2023 gab es den ersten Inklusionstag im Bremer Norden, jetzt gibt es den zweiten – mit Verspätung. Die Veranstalter wollen an diesem Sonnabend nachholen, was sie ursprünglich im Vorjahr geplant hatten: Vorträge und Diskussionen über Behinderungen, die man nicht sehen kann. Um psychische Störungen soll es gehen, um Sucht und darum, wie Menschen seelisch gesund werden können. Zuvor ist eine Demo geplant. Und hinterher die Eröffnung einer Anlaufstelle, die von den Mitstreitern seit Längerem vorbereitet wird.
Dass bei der zweiten Auflage des Fachtages die Psyche im Mittelpunkt stehen soll, hat für Frank Schurgast einen simplen Grund. Der Programmplaner und Co-Vorsitzende des Vereins Inklusion Nord spricht von immer mehr Facetten seelischer Belastungen. Und von immer mehr Menschen, die mental belastet sind. Nach seinen Zahlen hat inzwischen jeder Vierte in Deutschland mal unter seelischem Druck gestanden und ist jeder Neunte tatsächlich erkrankt und dauerhaft oder immer mal wieder in Behandlung von Therapeuten.
Der Vegesacker Inklusionstag soll beide zusammenbringen – Betroffene, die Hilfe brauchen, und Menschen, die helfen können. Zu den Referenten gehören deshalb Ärzte und Fallmanager. Aber auch Politikerinnen sowie Funktionäre. Zum Beispiel Heike Heubach, die erste gehörlose Bundestagsabgeordnete. Zum Beispiel Arne Frankenstein, Bremens Landesbehindertenbeauftragter. Mit dabei sind außerdem Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer sowie Katharina Kähler, behindertenpolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion.

Programmplaner und Co-Chef beim Verein Inklusion Nord: Frank Schurgast.
Und alle wollen sich dafür einsetzen, dass psychische Probleme genauso behandelt werden wie körperliche. Auch darum geht es beim Fachtag: um Anerkennung von Leiden. Wie ME/CFS. Das Kürzel steht für Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom – eine immunologische Erkrankung, die zu körperlicher Behinderung führen kann. Bei der Vegesacker Veranstaltung ist dazu ein Seminar geplant. Und einen Tag vorher eine Demo auf dem Marktplatz in der City. Zwei Stunden soll sie dauern und um 15 Uhr starten.
Für Schurgast ist der Protest so etwas wie ein ungewöhnlicher Auftakt zum Inklusionstag. Und der Ablauf der geplanten Diskussionen bei der Vegesacker Veranstaltung etwas Neues. Die Debatten sollen nämlich keine mit einem Podium und einer Bühne werden wie beim ersten Mal, sondern nach einer Methode erfolgen, die der Programmmacher und Co-Vereinschef Fishbowl- oder Goldfischglas-Methode nennt: Die Stuhlreihen für die Teilnehmer sind kreisförmig angeordnet, in der Mitte sollen die Referenten sitzen.
Es ist nicht das Einzige, was die Veranstalter verändert haben. Auch der Takt, in dem es den Inklusionstag geben soll, ist inzwischen anders. Anfangs war die Veranstaltung jedes Jahr vorgesehen, nun spricht Schurgast davon, dass zwischendurch immer ein Jahr pausiert werden soll. Ihm zufolge hat das mit dem Aufwand für die Planungen zu tun, auch dem finanziellen. Weil nicht sicher war, ob genug Geld von Sponsoren für den Fachtag zusammenkommt, ist er 2024 abgesagt worden. Laut Schurgast kostet die zweite Auflage rund 15.000 Euro.
Trotzdem hat sich der Inklusionsverein etwas geleistet, was er vorher nicht hatte: eine Anlaufstelle für Beratungen. Bürgermeister-Wittgenstein-Straße 2 lautet ihre Adresse. Es ist die vom Teilhabetreff der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Bremen. Schurgast und seine Mitstreiter werden Untermieter. Ab April wollen sie vor Ort sein.