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Diskussionen in Vegesack Senatorin Schaefer und Bauamtsleiter Kotte über Strandlust-Planungen

Die Planungen für das Strandlust-Areal in Vegesack werden emotional diskutiert. Senatorin Maike Schaefer und Bauamtsleiter René Kotte beziehen im Interview Stellung – auch dazu, wie die Bürger beteiligt werden.
03.04.2023, 06:00 Uhr
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Von Aljoscha-Marcello Dohme Björn Josten

Frau Schaefer, sind Sie überrascht über die Wucht der Bürgerreaktionen auf die Pläne für das Strandlust-Areal?

Maike Schaefer: Jeder von uns Bremen-Nordern verbindet etwas mit der Strandlust. Wir reden über eine 1a Lage, über Bremen-Norder und Vegesacker Tradition. Deshalb war uns immer klar, dass wir ganz genau schauen müssen, was dort gebaut wird. Sowohl im Letter of Intent als auch im Planaufstellungsbeschluss haben wir viele Dinge benannt, von denen wir glauben, dass die Bremen-Norder genau das auch wollen. Was es nicht mehr geben wird, ist die Strandlust, wie wir sie alle kennen. Sie hat nicht mehr funktioniert. Deswegen stand sie leer. Deshalb ist der letzte Pächter in die Insolvenz gegangen. Sie hatte als Hotel und Veranstaltungsstandort keine Zukunft. Ich finde es immer gut, wenn sich Vegesacker und Bremen-Norder genau um diesen Standort Gedanken machen. Aber man muss auch anerkennen, dass wir durchaus versuchen zu berücksichtigen, was die Menschen sich wünschen.

Noch einmal: Wie überrascht sind Sie von der Emotionalität der Menschen?

Schaefer: Ein bisschen überrascht bin ich schon. Wenn ich sehe, was zum Teil auf Flugblättern gefordert wird, denke ich: Genau das haben wir berücksichtigt. Es soll weiterhin ein Gastroangebot geben, der alte Baumbestand soll erhalten bleiben. Wir wollen Außengastro ermöglichen. Es soll zwar nicht mehr das klassische Hotel sein. Wir wollen aber die Möglichkeit eines Hostels schaffen. Daher überraschen mich die Reaktionen schon.

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Herr Kotte, Sie haben mit einer Veranstaltung versucht, die Emotionen der Bürger einzufangen und mit Blick auf den anstehenden Gestaltungswettbewerb zu bündeln. Wie bewerten Sie die Veranstaltung?

René Kotte: Ich bin mit dem Ergebnis der Veranstaltung sehr zufrieden. Wir haben versucht, die Bedeutung der Strandlust für die Vegesacker zu ermitteln; ganz persönlich und emotional. In einem zweiten Schritt haben wir geschaut, wie man diese Bedeutung in die Zukunft übertragen kann. Die Ergebnisse werden wir jetzt in den Architektenwettbewerb integrieren.

Schaefer: Wir gehen bei der Strandlust über eine normale Öffentlichkeitsbeteiligung hinaus, einfach weil uns dieser Standort so wichtig ist. Uns ist die Verbindung der Vegesacker mit der Strandlust bewusst. Die Bevölkerung soll deshalb mitgestalten. Das ist eine riesige Chance, die wir den Menschen ermöglichen.

Was ist an Bürgerbeteiligung weiterhin geplant?

Kotte: Es ist uns klar, dass das Vorhaben eine Operation am Herzen von Vegesack ist. Daher wollen ganz viele mitreden und es dürfen auch viele mitreden. Wir werden am 17. April im Beirat über das Ergebnis der ersten Beteiligung und die nächsten Schritte berichten. Wir beabsichtigen, einen Planungsdialog bei uns im Bauamt durchzuführen. Im Sommer startet der Architektenwettbewerb. Wir wollen acht oder mehr renommierte Architekturbüros mit ihrer Expertise versammeln, die sich eine Lösung für Vegesack ausdenken und die möchten wir dann diskutieren. Auf dieser Grundlage kann dann die Diskussion geführt werden, die jetzt zum Teil schon läuft: über Gebäudehöhen, Anordnung von Gebäuden, die Größe der Gastronomie und den Grundriss. Zurzeit haben wir nur erst eine Skizze. Wir werden die Wettbewerbsbeiträge zum Ende des Jahres in der Strandlust präsentieren. Über den Gewinner, der Grundlage für die weitere Planung ist, wollen wir ins Gespräch kommen. Erst dann haben wir Bilder, mit denen wir arbeiten können. Danach steigen wir ins förmliche Verfahren mit öffentlicher Auslegung ein.

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Wird dann auch schon sichtbar sein, wie die Anregungen der Bürger in die Planungen einfließen?

Kotte: Das wird schon mit der Ausschreibung des Wettbewerbs sichtbar. Wir haben vor, die Zusammenfassung der Bürgerideen als Anlage zu den Wettbewerbsunterlagen zu geben. Es werden sich zwar überwiegend Architekturbüros aus Bremen, aber auch einige aus der Schweiz beteiligen. Gerade denen möchten wir so etwas Tuchfühlung zur Vegesacker Befindlichkeit ermöglichen.

