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Geschäftsführer im Interview "Bauprojekte sind positiv für Vegesack"

In Vegesack entstehen zurzeit gleich mehrere neue Quartiere. Welche Bedeutung die für den Stadtteil haben, erläutert der Geschäftsführer des Vegesack Marketing, Jörn Gieschen, im Interview.
25.01.2024, 06:00 Uhr
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Von Aljoscha-Marcello Dohme

Herr Gieschen, was glauben Sie, welcher Themenkomplex wird Sie in diesem Jahr am meisten beschäftigen?

Jörn Gieschen: Am meisten beschäftigen wird uns – was das Arbeitsvolumen angeht – sicherlich wieder das Internationale Festival Maritim. Das liegt zum einen daran, dass es zu den größten Veranstaltungen in Bremen gehört. Zum anderen sind die finanziellen Rahmenbedingungen schwieriger geworden. Wir sind weiter auf der Suche nach Sponsoren, Unterstützern und Werbepartnern. Gleichzeitig müssen wir versuchen, die Kostenseite im Griff zu halten. Das kommt zusätzlich zu der sowieso riesigen und komplexen organisatorischen Aufgabe noch dazu. Auch wenn wir mit der Kalkulation noch nicht durch sind, wird das Festival 2024 aber in jedem Fall stattfinden. Wir setzen darauf, dass wir die nötigen Unterstützer und Einnahmen generieren können. Es gibt also kein Fragezeichen hinter der diesjährigen Auflage, sondern ein dickes Ausrufezeichen.

Wie gehen Sie bei der Planung vor, wenn Sie noch gar nicht wissen, wie viel Geld Ihnen am Ende zur Verfügung steht?

Wir werden einige flexible Kostenpositionen einbauen. Wenn wir in zwei, drei Monaten absehen können, dass wir weniger Mittel haben, als wir eigentlich brauchen, haben wir noch einen gewissen Spielraum. Alternativ müssten wir schauen, ob wir andere Veranstaltungen oder Ausgabepositionen finanziell herunterfahren. Aber wir sind zunächst einmal positiv gestimmt, dass wir genügend Unterstützer finden, die die Bedeutung des Festivals für Bremen und den Bremer Norden verstehen.

Sie organisieren ja nicht nur das Festival Maritim, sondern auch viele andere Events. Wie schauen Sie denn insgesamt auf das Veranstaltungsjahr 2024, gerade auch, was die Kostensteigerungen angeht?

Wir freuen uns, dass wir ein paar neue Formate kreieren konnten, die für uns keine riesige Budgetbelastung darstellen. Das liegt auch daran, weil sie in Zusammenarbeit mit tollen Partnern realisiert werden. Ich denke da zum Beispiel an das junge Open-Air-Kino sowie eventuell ein E-Sports-Event. Wir haben es uns ohnehin auf die Fahnen geschrieben, mehr für jüngere Menschen in Vegesack zu tun. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr auch erstmalig die Zusammenarbeit mit dem Jugendbeirat für das Open-Air-Kino ausprobiert. Das hat super funktioniert, wir wollen das weiter ausbauen. Ein zweites Beispiel sind die 'Weserschätze', die wir zusammen mit dem Großmarkt organisieren. Vegesack hat viel im Bereich Antikes und Kurioses zu bieten. Darum wird sich bei diesem Format alles drehen, zusammen mit einem großen Flohmarkt an der Weser. Ein tolles Beispiel für eine neue Kultur der Zusammenarbeit, denn neben institutionellen Partnern stellen wir dieses frische Konzept auch mit engagierten Vegesacker Geschäftsleuten zusammen.

Etliche Großprojekte – etwa das Strandlust-, das Steingut- oder das Speicher-Quartier, werden in diesem Jahr weiter geplant beziehungsweise gebaut. Was bedeuten diese Vorhaben für Vegesack?

Es ist außergewöhnlich, wie viele Großprojekte wir hier in Vegesack haben. Das freut mich ungemein, denn es bedeutet, dass gut informierte Menschen an den Standort Vegesack glauben und Geld investieren. Es kommen neue Bewohner, neues Leben, neue Arbeitsplätze. Der Stadtteil entwickelt neue Strukturen und neue Ansichten. Das ist auch das, was wir leisten wollen: Die Entwicklung des Standortes vorantreiben, der Auffrischung braucht und für die Zukunft strukturell fit gemacht werden muss. Solche Projekte sind für den Stadtteil positiv zu sehen. Über das Wie gibt es unterschiedliche Meinungen, das ist klar. Über das Dass kann es keine zwei Meinungen geben. Wir binden solche Projekte auch in den Prozess der neuen Standortstrategie ein, die ebenfalls in diesem Jahr in die Umsetzung startet.

Ein weiteres Projekt wird direkt in der Fußgängerzone geplant: die Bebauung am Sedanplatz. Was versprechen Sie sich davon?

