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Konzert im Kito Ein grenzenloser Dialog ohne Worte

Vladyslav Sendecki hat schon mit Musikgrößen wie Cher und Klaus Doldinger zusammengearbeitet. Nun hat es ihn gemeinsam mit dem Bremer Perkussionisten Jürgen Spiegel für ein Konzert ins Kito verschlagen.
10.04.2022, 18:24 Uhr
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Von Christian Pfeiff

Wer wie Vladyslav Sendecki einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der polnischen Jazzszene leistete und anschließend weltweit mit Größen wie Mike Oldfield, David Gilmour, Billy Cobham, Cher und Klaus Doldinger – um nur einige zu nennen – zusammenarbeitete, oder aber wie der Bremer Perkussionist und Produzent Jürgen Spiegel mit diversen Formationen sämtliche europäische Großfestivals bereiste und mit dem eigenen „Tingvall Trio“ zu einer festen Größe des europäischen Jazz avancierte, braucht in künstlerischer Hinsicht niemandem mehr etwas zu beweisen. Wenn sich zwei derartige Ausnahmekünstler zu einem Duo formieren, entsteht nahezu zwangsläufig etwas Besonderes, dass sich mit Worten nur schwer bis gar nicht kategorisieren lässt.

Dies liegt völlig im Sinne der beiden Ausnahmeinstrumentalisten, die sich 2019 zum Ziel setzten, einen neuen Sound mit den tradierten Instrumenten Piano und Schlagzeug zu kreieren, für den die eigentlich bereits sehr weit gefasste und ausladende Genrebezeichnung „Jazz“ bereits viel zu eng gefasst ist. „Nicht ein Stil macht einen Musiker aus, sondern ein Musiker macht seinen Stil aus“, erklärt Sendecki die Frage der stilistischen Selbstverordnung.

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Ihre umfassenden instrumentalen und musikalischen Kenntnisse begreifen die beiden umtriebigen Virtuosen daher primär als nonverbale Kommunikation: „Ich bin überall auf der Welt unterwegs und erzähle mit meiner Musik Geschichten aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Zeiten“, beschreibt Sendecki sein künstlerisches Selbstverständnis.

In der Zusammenarbeit mit Jürgen Spiegel entsteht die Ausgestaltung dieser Geschichten indes jeden Abend aufs Neue und nimmt immer unterschiedliche Formen an, die aus direktem Blickkontakt und Antizipation gegenseitiger musikalischer Impulse entstehen. „Man kann es als Dialog zweier Personen verstehen, die beide in vielen Sprachen beheimatet sind und der einfach unheimlich viel Spaß macht“, bemüht auch Jürgen Spiegel das Element der Kommunikation als Metapher für das musikalische Schaffen des Duos.

Während ein solcher Ansatz bei anderen Instrumentalisten möglicherweise im improvisatorischen Nirvana enden könnte, mündet dieser bei Sendecki und Spiegel hingegen in nachvollziehbare Songstrukturen, die berühren, mitreißen, begeistern und trotz aller nonverbalen Multilingualität und Spontanität niemals beliebig wirken – ganz gleich, ob der musikalische Dialog nun tendenziell eher im traditionellen Jazz zu verorten ist, die Energie des Rock aufgreift, Elemente der sogenannten „Weltmusik“ zitiert, in kraftvollen Grooves mündet oder fragile Momente aufweist; sich mithin also am ehesten als „nahezu grenzenlos“ kategorisieren lässt. „Man kann Musik nicht nur nach erlernten Gesetzgebungen und Schemata machen; das ist nur ein ganz kleiner Teil dessen, was Musik ist und sein soll. Das Wichtigste dabei ist jedoch letztlich die Intuition der Musiker“, befindet auch Sendecki.

Der wie an jedem Konzertabend einzigartige Dialog, den die beiden Ausnahmekünstler am Sonnabend auf der Bühne des Kito vollführten, blieb indes einem recht überschaubaren Zuhörerkreis vorbehalten – ein Phänomen, dass beide in jüngerer Vergangenheit bei ihren Auftritten häufiger beobachteten: „Viele Leute scheinen derzeit noch sehr viel Angst zu haben, öffentliche Konzerte und Veranstaltungen zu besuchen und bleiben lieber zu Hause“, bemerkt Spiegel. Die ausnahmslos begeisterten Reaktionen und Gesichter der handverlesenen Zuhörerschaft scheinen diesen Eindruck zu bestätigen, signalisieren zumindest deutlich, dass der Grund für die Zurückhaltung potenzieller Konzertgänger an diesem Abend keineswegs in einem Mangel an Reputation oder musikalischer Qualität zu suchen sind. „Natürlich leiden wir als Künstler sehr unter den Unsicherheiten der aktuellen Gesamtsituation“, verrät auch Sendecki in einer Bühnenansage.

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Selbstverständlich sind beide Bühnenveteranen dennoch versiert, routiniert und motiviert genug, um auch unter derartigen Bedingungen meisterhafte Konzerte zu absolvieren und die eigenen musikalischen Höchstleistungen zwischen den einzelnen Stücken mit einem entspannten Hang zur Selbstironie zu garnieren. „Jürgen greift zu den Brushes; das heißt, wir spielen als nächstes wohl etwas Jazz“, witzelt Sendecki, nur um kurz darauf gemeinsam mit Spiegel wieder neue, eigene Klangwelten zu erschaffen und zu durchschreiten.

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