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Strandlust-Areal in Vegesack "Der maritime Charakter muss erhalten bleiben"

Der Verein "Rettet Vegesack Maritim" setzt sich für den Erhalt des maritimen Charakters des Weserufers ein. Im Interview erläutert der Vereinsvorsitzende Andreas Groß seine Kritik an der vorgestellten Planung.
18.03.2024, 18:15 Uhr
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Von Björn Josten

Ihr Verein heißt "Rettet Vegesack Maritim". Warum und von wem muss das maritime Vegesack gerettet werden?

Andreas Groß: Es geht unserem Verein darum, das geschichtliche, über 400 Jahre alte Erbe als Gegenstand der Stadtentwicklung zu betrachten. Besonders auf der Maritimen Meile muss es in den Mittelpunkt gerückt, gepflegt und weiterentwickelt werden; für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch in Richtung Touristen und Tagesausflügler. Das ist – ganz ausdrücklich – kein Blick retro: Wie schön war es doch früher? Nein, es geht darum, andere Städte, Gemeinden und Stadtteile mit einer langen Historie als Vorbild zu nehmen. Es geht darum, dieses sensible Erbe anzunehmen. Orte, die dies ernsthaft verfolgen, haben einen Attraktivitätsvorsprung gegenüber anderen, die solch eine Historie nicht haben. Wir möchten, dass das in Vegesack endlich berücksichtigt wird.

Im Hafenumfeld füllen einige Vereine das maritime Erbe mit Leben. Eine gemeinnützige Gmbh ist zu diesem Zweck gegründet worden. Was wollen Sie mit ihrem Verein beitragen?

Wir arbeiten sehr eng mit dem Heimat- und Museumsverein Vegesack und Umgebung zusammen. Darin ist eine erhebliche regionale Kompetenz versammelt. Diese möchten wir nutzen, um ein ganzheitliches Konzept umzusetzen. Den Entscheidern in Politik und Stadtplanung muss eines klar gemacht werden: Wenn man ein Einzelelement – welches auch immer – falsch entwickelt, zerstört man das Ganze.

Sie möchten also sensibilisieren?

Wir haben ein Programm im Kopf, das nicht in fünf Jahren erledigt ist. Auslöser ist die Debatte um die Strandlust. Um es ganz deutlich zu sagen: Es geht uns hierbei nicht um das Zurückholen der seligen Strandlustzeiten, die wir alle gehabt haben. Es geht darum, den Blick nach vorn zu richten. In den sensiblen Bereich des Strandlust-Areals gehört keine Wohnbebauung. Da möge man sich bitte andere Konzepte überlegen. Und zwar unter echter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

Sie haben die Pläne für das Strandlust-Areal kritisiert, bevor sie auf dem Tisch lagen. Nun gibt es zwei Vorentwürfe. Wie bewerten Sie diese? Da Sie Wohnbebauung dort grundsätzlich ablehnen: Was würden Sie dort gern sehen?

Bei der Vorstellung der Pläne ist es nicht gelungen, darzulegen, was diese beiden Entwürfe mit dem maritimen Charakter der Meile zu tun haben. Wir als Verein haben einen ganz pragmatischen Vorschlag: Warum macht man nicht einfach einen Standorttausch für das am Museumshafen geplante Hotel und realisiert dieses auf dem Strandlust-Areal? Die exponierte Stelle ist eine der landschaftlich attraktivsten in ganz Bremen. Wir haben auch einige weitere Fragen zur Architektur.

Welche?

Es sind bisher keine Antworten geliefert worden zum Verkehrskonzept. Die einzige Zufahrtsmöglichkeit ist die Sackgasse Zur Vegesacker Fähre. Wie soll das gelöst werden? Das Strandlust-Areal ist ein ausgewiesenes Überflutungsgebiet. Dort Wohnbebauung zu planen, ist schon sportlich. Wie hoch muss man aufschütten, ehe Wohnbebauung möglich ist? Und: Bundesweit geraten Bauprojekte in finanzielle Schieflage. Wie hat sich Bremen abgesichert, dass das in Vegesack mit seinen beiden Großprojekten nicht passiert? Das sind alles Fragen, die uns nicht beantwortet werden.

