Aesculus Hippocastanum, Gemeine Rosskastanie – vier an der Zahl, alle ungefähr 110 Jahre alt und um die 15 Meter hoch. Sie reihen sich auf dem Gelände der Strandlust direkt an der Vegesacker Uferpromenade. So steht es in einem Gutachten. Und auch, dass sie wegmüssen. Nicht sofort, aber in absehbarer Zeit. Die eine Hälfte in zwei bis drei Jahren, die andere in vier bis fünf. Mit der Folge, dass sich das Grundstück des früheren Hotels deutlich verändern wird, nicht nur wegen des geplanten Neubaus.
Die Ergebnisse der Analyse sind keine Woche alt. Max Zeitz hat sie in Auftrag gegeben, nachdem Landschaftsgärtner vor Ort waren. Der Projektentwickler sagt, dass die Fachleute eigentlich nur sagen sollten, welche Baumpflege – die erste seit Jahren – notwendig wird. Am Ende machten sie mehr: Sie stellten fest, dass es den vier Kastanien schlechter geht als anderen Bäumen, sodass neue Experten eingeschaltet wurden: Stadtplaner vom Bauamt und Sachbearbeiter für Baumschutz von der Umweltbehörde. Beide Seiten verständigten sich darauf, dass Zeitz eine fachliche Bewertung durch Sachverständige einholt.
Zuvor hatte es Gespräche und eine Begehung gegeben. Die Kastanien sind nämlich nicht irgendwelche Bäume. Sie sind Bestandteil des Bebauungsplans für das Gebiet. So sagt es Zeitz. Und auch René Kotte. Nach Abgaben des Bauamtschefs war das Treffen mit Vertretern des Projektentwicklers und der Umweltbehörde Mitte Januar. Das Ressort von Senatorin Kathrin Moosdorf (Grüne) hatte Maren Semela geschickt. Sie wird verständigt, wenn es im Bremer Norden um Fragen zum Baumschutz auf Flächen geht, die so sind wie bei der Strandlust: privat. Beide Behörden kündigen an, die Expertise nun zu prüfen.
34 Seiten ist sie lang. Die Baumsachverständigen kommen bei allen vier Kastanien zu einem ähnlichen Schluss: Dass ihre Vitalität eingeschränkt ist. Es gibt nur noch einen Wert, der schlechter ist, als die Gutachter vergeben haben. In diesem Fall sind die Bäume absterbend und müssen in der Regel zügig gefällt werden. Was den Rosskastanien zu schaffen macht, haben die Fachleute nicht nur aufgeschrieben, sondern auch fotografiert. Es gibt Bilder, die zeigen abgestorbene Rindenpartien, Totholz, Spechtlöcher, Risse in Ästen, Wunden im Stamm, Pilzbefall, Bohrmehl, Faul- und Leckstellen.

Neue Strandlust, alte Bäume: Auf dem Entwurf der Architekten sind die Kastanien mit abgebildet.
Und sie haben dokumentiert, dass mit den Bäumen über Jahre nicht so behutsam umgegangen worden ist, wie man mit ihnen hätte umgehen können. An einigen Stellen sind Schrauben im Holz zu sehen, Kabelschellen und Stromleitungen, die inzwischen Furchen im Stamm gebildet haben. Alles in allem gehen die Fachleute davon aus, dass die beiden mittleren Kastanien deutlich geschädigter sind als die beiden äußeren – und dass ihre sogenannte Reststandzeit deshalb geringer ist als bei den anderen. Den einen geben sie noch maximal drei Jahre, den anderen maximal fünf.
Und bei allen muss sofort gehandelt werden. Nach Auffassung der Gutachter sind sämtliche Kronen zu stutzen – und gibt es bei manchen Bäumen noch mehr zu tun als das. Zum Beispiel bei Kastanie Nummer eins, die am weitesten vom Gebäude der Strandlust entfernt steht. Bei ihr haben die Sachverständigen einen Ast ausgemacht, der so kaputt ist, dass er zur Gefahr für Passanten werden könnte. Er ragt über den Zaun hinaus, der das frühere Hotelgrundstück von der Promenade trennt. Bei Baum drei müssen nach Einschätzung der Experten außerdem abgestorbenen Verzweigungen entfernt werden.

Will die Bäume so lange stehen lassen, bis Gutachter sagen, dass es länger nicht mehr geht: Projektentwickler Max Zeitz.
Laut Projektentwickler Zeitz soll mit den Arbeiten so schnell wie möglich begonnen werden. Und jeder der vier Bäume so lange stehen bleiben, bis die Gutachter sagen, dass es länger nicht mehr geht. In einem Jahr wollen sie wiederkommen. Dann ist der nächste Kontrolltermin und wird die alte Strandlust weg und die neue zur Baustelle geworden sein. Ist die fertig, kann es sein, dass die ersten, vielleicht aber auch alle Kastanien gefällt sind – und Ersatz für sie gepflanzt ist. Wie es Zeitz' zufolge mit den Behörden vereinbart worden ist.