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Sozialarbeit im Kindergarten Wie eine Kita-Koordinatorin Familien hilft

In vielen Nordbremer Kindergärten gibt es inzwischen Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen. Zu ihnen gehört Claudia Wendlandt. Wie sie Eltern unterstützt.
19.02.2024, 18:00 Uhr
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Wie eine Kita-Koordinatorin Familien hilft
Von Julia Assmann

Mehr als zwei von fünf Kindern in Bremen wachsen in Armut auf. Aus diesem Grund bieten viele Kindertagesstätten (Kitas) in benachteiligten Stadtteilen Eltern nicht nur Kinderbetreuung, sondern auch Beratung und Unterstützung an. Seit 2018 wurden dafür in der Stadt Bremen Stellen für Kita-Sozialarbeiter geschaffen. In Bremen-Nord sind es bisher 22, von denen allerdings nicht alle besetzt sind. Als sogenannte Kita-Koordinatoren helfen die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter den Familien bei allen möglichen Fragen, die den Alltag betreffen. Gefragt ist ihre Unterstützung zum Beispiel bei der Suche nach Ärzten, nach Sprachkursen oder im Kontakt mit Behörden. Claudia Wendland ist eine von ihnen. Sie gehörte zu den ersten Kita-Sozialarbeiterinnen in Bremen-Nord.

"Die Kinder sollen bessere Chancen haben. Das schaffen wir, indem wir den Eltern helfen", sagt die Koordinatorin, die seit 2019 im Kinder- und Familienzentrum Beckedorfer Straße Familienhilfe leistet. Ob eine Kita mit einer Stelle für die Sozialarbeit ausgestattet wird, hängt vom Sozialindex der Einrichtungen ab. Er wird aus Faktoren wie dem Früh- und Sprachförderbedarf der Kinder, der Zahl der Familien, die Transferleistungen wie Bürgergeld bekommen, und weiteren statistischen Daten errechnet. "Alle Kitas mit einem Wert über 50 haben Anrecht auf eine Stelle", erläutert Claudia Wendland. "Bei uns liegt er knapp über 50."

Prekäre Arbeitsverhältnisse und Sprachprobleme

Die Umgebung der Einrichtung in Aumund-Hammersbeck beschreibt die 43-Jährige als "gemischtes Quartier". Viele Familien lebten hier in Mehrparteienhäusern, nicht wenige aber auch in einem Eigenheim. "Wir haben Kinder aus gut situierten Familien und andere, die von Bürgergeld leben oder in denen die Eltern sich in prekären Arbeitsverhältnissen befinden. Einige Eltern sprechen kein Deutsch", schildert Wendland. Insgesamt besuchen 150 Mädchen und Jungen die Einrichtung. Es gibt 30 Plätze für Kinder unter drei Jahren, 80 für Kinder zwischen drei und sechs Jahren und 40 Hort-Plätze. Die Nationalitäten der Familien sind ihren Worten nach vielfältig. Viele kommen aus Südosteuropa, zum Beispiel aus Bulgarien, Serbien, Mazedonien und Kroatien, weitere aus Westafrika, der Türkei, Syrien und aus der Ukraine.

Weil die sozialen Verhältnisse der Eltern sehr unterschiedlich seien, funktioniere die Hilfe untereinander im Vergleich zu anderen Kitas mit einem höheren Sozialindex ziemlich gut, betont die dreifache Mutter. Sie hat sogenannte Tauschschränke im Flur aufgestellt. Dort hinein können Eltern Dinge wie Kleidung, Bücher oder Spielzeug legen, die sie nicht mehr brauchen. Wer etwas benötigt, kann es sich herausnehmen. Die Schränke stehen vor dem Büro der Sozialarbeiterin und sind nur eines der Angebote, die sie in der Kita ins Leben gerufen hat. An ihrer Tür hängen Zettel, auf denen sich Eltern bei Bedarf Beratungszeiten reservieren können. Fünf Stunden pro Woche hat sie dafür eingeplant. Der Bedarf ist groß. 