Es gibt bisher zwei Vorentwürfe, die gerade ausgearbeitet werden. Dann beginnt die Detailplanung. Kommt die Kritik nicht zu früh?

Ich erwarte, dass so etwas zum jetzigen Zeitpunkt vorgelegt wird. Die Öffentlichkeit wird immer wieder vertröstet. Damit werden schrittweise, an der Öffentlichkeit vorbei, Fakten geschaffen, die dann nachher unumkehrbar sind.

Die Öffentlichkeit ist beteiligt worden. Wird wirklich an ihr vorbei geplant?

Ja. Das grundsätzliche Problem ist doch, dass die Höhe und Massivität der geplanten Gebäude auf den Skizzen für Betrachter nicht zu erfassen ist. Deshalb fordern wir ein Gerüst, das maßstabsgerecht - eins zu eins - die Größe des Gebäudes darstellt. Das ist unsere Forderung an die Politik. Es fehlt zudem eine sachlich fundierte, auf die Zukunft ausgerichtete und langfristig tragende Konzeption für Vegesack.

Wie würden Sie eine solche Konzeption skizzieren? Bisher haben Sie lediglich bestehende Ideen auf sehr plakative Art und Weise kritisiert.

Um etwas zu verdeutlichen, muss man vereinfachen. Ich könnte jetzt lange Vorträge halten, was wir im Hintergrund planen.

Was denn genau?

Das Hauptanliegen ist, dass nicht an der Öffentlichkeit vorbei geplant wird. Sie muss einbezogen werden. Ich sage nicht, dass wir mit allem, was wir im Verein sagen, recht haben. Aber wir regen an: Stellt das maritime Erbe als Entwicklungsperspektive für die nächsten Jahrzehnte in den Mittelpunkt. Wir haben so viele konstruktive Leute. Binden wir sie doch ein. Wir brauchen hundert Ideen, 99 davon können wir verwerfen. Aber da ist die eine Idee dabei, die ist genial.

Es hat Workshops für Bürgerinnen und Bürger gegeben.

Was ist dort gemacht worden? Der Sündenfall war der Letter of Intent, der von der damaligen Bausenatorin im Alleingang mit den an einem maximalen Verkaufspreis interessierten Erbinnen der Strandlust entwickelt worden ist. Der Investor hat einen Blankoscheck bekommen und legt ihn der Baubehörde nun vor. Das ist völlig legitim. Die Bevölkerung durfte nur entscheiden, ob die Blumenkübel braun oder blau sein sollen. Sie durften sich bei der neuen Strandlust einbringen; nicht aber für das Gesamtareal. Das wird dann Bürgerbeteiligung genannt.

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Das klingt so, als wären Sie gerne separat eingebunden worden. Haben Sie die Tür dazu mit Ihrer scharfen Kritik, beispielsweise einer parkhausähnlichen Visualisierung, nicht selbst zugeschlagen?

Ich gebe zu, die Veröffentlichung war plakativ. Aber sie entsprach in der Dimensionierung den im Letter of Intent gemachten Vorgaben. Wir hätten sicher noch Fenster reinmalen können. Die Architekturbüros stellen jetzt diese übermassive Bauweise so dar, dass sie gar nicht so groß erscheint. Schauen Sie auf die Modelle und wie groß zum Beispiel die Bäume dort sind. Das sind Tricks, genial gemacht. Die wirklich geplante Höhe kann sich niemand vorstellen. Das ist das Problem.

Müssen wir uns mit Blick auf Versiegelung und knapper Flächen nicht daran gewöhnen, dass Häuser höher gebaut werden, als wir es bisher gewohnt waren?

Nein. An solchen Stellen: keine hohe Bebauung. Der maritime Charakter des Strandlust-Areals als Tor zum Stadtgarten muss erhalten bleiben.

Das Interview führte Björn Josten.

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Zur Person

Andreas Groß (63)

lebt in Vegesack und ist Vorsitzender des Vereins "Rettet Vegesack Maritim". Dieser hatte Unterschriften gegen eine Wohnbebauung auf dem Strandlust-Areal gesammelt und weitere Veranstaltungen gegen die Investoren-Pläne organisiert.

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