Davon verspreche ich mir auch, dass der Platz selbst in die Planungen einbezogen wird. Im Moment geht es noch allein um das neue Quartier am Platz. Auch das heißen wir sehr willkommen, denn das bedeutet mehr Leben im Zentrum. Aber wir wünschen uns auch, dass sich die Stadt zur Bedeutung des Platzes bekennt, der in seiner jetzigen Form für den tollen Grünmarkt zwar gut nutzbar, aber sonst wenig einladend ist. Es gibt noch kein konkretes Bekenntnis zur Schaffung von mehr Aufenthaltsqualität dort. Das muss kommen, auch Ortsamt und Baubehörde sind da mit am Drücker. Wir bieten hier unsere Mitarbeit für kreative und pragmatische Konzepte an, wissend um die schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen dieser Tage. Aber es geht um nichts weniger als eine Operation an dem zentralen Platz, dem Herzen des Mittelzentrums.

Wie kann der Sedanplatz denn konkret attraktiver werden?

Der Platz muss mehr Funktionen erfüllen. Als riesige Betonfläche ist er super für den Grünmarkt oder für Events wie Kindertag, Vegefest oder den Vegesacker Markt. Ohne diese Veranstaltungen ist der Platz eine recht graue, tote Fläche. Der Platz muss einladender werden, sodass man sich gerne dort aufhält, dort trifft und schön sitzen kann. Sicherlich tragen dazu auch Außenbestuhlung am neuen Quartier bei, zum Beispiel durch ein Café und neue attraktive Fassaden. Es braucht aber auch konsumfreie Anziehungspunkte. Es braucht attraktive Sitzgelegenheiten und Treffpunkte für Jung und Alt, schlau ergänzt durch weitere Anreize wie zum Beispiel Sport- und Spielgelegenheiten.

Würden diese Elemente nicht den Wochenmarkt behindern?

Das gilt es zu verhindern und pragmatisch zu planen. Der Grünmarkt ist einer der bestfunktionierenden Märkte in Bremen. Ein echtes Pfund für Vegesack: dreimal die Woche, ein totaler Frequenzbringer für die City. Es gibt andere Zentren, die diesen Nutzungsspagat sehr gut hinbekommen haben, zum Beispiel beim Grote Markt in Groningen. Dort wurden Randbebauung und Platzgestaltung ganzheitlich geplant und gestaltet, nur so geht es. Wir stehen dazu schon im Gespräch mit dem Groningen City Club. Auch das Wirtschaftsressort, die Wirtschaftsförderung, Handelskammer und die Stadtteilkoordinatorin sind daran konstruktiv beteiligt.

In den vergangenen Jahren haben Sie sich mit dem Projekt Losvegen darum gekümmert, den Leerstand im Stadtteil zu reduzieren. Wie geht es damit in 2024 weiter?

Wir haben ab diesem Jahr keine Sondermittel mehr, um temporär Mieten für Gründer zu bezuschussen. Das waren 'Corona-Mittel', diese sind leider ausgelaufen. Wir gehen es nun noch mehr auf kreative Art und Weise an. So hatten wir kürzlich zum Beispiel einen Termin im ehemaligen Schuhhaus Nordenholz. Zwei junge Modedesignerinnen hatten Interesse für eine Zwischenmiete angemeldet, möchten sich gerne hier in der Vegesacker Fußgängerzone ansiedeln. Wir haben auch schon gemeinsam groß gedacht, ob dort nicht eine Art Kreativkaufhaus entstehen kann. Es gibt großartige Kreative in Bremen-Nord, mehr als die meisten meinen. Wir wollen Interessenten zusammenbringen und das Geschäftsmodell unterstützen. Es gibt mehrere weitsichtige Eigentümer, wie in diesem Falle Nordenholz‘, die solche Zwischennutzungen durch Mietverzicht unterstützen. Auch unsere Makler vor Ort arbeiten bei solchen Initiativen tatkräftig mit. Am Ende gewinnen alle. Neue Unternehmer testen den Standort, die Immobilie wird in Schuss gehalten, das Angebot für die Bremen-Norder bereichert. Neue Dauermieter von Geschäftsimmobilien brauchen zudem im Schnitt über sechs Monate zur Kaufabwicklung und Neubeplanung – genug Zeit für Zwischennutzer, sich nach neuen Lösungen umzusehen. Am Ende ist manchmal sogar das Gründungskonzept so erfolgreich, dass eine neue Dauernutzung entsteht.

Das Interview führte Aljoscha-Marcello Dohme.

Zur Person

Jörn Gieschen

ist seit 1. September 2020 Geschäftsführer des Vegesack Marketing. Bevor er in den Bremer Norden kam, arbeitete er unter anderem für eine Tourismusberatung in Barcelona sowie als selbstständiger Tourismusberater für mehrere Städte und Länder.

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