Beratung, Gesprächskreise, Ausflüge

Die Themen, mit denen die Mütter und Väter zu ihr kommen, sind vielfältig. Wendland nennt einige Beispiele: "Wo finde ich einen Arzt? Wie finde ich einen Sportverein? Wie gehe ich mit meinem Kind nach einem Trauerfall in der Familie um? Wo bekomme ich finanzielle Unterstützung, wenn mein Geld nicht reicht? Wie funktioniert die Anmeldung in der Grundschule? Wie kann ich mein Kind vor der Einschulung unterstützen?"

Ihre Hilfe geht über die reine Beratung hinaus. Sie ruft selbst oder zusammen mit den Eltern bei Behörden, Schulen, dem Gesundheitsamt und anderen Stellen an, klärt Probleme, vereinbart Termine. Nicht nur in den Beratungszeiten kommt sie mit den Müttern und Vätern ins Gespräch. Auch zwischendurch, wenn sie ihnen am Eingang begegnet, nach dem Gesprächskreisen oder bei den Ausflügen, die sie organisiert, kommt sie mit ihnen in Kontakt. Die größte Herausforderung sei, das Vertrauen der Familien zu gewinnen. "Wenn das aufgebaut ist, kommen sie wieder."

Für die Kinder ist die Sozialarbeiter nur indirekt da, über die Hilfe für die Eltern. "Ich arbeite nicht am Kind." Ihre Rolle als Sozialarbeiterin im großen Team aller Kita-Mitarbeiter war Teil der zusätzlichen Qualifikation zur "Fachkraft Kinder- und Familienzentren Bremen", an der Claudia Wendland wie mittlerweile 93 weitere sozialpädagogischen Fachkräfte teilgenommen hat. Bedarfe der Familien zu erkennen, sie zu analysieren und entsprechende Hilfen anzubieten, Bildungsangebote und Netzwerkarbeit waren ebenfalls Inhalt der Fortbildung.

Während zu Beginn des Projekts in der Regel Sozialpädagoginnen und Sozialwissenschaftler eingestellt wurden, arbeiten inzwischen auch Psychologen und Erzieher mit Zusatzqualifikationen als Sozialarbeiter in den Kitas. Claudia Wendland hat Kulturwissenschaft, Soziologie und Erziehungswissenschaft studiert und schon während ihres Studiums in einer Kita-Leitung erste Erfahrungen gesammelt. Dann entschied sie sich aber zunächst für einen ganz anderen beruflichen Weg. "Ich war Projektmanagerin in einer IT-Firma." Mit der Rückkehr in einen sozialen Beruf ist sie ihrer Leidenschaft und Neigung gefolgt. "Ich liebe meinen Job sehr", betont Wendland.

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Sozialarbeit in Nordbremer Kitas

In 22 Nordbremer Kindertageseinrichtungen wurden inzwischen Stellen für sozialpädagogische Mitarbeiter geschaffen. Allerdings sind nicht alle besetzt. Sozialarbeit in Kitas gibt es in den Kinder- und Familienzentren Haus Windeck, Fillerkamp, Alt-Aumund, Kapitän-Dallmann-Straße, Fährer Flur, Wasserturm, Grohn, Heinrich-Seekamp-Straße, Beckedorfer Straße, Flintacker, Ulrichs Helgen, Reepschlägerstraße, An Smidts Park und Helsinkistraße. Außerdem in der Kita der evangelischen Gemeinde Lüssum, der Kita Haus Blomendal, im Kinderhaus Aumund, der Awo Kita Grambker Heerstraße, der Kita Bunte Weser, dem DRK Kinderhaus Lesum-Park sowie in den Kinderhäusern Purzelbaum, Weidenkätzchen und Blumen Kids der Hans-Wendt-Stiftung.

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