Was sind denn die Eckpunkte dessen, was sich die Bürger gewünscht haben?

Kotte: Ein wesentliches Ergebnis war für mich, dass die Vegesacker sich auf dem Areal ein Wahrzeichen wünschen und nicht eine x-beliebige Bebauung.

Würden Sie sagen, die emotionale Transformation von der alten zur neuen Strandlust kann noch funktionieren?

Schaefer: Wir reden nicht über die Original-Strandlust von vor 120 Jahren. Viele trauern den goldenen Zeiten hinterher, aber die sind lange vorbei. Ich verstehe gut, dass die Bürger an diesem Ort wieder eine Landmarke haben möchten. Daher ist es gut, wenn dort etwas Neues entwickelt wird, das funktioniert und bei dem die Wünsche der Vegesacker berücksichtigt werden. Das ist das, was wir jetzt gerade machen. Die Vegesacker wollen etwas, wo sie feiern können, wo sie aufs Wasser schauen und nett essen können. Das steht als Vorgabe im Letter of Intent. Das maritime Flair ist ein Pfund von Vegesack. Dies zu erhalten, finde ich richtig. Die jetzige Strandlust als maritimes Erbe zu bezeichnen, finde ich hingegen schwierig. Der Speicher, das Bootshaus und der Museumshafen – das ist maritimes Erbe. Es war uns nicht egal, wie die Bebauung in der Alten Hafenstraße aussieht oder die Pläne für das Speicher-Quartier auf dem ehemaligen Haven Höövt. Das ist uns auch beim Nachfolger der Strandlust nicht egal. Klar ist, es muss zum maritimen Flair passen. Wir wollen kein maritimes Erbe zerstören.

Wie möchten Sie die Vegesacker und die Nordbremer davon überzeugen, dass ein gutes Konzept verfolgt wird?

Schaefer: Man muss unterscheiden. Ich kenne viele Vegesacker, die sagen: Es ist gut, dass sich überhaupt etwas tut. Sind die Kritiker die Mehrheit? Ich glaube nicht. Ich bekomme von der großen Mehrheit der Vegesacker mit: Strandlust? Da war ich seit Jahren nicht mehr. Wir müssen zwischen einer 'Not-in-my-backyard-Mentalität' (zu deutsch: nicht in meinem Hinterhof) einiger Kritiker und den sonstigen Vegesackern unterscheiden. Wir wollen daher etwas Gutes ermöglichen, das zu Vegesack passt und das auch funktioniert.

Kotte: Ich habe eine positive Veranstaltung in Erinnerung, die keineswegs destruktiv war. Es gab Stimmen, die sich beim Übergang zum Stadtgarten möglichst wenig Bebauung wünschten. Wir glauben zudem, dass es die Erlebnisse sind, die das Besondere an diesem Standort sind und nicht das Gebäude, wie es sich zur Weser hin präsentiert. Die Möglichkeit, dort tolle Erlebnisse zu haben, mit seinen Gästen dorthin gehen zu können und den Butterkuchen zu essen – das wurde uns immer wieder vorgetragen. Genau das möchten wir in die Zukunft retten.

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Wie viel Spielraum gibt der Letter of Intent?

Schaefer: Der Letter of Intent ist das, worauf sich Kommune und Investor geeinigt haben. Natürlich kann man irgendwann daran etwas ändern, wenn sich beide darauf einigen. Man sollte aber das, was vereinbart ist, als Chance für den Standort begreifen. Den Stadtgarten rühren wir nicht an. Die alten Bäume rühren wir nicht an. Deshalb wundert mich die Emotionalität.

Wie viel Mut können Sie den Vegesackern machen, dass sie auf dem Strandlust-Areal ein Wahrzeichen bekommen, das als Visitenkarte des Stadtteils funktioniert?

Kotte: Wir formulieren gerade die Aufgabe für den Wettbewerb. Darin steht, dass auch die Öffentlichkeit sich dort ein Wahrzeichen, also etwas Besonderes wünscht. Das Recht, in dieser exponierten Lage bauen zu dürfen, muss man sich mit Besonderheit erkaufen. Die Wettbewerbsbeiträge werden unterschiedliche Visionen von der Strandlust darstellen. Darüber wird eine Jury aus Experten und Ortskundigen beraten.

Das Interview führten Aljoscha-Marcello Dohme und Björn Josten.

Zur Person

Maike Schaefer

ist seit 2019 Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau. Die Diplom-Biologin ist vor 20 Jahren den Grünen beigetreten. Schaefer wohnt in Vegesack, ist verheiratet und hat ein Kind.

René Kotte

leitet seit September das Nordbremer Bauamt. Davor hatte der Stadtplaner, der mehrere Projekte in Bremen begleitet hat, den Posten kommissarisch. Kotte wohnt in Vegesack, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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