Wie geht es im Januar weiter? Das ist die bange Frage, die das Team im Vegesacker Geschichtenhaus derzeit umtreibt. Die Ungewissheit bereite allen Sorge, je näher der angebrochene Monat Dezember auf den 31. zusteuert, sagt Betriebsleiter Andreas Plundrich. "Wir haben noch keine Zusage, dass es hier ab Januar weitergeht." Inzwischen mache sich Resignation breit.
Es war auch für das Vegesacker Geschichtenhaus ein Paukenschlag, als das Bremer Jobcenter im Sommer bekannt gab, dass es nach sechs Monaten bereits sein fast gesamtes Budget für 2024 ausgegeben hatte und sein Angebot einschränken muss. Was auch das Vegesacker Geschichtenhaus betraf, das ausschließlich Langzeitarbeitslose beschäftigt, die vom Jobcenter und dem Europäischen Sozialfonds gefördert werden. Sie vermitteln als Laiendarsteller in historischen Kostümen und kleinen Spielszenen den Besuchern des Geschichtenhauses ein Stück Vegesacker Regionalgeschichte.
Auf und Ab der Gefühle
Eingebunden sind die 25 Teilnehmer in zwei Maßnahmen: in der Schneiderei, die für die Requisite näht und Kostüme anfertigt. Und in der Animation, die die Spielführungen zur Geschichte Vegesacks und zu den alten Berufsbildern anbietet. Bis 31. Oktober, so hieß es im Sommer, könne das Geschichtenhaus, dessen Träger die Bremer Bras ist, seine Arbeit noch fortsetzen. Dann müsse es schließen. Später gab es die Zusage, dass der Betrieb noch bis zum 31. Dezember weiterlaufen könne.
Seitdem herrscht in der historischen Kulisse ein Auf und Ab der Gefühle. Dabei gab es im Mai dieses Jahres noch Aufbruchstimmung, erinnert sich der Betriebsleiter. Andreas Plundrich war drei Monate zuvor vom Mitmachmuseum Köksch un Qualm, das im Januar geschlossen wurde, ins Vegesacker Geschichtenhaus gewechselt. Aber schon im Juni war es mit der Aufbruchstimmung dann vorbei. "Als die Nachricht kam, dass es nur noch bis zum 31. Oktober Geld gibt, wirkte das auf unsere Teilnehmer verunsichernd", schildert Andreas Plundrich die Situation. Es gab "akute Angst, schlaflose Nächte und große Sorgen". Die Beschäftigten hätten mit plötzlicher Erkrankung reagiert oder seien in alte Verhaltensmuster gefallen. Andreas Plundrich spricht von Rückzug und Vermeidung.

Zwar hatte Bürgermeister Andreas Bovenschulte jüngst die Hoffnung genährt, dass es eine Lösung für das Vegesacker Geschichtenhaus geben könnte, dennoch ist dort die Stimmung mies.
Einerseits. Andererseits habe man eine große Motivation spüren können. Nach der Devise "Jetzt stehen wir Schulter an Schulter und zeigen nach außen, was wir können", erzählt der Betriebsleiter auch. Und als es dann hieß, dass das Geschichtenhaus über den 31. Oktober hinaus arbeiten könne, habe sich Erleichterung eingestellt. "Das hielt bis Mitte November an", sagt Andreas Plundrich. "Aber seitdem ist deutlich zu merken, dass alle unsicherer sind und auch gereizter." Die Frage, wo sie ab dem 2. Januar sein werden, treibt alle aus dem Team um. Und dennoch müssen die Veranstaltungen weitergehen: die Führungen, die im Geschichtenhaus von Mittwoch bis Sonnabend stündlich angeboten werden. Die Nachmittagsveranstaltungen an jedem zweiten Donnerstag, das Adventsprogramm für Kinder und Erwachsene. Es sei längst ein Team zusammengewachsen, das Freude an seinen Bühnenauftritten hat und das den Besuchern ein kulturelles Erlebnis bietet.
Nicht zuletzt das Feedback aus dem Publikum sei für die Beschäftigten eine wunderbare Bestätigung ihrer Arbeit. Je mehr sie in ihre Theaterszenen hineingewachsen sind, sich getraut haben, auf der Bühne zu sprechen und sich zu präsentieren, hätten die Beschäftigten an Selbstvertrauen gewonnen, gelernt, "jeden Tag auf der Matte zu stehen" und sich in einem Team auch über unterschiedliche Meinungen auseinandersetzen zu können. "So gelingen hier ganz viele zwischenmenschliche Prozesse, die der eine oder andere in seinem häuslichen Umfeld nicht erworben hat." Durch die ungewisse Zukunft erhalte all dies aber einen Dämpfer. Auch wenn der Besuch von Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte in Vegesack und seine Aussage, dass eine Lösung in Sicht sein könnte, Hoffnung mache. "Unsere Leute hat es beruhigt, dass sie gesehen und wahrgenommen werden", sagt der Leiter des Geschichtenhauses. Auch die geplanten Benefizveranstaltungen für den Erhalt des Geschichtenhauses seien "ein tolles Signal" gewesen.
Doch Andreas Plundrich fragt sich auch, unter welchen Bedingungen es weitergeht, wenn es weitergehen sollte. "Diese Maßnahme lässt sich nicht mit fünf Leuten betreiben und nicht ohne Theaterpädagogin." Sie gehört neben der Schneiderin und der Verwaltungskraft zu den Angestellten, die auch um ihren Job bangen. Mit einem reduzierten Team, gibt der Betriebsleiter zu bedenken, sei die Qualität, die das Geschichtenhaus bietet, nicht zu gewährleisten. "Die Gesellschaft nimmt uns als Kultureinrichtung wahr und es ist ein historisches Haus mit identifikatorischem Wert für den Stadtteil." Bei aller Angst und Sorge würden die Teilnehmer den Widrigkeiten mit Fleiß und Engagement begegnen. "Es sind in dieser Zeit tolle Dinge entstanden", sagt Andreas Plundrich. "Zum Beispiel das aktuelle Weihnachtsstück. Darüber freue ich mich sehr." Obwohl die Situation von Durchhalteparolen geprägt sei, "zeigen sich auch Stärken einzelner Teilnehmer, sich in der Krise aufzuraffen und kreativ zu werden". Das, sagt der Leiter, beeindrucke ihn sehr.