Wenn Finja Schmidt auf dem Einrad sitzt, dann fährt sie nicht nur von Punkt A nach Punkt B. Sie probiert Tricks aus. Fährt einbeinig oder rückwärts, springt mit dem Einrad Seil und fährt auch mal ohne Sattel. Seit sie acht Jahre alt ist, macht Schmidt in der Einradgruppe des Circus Theater Tohuwabohu mit. Den Spaß daran habe die mittlerweile 20-Jährige nie verloren.
Neben der Einradgruppe ist die Nord-Bremerin auch im Zirkustheater aktiv und leitet Kindergruppen als Trainerin. Auch sie selbst habe als Kind angefangen, "als Fünfjährige in der Charivari-Gruppe". Fast ihr ganzes Leben verbrachte sie als Teilnehmerin in dem Zirkus: "Hier bin ich groß geworden", sagt Schmidt, "ich kann mich gar nicht mehr an eine Zeit ohne den Zirkus erinnern."
In der Zwischenzeit habe sie viele Disziplinen ausprobiert wie das Vertikaltuch, Akrobatik und "natürlich Theater". Dem Einrad sei sie während der ganzen Zeit treu geblieben. Das sei auch nicht für jeden etwas: "Man braucht ein gutes Gleichgewicht und viel Durchhaltevermögen. Bis man fahren kann, dauert es auch gern über ein halbes Jahr", sagt sie. Auch das Theaterspielen habe ihr immer viel Spaß gemacht: "2016 oder 2017 stand ich das erste Mal auf der Bühne." Gespielt habe sie einen Müllmann.
Kompetenzen von Trainerinnen
Später übernahm sie die Trainerleitung einer Gruppe. Dabei hat Finja Schmidt nie das Gefühl gehabt, ins kalte Wasser geschmissen worden zu sein. Die Leiterin Mareike Talg führte mit ihrem Eintritt einen Trainerschein ein. Auch gebe es immer wieder Trainerfortbildung. "Man fängt als Hilfstrainerin an, darf nach einiger Zeit Anfangsspiele anleiten und kriegt immer mehr Verantwortung übertragen", erzählt die Nord-Bremerin. Das, was sie dort gelernt hat, helfe ihr immer wieder im Leben: "Ich habe kein Problem damit, vor Menschen zu sprechen, und kann selbstbewusst auftreten." Auch Spiele anzuleiten, sei für sie kein Problem. "So etwas schüttele ich aus dem Ärmel", sagt Schmidt und lacht. Außerdem übernehme man als Übungsleiterin von Kindergruppen früh Verantwortung. Auch die Theaterstücke entwickeln sie in den Gruppen selbst. "Dafür braucht es Kreativität."
Heute studiert Finja Schmidt "Angewandte Freizeitwissenschaft" an der Hochschule Bremen. "Das ist eine Art Tourismus ohne BWL", sagt die Studentin. "Ganz sicher hat die Zeit im Circus meine Studienwahl beeinflusst." Da wäre sie nicht die Einzige. "Die meisten von uns arbeiten im sozialen Bereich, oder studieren Lehramt oder Pädagogik." Sie erklärt sich das so: Die Arbeit mit den Kindern fördere soziale Kompetenzen und mache Lust, weiterhin mit ihnen zu arbeiten. Nur eine Freundin aus ihrem Jahrgang wäre da ausgebrochen – sie studiert Tiermedizin.
Auch ansonsten ist die junge Frau engagiert. Sie spielt im Hochschulsport Uni-Hockey, ist in der Kirche tätig und wirkt beim Freiwilligendienst Service Civil International. Für die Organisation war sie in Ecuador. Dort unterrichtete Schmidt Englisch in Schulen.
Trotz der Aktivitäten fiele es ihr schwer, sich vom Zirkus zu trennen. Obwohl sie sich vor ihrem siebenmonatigen Aufenthalt in Ecuador vor zwei Jahren bereits verabschiedet habe. "Es wird aber schon weniger. Ich habe keine festen Gruppen mehr, springe nur ab und zu ein", sagt sie. "Aber die Menschen sind für mich wie eine zweite Familie." Viele würden dem Zirkus nach ihrem Abgang erhalten bleiben. Einige haben sogar ihre Kinder angemeldet.
In der Zukunft werde die Studentin ihr Engagement beim Zirkus auslaufen lassen. Sie wolle sich weiterorientieren. Nächstes Jahr sei ihr Praxissemester und dafür ziehe sie vorläufig aus Bremen weg. Dieses Jahr stehe sie wahrscheinlich zum letzten Mal als Schauspielerin auf der Bühne. Doch ein Abschied für immer sei es keineswegs. "Zu den Weihnachtsgalas komme ich als Zuschauerin."