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Klinikum Bremen-Nord "Wir rechnen mit einem Minus von 57 Millionen Euro"

2023 droht dem Bremer Klinikverbund nach eigenen Angaben ein Minus von 57 Millionen Euro. Wie die Klinikspitze in Bremen-Nord mit dem Spardruck umgeht, und ob es weiterhin Butter für Kassenpatienten gibt…
23.02.2023, 19:00 Uhr
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Von Patricia Brandt

Frau Stradtmann, wegen gestiegener Energiekosten und der allgemeinen Inflation bekommen Kassenpatienten in einigen Hamburger Kliniken nur noch Margarine aufgetischt. Nimmt Bremen den Patienten auch die Butter vom Brot?

Anne Stradtmann: Das werden wir nicht tun, weil wir an anderer Stelle Einsparungen vornehmen können, zum Beispiel werden in Räumen, die am Wochenende nicht besetzt sind, Heizungen heruntergedrosselt, auch ab einem bestimmten Zeitpunkt abends, aber wir werden nicht bei der Butter anfangen.

Bisher gab es in Bremen teilweise sogar Klinikkost in Bio-Qualität. Kann sich die Gesundheit Nord (Geno) 2023 überhaupt Bio leisten?

Stradtmann: Den Bioanteil werden wir gemäß dem Bremer Aktionsplan weiter steigern. Da sind wir den Vorgaben sogar voraus, arbeiten zum Beispiel auch mit einer regionalen Hofmolkerei zusammen. Deshalb werden wir bei unserem Speiseplan bleiben, und es wird immer verschiedene Gerichte geben, zwischen denen die Patienten wählen können.

Ende 2022 hieß es, dass der Geno 2023 ein Defizit von 100 Millionen Euro droht. Gibt es Pläne, die Küchen der städtischen Krankenhäuser zusammenzulegen?

Stradtmann: Die Zahl stimmt nicht. Wir rechnen derzeit mit einem operativen Ergebnis von minus 57 Millionen Euro im Klinikverbund. Bestrebungen, dass man die Küchen zusammenlegt, damit man nicht an mehreren Standorten Küchen hat und Vorhaltekosten zusammenzieht, gibt es. Ich bin mir sicher, dass es auf längere Sicht in Bremen nur noch einen Standort geben wird, an dem wir eine Küche haben werden. An unserem Standort würde sich aber nichts verändern, da wir bereits heute das Essen aus der großen Küche in Bremen-Mitte geliefert bekommen. Ähnliches Potenzial gibt es bei den Sterilguteinheiten für OP-Materialien, wo man Ressourcen im Verbund gut bündeln kann.

Würde Lauterbachs Konzept umgesetzt, würde es das Klinikum Bremen-Nord in dieser Form nicht mehr geben. Bestenfalls könnte es ein Klinikum der niedrigsten Stufe, Level I, sein.

Frank Wösten: Die Stoßrichtung der Reformvorschläge ist nicht verkehrt: Bei Personalmangel und zu vielen stationären Betten im europäischen Vergleich muss man überlegen, wie man eine vernünftige Standortlösung pro Region hinbekommt. Ob die Pläne allerdings genauso umgesetzt werden, wie sie heute bekannt sind, muss man abwarten. Da haben zum Glück noch die Länder mitzusprechen.   

Wie sähe eine Level-I-Versorgung am Standort Bremen-Nord aus?

Wösten: Das Krankenhaus wäre danach weniger breit aufgestellt als jetzt. Aber wie gesagt: Das ist ja alles aktuell noch sehr hypothetisch und ein völlig offener Prozess.

Stradtmann: Wie konkret sich die Bremer Krankenhauslandschaft letztlich langfristig entwickelt, lässt sich heute noch gar nicht seriös beantworten.

Gutachter haben Bremen bereits 2022 Veränderungen in der Krankenhauslandschaft angeraten, um zukunftsfähig zu bleiben. Wie planen Sie für 2023?

Wösten: Wir entwickeln unser Krankenhaus weiter, unabhängig von dem, was strategisch in ein paar Jahren geplant ist. Da gibt es viele gute Projekte, die wir auf den Weg gebracht haben und die wir weiterführen wollen.

Zum Beispiel?

Wösten: Nach dem Weggang der Gefäßchirurgie legen wir den Fokus nun stärker auf Baucherkrankungen, damit wir für Patienten mit Bauchschmerzen eine schnelle interdisziplinäre Beurteilung internistisch und chirurgisch hinbekommen. Für eine Grundversorgung ist es unseres Erachtens nicht zwingend erforderlich, dass wir Gefäßchirurgen vor Ort haben. Das decken andere Krankenhäuser in Bremen ab. Ein zweites Thema ist 2023 für uns der in Planung befindliche Umbau des Kreißsaals. Der Kreißsaal ist mal geplant gewesen für 1600 Geburten, aber wir haben inzwischen konstant jährlich mehr als 2000 Geburten. Deshalb wird er vergrößert und erneuert. Selbstverständlich ist es so, dass man natürlich überlegt, wo setzt man Schwerpunkte vor den zukünftigen strategischen Entwicklungen. Aber sagen wir mal so: Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine Geburtsklinik in Bremen-Nord dauerhaft bestehen bleibt.

