Was wird aus der "Strandlust" in Vegesack? Eine Frage, die nicht nur die Bewohner von Vegesack umtreibt. Das Traditionslokal mit angeschlossenem Hotel ist seit mehr als 120 Jahren auch eine feste Adresse für Ausflügler und Urlauber. Seit der Schließung vor anderthalb Jahren wird darüber verhandelt, wie es mit dem repräsentativen Haus direkt am Fähranleger weitergehen kann und ob überhaupt. Nach Einschätzung aller Beteiligten stehen die Chancen für eine Lösung gut, besonders in einer Hinsicht, auf die in Vegesack so viel Wert gelegt wird: Die "Strandlust" soll ihrem Namen weiterhin alle Ehre machen – als ein Ort, der an der Weser zum Verweilen einlädt.
Maike Schaefer (Grüne), die ihr Zuhause in Bremen-Nord hat und schon deshalb dort ein waches Auge auf die Entwicklung richtet, ist durch und durch optimistisch: "Wir führen wegen der ,Strandlust' sehr konstruktive und erfolgversprechende Gespräche", sagt die Bausenatorin auf Anfrage. Sie sei guter Dinge, in nicht mehr langer Zeit ein Ergebnis zu finden, das alle Seite zufriedenstellen werde.
Schaefer hatte den Fall an sich gezogen und früh ihre Position deutlich gemacht: "Es wäre schön, wenn wir an der Stelle wieder einen Ort für Festivitäten und im besten Fall einen Biergarten ermöglichen können." Auch der alte Baumbestand müsse erhalten bleiben. "Was wir an der Stelle nicht zulassen werden, ist ein Hochhaus“, so die Senatorin damals.
Standlust in Vegesack wurde zum Corona-Impfzentrum
Die "Strandlust" bot Platz für große Feste, es waren oft rauschende Ballnächte, die lange in Erinnerung blieben. Doch es musste nicht erst Corona kommen, um diesen Ertragszweig absterben zu lassen. Die Pandemie war allenfalls der letzte Auslöser. Reiterball, Jägerball, Turnerball – jedes Wochenende war in dem Lokal vor allem zu Jahresbeginn schwer was los. Vorbei, seit vielen Jahren schon. Die Zeiten sind andere geworden. Den Pächtern fiel es deshalb immer schwerer, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Auf dem Spiel standen 55 Arbeitsplätze. Sie gingen am Ende verloren.
Ein paar Monate im vergangenen Jahr konnten die Vegesacker ihre "Strandlust" mal wieder betreten – nicht um zu feiern oder in gediegener Atmosphäre Kaffee und Kuchen zu genießen, der Zweck war ein anderer: Es wurde geimpft, 28.000 Mal, aber auch das ist schon wieder vorbei. Zwischendurch gab es den Vorschlag, in dem Gebäude Flüchtlinge unterzubringen, dafür ließ sich jedoch keine politische Mehrheit finden.
Eigentümerinnen der Immobilie sind zwei Töchter des ehemaligen Bremer Wurstfabrikanten Karl Könecke. "Für unseren verstorbenen Vater war die ,Strandlust' eine Herzensangelegenheit", sagt Karin Harnack, "meine Schwester und ich geben uns die größte Mühe, wieder etwas daraus zu machen".
Derzeit werde von einem Architekten eine Machbarkeitsstudie erarbeitet. In den Gesprächen mit der Stadt seien sie auf einem guten Weg. Endlos lange werde das nicht mehr dauern, "das Objekt kostet uns jeden Tag Geld". So wie die Vegesacker es sich wünschten, sei es auch ihr Anliegen: zumindest teilweise eine wie auch immer geartete gastronomische Nutzung. Harnack: "Das ist realistisch."
Strandlust wird zum Hafengeburtstag in Vegesack fehlen
Eine Perspektive also, wohl kaum aber schon in den nächsten Monaten, und das ist bitter für Vegesack. Der Ort feiert in diesem Jahr ein großes Jubiläum: 400 Jahre Vegesacker Hafen. Es ist das älteste künstlich angelegte Hafenbecken in Deutschland, entstanden, weil die Bremer Schiffergilde es so wollte. Die Weser drohte flussaufwärts mehr und mehr zu versanden, die Reeder benötigten deshalb einen Umschlagplatz. Der Hafen sollte im Winter außerdem als sicherer Liegeplatz dienen, an dem die Schiffe bei Bedarf repariert und gewartet werden konnten.

Der Vegesacker Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt sagt über die Strandlust: "Die Immobilie ist prägend für den Stadtteil und muss erhalten bleiben."
Ein so wichtiger Hafengeburtstag, und gerade jetzt fehlt der Saal, ihn gebührend zu feiern, sollte das trotz Corona irgendwann im Jahr wieder möglich sein. Das ist fast so traurig wie eine andere, noch frischere Lücke an der maritimen Meile: Seit August ist die "Schulschiff Deutschland" nicht mehr da, sie liegt jetzt sehr prominent im Neuen Hafen von Bremerhaven.
Trotzdem: "Wer Bremen maritim erleben will, muss nach Vegesack kommen", betont Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt. "Schulschiff Deutschland" und "Strandlust" – zwei hoch emotionale Themen in Bremen-Nord: "Die Gefühle lasse ich außen vor, dafür kann man sich nichts kaufen", sagt der SPD-Mann.
Bei der "Strandlust" sei er ähnlich optimistisch wie die Eigentümerin und wie Senatorin Schaefer. Er werde im Ort ständig auf das Thema angesprochen. "Die Immobilie ist prägend für den Stadtteil und muss erhalten bleiben", fordert Dornstedt, "auch und vor allem als Veranstaltungsort." Es gebe einen großen Bedarf dafür, "das spüren wir im Stadtteil".