Bummel durch Vegesack und die Blase drückt. Gut, wenn einem jetzt ein buntes Schild ins Auge fallen würde. Der rund fünfzehn mal fünfzehn Zentimeter große Aufkleber mit seinen sonnig-orangen Farben kann ein wahrer Lichblick sein. Wer möglichst schnell ein stilles Örtchen aufsuchen muss, darf aufatmen. Wegen der darauf abgedruckten zwei Worte: Nette Toilette. Mit diesem Logo weisen Gastronomien und Geschäfte darauf hin, dass man bei ihnen kostenlos die Toilette nutzen darf – auch wenn man nichts verzehrt. Von der Stadt erhalten die Gastronomen und Geschäftsleute für die Teilnahme an der Aktion im Gegenzug einen Zuschuss für den Unterhalt des stillen Örtchens.
Wer zwischen dem Vegesacker Bahnhof und dem Sedanplatz unterwegs ist, muss allerdings sehr genau hinschauen. Um trotzdem keinen Nette-Toilette-Hinweis zu erblicken. Dafür aber in der Reeder-Bischoff-Straße eine deutliche Aussage an der Eingangstür des Cafes "Kaffeepott": "Keine öffentlichen Toiletten". Die gab es glücklicherweise schon. Im Einkaufszentrum Kontorhaus werden Leute auf der Suche nach einem Klo in den zweiten Stock gelotst. Aber das Zwicken der Blase sollte nicht zu stark sein. Der angeforderte Fahrstuhl nimmt sich Zeit, bevor es nach oben gehen kann. Immerhin – das Warten hat sich gelohnt. Die drei Damen-Toiletten sind alle frei, die Anlage an diesem Vormittag blitzsauber. Was nicht immer der Fall ist, wie eine Nutzerin erzählt, die dort auch schon auf eine verschmutzte Windel gestoßen war. Von dem unerträglichen Gestank ganz abgesehen.
Nur für Kunden
Ansonsten hilft es, zu fragen. In Bäckereien zum Beispiel. Für 50 Cent können sich Passanten bei Meyer-Mönchhof erleichtern, auch wenn sie dort nichts verzehren. "Das klappt gut", berichtet eine Mitarbeiterin. Aber es gibt auch die Kehrseite. Mögen sich Blasendruckgeplagte freuen, wenn sie freien Zugang zu einer Toilette erhalten, kann dieses Angebot sie und das Personal in den Läden zuweilen auch über die Grenze des Zumutbaren führen. Bei der Bäckerei Haferkamp haben sie entsprechende Erfahrungen gesammelt, weshalb man dort nur Kunden auf die Toilette lässt. "Wir hatten zu viel Ärger", schildert Filialleiterin Babette Klein Unappetitliches und spricht von "Kot im Treppenhaus". "Wenn die Leute sich vernünftig benehmen würden", fügt sie hinzu, wäre die Toilettennutzung sicher möglich. Hin und wieder machen sie dort für Kinder und Senioren auch eine Ausnahme.
Andere Geschäfte – die gleichen schlechten Erfahrungen. Der Inhaber eines größeren Cafés in der Fußgängerzone, der dessen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, erzählt, dass sich Kunden schon darüber beschwert hätten, wie jemand die Toilette hinterlassen hat. Da sei von "Schweinestall" die Rede gewesen. "Wie Sau" würde der stille Ort teilweise hinterlassen, sagt ebenfalls Saskia Ziegenhagen, Mitarbeiterin bei Bäckerei Rolf am Sedanplatz. Dort nimmt man von Nicht-Kunden für die Nutzung der Toilette inzwischen einen Euro. Vor allem an Markttagen ist die Bäckerei-Toilette ein gefragter Ort. "Dann ist hier Halli-Galli." Sie habe bemerkt, sagt die Mitarbeiterin, dass das schlechte Benehmen "schlimmer geworden" sei. Zu den Alkoholflaschen, die in den Toilettenräumen zurückgelassen werden, komme zuweilen auch Erbrochenes. Und erst kürzlich, fügt sie hinzu, "hat jemand in der Toilette einen Dildo liegen lassen".
Kontrolle mit Schlüsselsystem
Auf den dritten Blick kommt einem der Nette-Toilette-Aufkleber dann doch noch vor Augen. An der Eingangstür zum Vegesacker Ortsamt. Dafür muss man im Stadthaus am Sedanplatz in die erste Etage. Wen es auf die Toilette drängt, kann dort klingeln. Dann wird die Toilettentür aufgeschlossen. Zwischen fünf und zwanzig Mal am Tag komme das vor, sagt die kommunale Sachbearbeiterin Sabrina Hellmann. Auch sie berichtet von "Vandalismus und versteckten Drogen". Wegen der besseren Kontrolle gibt das Ortsamt den Toilettenschlüssel nicht aus der Hand. "Wir schließen nach der Nutzung wieder ab."
Beim Bürger Service Center in der zweiten Etage finden Besucher während der Öffnungszeiten frei zugängliche Toiletten. Wer sie betritt, ist von Schwarzlicht umgeben. Es wurde eingeführt, weil es in der Vergangenheit Probleme mit Drogenabhängigen gab, lautet die Begründung. Bei Schwarzlicht könnten sie sich keine Spritzen setzen, weil sie die Venen nicht erkennen.
Das Thema Drogen betrifft auch die Toiletten im Bürgerhaus Vegesack. Es komme vor, dass Spritzen liegen bleiben, ist dort zu erfahren. Aber die Haustechniker, berichtet der kaufmännische Geschäftsführer Holger Wenke, würden die Toiletten sehr häufig kontrollieren und darauf achten, dass nichts hinterlassen wurde. Die Geschichten aus dem Örtchen reichen von verstopften Toiletten bis hin zu Entdeckungen mit krasssem Ekelfaktor. So sei es vorgekommen, dass jemand Kot an die Wände geschmiert habe. Auch ein Problem: dass Leute Toilettenpapier klauen. "Und das war nicht zu Corona-Zeiten", fügt der Geschäftsführer hinzu. Oder dass jemand sich in der Toilette für längere Zeit aufwärmt.
Wirklich verhindern lassen sich solche Situationen nicht, sagt Holger Wenke. Ein Schlüsselsystem einzuführen, sei bei rund 500 Besuchern am Tag nicht möglich. "Und es wird von uns erwartet, dass wir öffentliche Toiletten anbieten." Das Bürgerhaus bekomme dafür vierteljährlich eine Kostenerstattung, die aber die tatsächlichen Kosten des Toilettenbetriebs bei weitem nicht abdecken würden. Und es sei auch nicht so, dass die Toiletten im Bürgerhaus immerzu verschmutzt seien, beugt der Geschäftsführer einem falschen Eindruck vor und weist auch auf die tägliche Reinigung durch ein beauftragtes Unternehmen hin. Senioren, Mütter mit Kindern oder Menschen mit Behinderung wüssten es zu schätzen, dass sie im Bürgerhaus Erleichterung finden, wenn sie in Vegesack unterwegs sind und die Blase drückt.