Stradtmann: Eine angenehme Atmosphäre ist für Gebärende, aber auch für Hebammen wichtig. Wir konzentrieren uns auf interne Umstrukturierungen, die der Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs dienen. In der Pflege gucken wir uns zum Beispiel gerade den Bereich der Essensbestellung und -ausgabe an. Das ist eigentlich eine Aufgabe für Service-Kräfte, nicht für Pflegekräfte. Diese Umstrukturierung ist dringend notwendig. Wir können keine Pflegekräfte für die Essensausgabe abbestellen.

Wegen Personalmangel musste das Klinikum in der Pandemie eine Abteilung schließen. Welche war das und bleibt die Abteilung nun aus Kostengründen zu?

Wösten: Ganze Abteilungen wurden nicht geschlossen, nur einzelne Stationen. Das war etwa in der Geriatrie der Fall und die wird jetzt wieder aufgebaut und gestärkt. Wir haben in der Pflege regulär einen Personalschlüssel von 1:10, eine Pflegekraft kommt also auf zehn Patienten. In der Pandemie konnten wir aber nur mit einem Schlüssel von 1:5 rechnen. Das hat sich nun zum Glück wieder entspannt und wir können in den Normalbetrieb gehen.

2022 haben die Nordbremer Beiräte gefordert, dass die Level-II-Frühchenversorgung am Klinikum bestehen bleibt und die kardiologischen Notfälle behandelt werden können. Sind solche Forderungen angesichts der Reformpläne und des Kostendrucks noch realistisch?

Wösten: Wichtig ist erst mal, dass es in Bremen gute Versorgungsstrukturen für Frühgeborene gibt. Medizinisch ist auch hier sicher die Konzentration in Zentren sinnvoll. Aber im Moment gibt es keine neue Entscheidung zu diesem Thema, weder in die eine, noch die andere Richtung.

Wie versorgen Sie aktuell kardiologische Notfälle?

Wösten: Da haben wir eine Kooperation mit einer kardiologischen Praxis vor Ort, sodass wir tagsüber eine kardiologische Versorgung sicherstellen können. Kardiologische Notfälle wie akute und dringend behandlungsbedürftige Herzinfarkte werden in Bremen aber in der Regel im Herzzentrum am Klinikum Links der Weser behandelt.

Die Gesundheitssenatorin hat ein neues Ärztezentrum in einem sozioökonomisch benachteiligten Stadtteil angekündigt. Inwiefern wäre es sinnvoll, ein solches Zentrum in Bremen-Nord anzusiedeln?

Wösten: Das wäre aus Kliniksicht sicher nicht von Nachteil. Es entstünde natürlich eine Konkurrenzsituation zu den Hausärzten, aber wir erleben es fast täglich, dass Patienten zu uns kommen, weil sie keine Hausärzte mehr finden in Bremen-Nord. Und es gibt Berechnungen, nach denen in Bremen in den nächsten drei Jahren noch mal 30 Prozent der Hausärzte in Rente gehen, ohne dass man weiß, wie die ersetzt werden können, weil der Nachwuchs fehlt. Wir haben im ambulanten Bereich noch zu wenig Strukturen, die uns als Krankenhaus helfen.

Stradtmann: Das ist auch etwas, worüber in den Lauterbachschen Plänen zu wenig nachgedacht wird: Wer versorgt den Patienten? Wir haben keine ambulante Pflege.

Die neue Kinderambulanz am Brill hat bereits mehr als 600 Fälle behandelt. Inwiefern bietet das eine Entlastung?

Wösten: Die Kinderambulanz ist von uns circa 30 Kilometer entfernt. Die Einrichtung hat auf Bremen-Nord keine Auswirkungen. Wir haben nicht gespürt, dass es hier weniger Patienten geworden sind. Dennoch war die Kinderambulanz ein guter Zug, um das Versorgungsnetz insgesamt zu entlasten.

Werden Sie aufgrund der Kostensituation 2023 Mitarbeiter entlassen?

Stradtmann: In der Pflege stelle ich alle Mitarbeiter ein, die sich bewerben und die gut sind. Ich werde den Teufel tun, jemanden zu entlassen.

Wösten: Personalabbau geschieht bei uns nur über die natürliche Fluktuation – niemand muss Angst haben, entlassen zu werden.

Das Interview führte Patricia Brandt.

Zur Person

Frank Wösten

Der Internist und Notfallmediziner ist seit 2016 Chefarzt der Zentralen Notaufnahme und seit 2020 auch ärztlicher Direktor des Klinikums Bremen-Nord. Der 52-Jährige lebt mit Frau und Tochter im Bremer Gete-Viertel.

Anne Stradtmann

arbeitet seit 2022 als Pflegedirektorin im Klinikum. Zuletzt war sie stellvertretende Pflegedirektorin am Klinikum Oldenburg. Am Klinikum in Nord war die in Bremen lebende Klinikmanagerin zuvor bereits als Klinikpflegeleitung im Einsatz.

Zur Sache

Das Klinikum Bremen-Nord

ist Arbeitgeber für mehr als 900 Mitarbeiter. Das Krankenhaus mit etwa 500 stationären Planbetten und einem hohen Notfallaufkommen ist eines von insgesamt vier Krankenhäusern des kommunalen Klinikverbunds Gesundheit Nord.  

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