modegeschäfte erlebt es immer wieder, dass Erwachsene in die Boutique kommen, um zu klauen. Nach ihrer Rechnung passiert das inzwischen einmal im Monat. Hedrich-Gröning sagt, dass in Lesum, wo ihr zweites Geschäft ist, so etwas kaum vorkommt. Den Verkäuferinnen in der Vegesacker Filiale sagt sie immer wieder, besonders wachsam zu sein. Im Geschäft versuchen sie immer zu zweit zu sein. Ob sie sich an den Kosten für einen privaten Sicherheitsdienst beteiligen würde, weiß sie noch nicht. Fest steht für die 37-Jährige aber, dass die Polizei in Vegesack häufiger auf Streife sein sollte, vor allem am späten Nachmittag, wenn es dunkel wird.

Christoph Bannert meint, dass die Behörden schneller auf jugendliche Straftäter und deren Angehörige reagieren müssten.
Christoph Bannert findet, dass die Polizei in Vegesack regelmäßig in der Fußgängerzone unterwegs ist, jedenfalls tagsüber. Was nachts ist, weiß er nicht. Deshalb steht er der Idee eines Wachdienstes, der zusätzlich patrouilliert, offen gegenüber. Bannert, 45, Apotheker, würde sich zumindest mal anhören, wie so ein Unternehmen arbeitet. Noch besser als private Sicherheitsleute und weitere Investitionen in mehr Sicherheit fände er allerdings, wenn die Justiz schneller auf jugendliche Einbrecher und deren Eltern reagieren würde – damit aus Straftätern eben nicht Intensivtäter werden. Im Fall der Minderjährigen, die seit Monaten die Vegesacker Beamten beschäftigen, schließt er nicht aus, dass eine Entscheidung der Jugendgerichtshilfe mittlerweile zu spät kommen könnte.

Sharareh Nemati hat sich immer sicher gefühlt, bis jemand vor wenigen Tagen ihren Tabletcomputer vom Ladentisch gestohlen hat.
Sharareh Nemati sagt, dass sie sich immer sicher gefühlt hat – bis jemand vor wenigen Tagen ihren Tabletcomputer gestohlen hat. Die 55-jährige Schneiderin kann sich nicht erklären, wie das geschehen konnte. Sie sagt, stets im Laden gewesen zu sein. Das hat sie auch den Beamten erzählt, denen sie den Diebstahl meldete. Und ihnen dabei von einem anderen Vorfall berichtete, bei dem zwei Jugendliche in den Laden kamen, auf die Kasse zuhielten – und sofort rausrannten, als sie die Händlerin in einer Umkleidekabine bemerkten, in der sie gerade das Kleid einer Kundin absteckte. Seither schließt Nemati den Laden ab, wenn sie nach hinten ins Lager muss, und sei es auch nur für Sekunden. Sie glaubt, dass ein Wachdienst ihr das verlorene Sicherheitsgefühl wiedergeben könnte.

Gerrit Becker hält die Zahl der Streifenwagen und Polizisten, die in den Geschäftsstraßen unterwegs sind, für ausreichend.
Gerrit Becker kann nicht genau sagen, wie sicher oder unsicher momentan die Lage für Vegesacker Kaufleute ist. Der 33-jährige Firmenchef weiß nur, dass vor vier und dann noch mal vor drei Jahren in sein Fotogeschäft eingebrochen und danach von ihm viel Geld in Sicherheitstechnik investiert wurde, auch in Rollgitter vor den Schaufenstern. Er sagt, dass er die Probleme, wie sie jetzt andere Händler mit jugendlichen Gullydeckelwerfern haben, deshalb nicht hat – und es aus seiner Sicht auch keine weitere Prävention wie einen Wachdienst braucht. Er hält die Zahl der Streifenwagen und Polizisten, die in den Geschäftsstraßen unterwegs sind, für ausreichend. Becker weiß, dass das andere anders sehen, aber für ihn ist Vegesack unterm Strich genauso auffällig oder unauffällig wie jeder andere Stadtteil.

Thorsten Ruhl hat die Debatte über private Sicherheitskräfte in der Vegesacker Fußgängerzone vor Jahrzehnten schon einmal erlebt.
Thorsten Ruhl sagt, dass es die Debatte um einen privaten Wachdienst schon einmal gegeben hat. Der Geschäftsmann glaubt, dass das vor 20 oder 25 Jahren war. Ihm zufolge hatte man sich damals für den Einsatz von Sicherheitsleuten entschieden. Viel gebracht, meint er, haben ihre Patrouillen aber nicht. Ruhl, 56, Papier- und Schreibwarenhändler ist deshalb skeptisch, einerseits. Anderseits will er aber eine Idee auch nicht gleich ablehnen, ohne genau zu wissen, wie Securitykräfte heute arbeiten. Ruhl sagt, dass er Angst hat, vor allem dann, wenn er für längere Zeit nicht vor Ort ist. Er findet, dass Einbrechern, wie jetzt den jugendlichen Intensivtätern, das Einsteigen in Geschäfte zu leicht gemacht wird – nicht etwa, weil Schutzvorkehrungen an den Läden fehlten, sondern gesetzliche Regelungen für sie.