Nicht jeder Einzelhändler in der Vegesacker Fußgängerzone fühlt sich in seinem Geschäft noch sicher. Zunächst schien es so, als wenn dafür die Zunahme an Diebstählen ursächlich ist. Doch nach einem gemeinsamen Austausch sieht es so aus, als würden andere Probleme im Vordergrund stehen.
Dass es mehr Straftaten in der Vegesacker Fußgängerzone gibt, bestätigte Jan Müller. "Die Entwicklung können wir über unsere Vorgangsbearbeitungssysteme live verfolgen", sagte der Abteilungsleiter Nord-West der Bremer Polizei während der Sitzung des Vegesacker Beirates am Montagabend. Aufschluss gibt aber auch die polizeiliche Kriminalstatistik. Demnach gab es 2023 mehr Delikte als 2022. "In diesem Jahr fällt die Steigerung aber sehr moderat aus", so Müller. "Die Zahl der Straftaten scheint sich auf diesem Niveau zu etablieren." Zu diesem Ergebnis komme er nach einer Auswertung für das erste Quartal 2024. "Wir werden das weiter im Blick haben und die Gesamtsituation zeitnah betrachten", versicherte der Abteilungsleiter.
Straftaten zur Anzeige bringen
Damit die Polizei aber tätig werden kann, ist sie auf die Mithilfe der Betroffenen angewiesen. Wer also Opfer einer Straftat wird, sollte sie auch anzeigen. "Dann können wir ableiten, was wir tun müssen", sagte der Beamte. Aus der Bevölkerung heraus gebe es den Wunsch, dass die Polizeipräsenz erhöht wird. "Das ist aber in vielen Fällen nicht das Zielführende", schilderte er. "Stattdessen arbeiten wir lieber täterorientiert, an Brennpunkten oder an Serien." So sei die Polizei deutlich erfolgreicher – auch wenn die Arbeit damit im Stadtbild nicht auffalle.
Darüber hinaus ist die Polizei aber auch präventiv tätig. "Wir haben intern Programme, die wir mit unseren Kontaktdiensten umsetzen", erläuterte Müller. "Die Beamten suchen dann betroffene Orte und Personen auf. So können wir am meisten erreichen." Erst kürzlich hat die Polizei an einem Treffen teilgenommen, das das Vegesack Marketing organisiert hat. Das stand unter dem Motto "Sicherheit, Sauberkeit und öffentliche Ordnung" und versteht sich als erster Aufschlag, um die Probleme der Fußgängerzone anzugehen. "Das interessante für uns ist das, was bei der Veranstaltung herauskam: Treiber für dieses Unsicherheitsgefühl sind weniger die Straftaten, sondern vor allem Bettelei, Müll und Obdachlose", sagte Müller.
Jörn Gieschen berichtete dem Beirat, dass bei der Veranstaltung gefragt wurde, was man gegen Obdachlosigkeit tun kann. "Oft nächtigen die Menschen in den Hauseingängen", sagte der Geschäftsführer vom Vegesack Marketing. Weil die Privatgrund seien, könne weder die Polizei noch das Ordnungsamt etwas machen. "Es sei denn, die Eigentümer gestatten das Campieren nicht und üben ihr Hausrecht aus", schilderte er. Das müsse der Polizei jedoch schriftlich mitgeteilt werden. Ein entsprechendes Formular werde gerade vorbereitet und an die Eigentümer gesandt. Sobald die das Dokument ausgefüllt zurückgeschickt haben, könnten die Beamten auch etwas unternehmen. Zeitgleich werde geschaut, welche alternativen Aufenthaltsorte man den Obdachlosen nennen kann.
Rechtliche Grenzen
Thomas Kötteritzsch wies allerdings auf rechtliche Grenzen hin. "Wenn der Bettler mit seiner Dose in der Fußgängerzone sitzt, dann darf er das", sagte der Leiter des Vegesacker Polizeireviers. Nicht gestattet sei hingegen aggresives Betteln. Doch das passiere nur sehr selten im Bremer Norden. "Ob es der Bettler, der Obdachlose oder der Alkoholiker ist: Auch diese Menschen gehören zur Gesellschaft", betonte er. "Einige Probleme lassen sich nicht so einfach lösen, wie manche sich das wünschen."
"An jeder Ecke in der Vegesacker Fußgängerzone werde ich angebettelt", schilderte Ines Schwarz (CDU). Darunter leide auch ihr Sicherheitsgefühl. "Wenn wir Vegesack nach vorne bringen wollen, ist die Situation nicht unbedingt förderlich", sagte Schwarz. Sie schlug vor, darüber nachzudenken, ob man den Obdachlosen nicht ein Angebot in einer der leer stehenden Immobilien im Stadtteil machen kann.
Das Thema Obdachlosigkeit war aber nicht das einzige Thema der Veranstaltung. Genauso wurde auch über Kriminalität gesprochen. Hierzu habe die Polizei entsprechende Statistiken präsentiert. Die waren für Gieschen sehr wichtig. "Mir wird die Diskussion zum Teil zu apokalyptisch geführt", sagte er. "Man hat manchmal das Gefühl, die Delikte hätten sich verdoppelt, verdreifacht oder gar vervierfacht." Natürlich sei Kriminalität ein Problem, das auch zugenommen habe. Die Statistik der Polizei habe die Diskussion aber wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht. "Dadurch ergibt sich die Hoffnung, dass gewisse Ängste auch gemindert werden können", so Gieschen.
"Fühle mich sicher"
Thorsten Michaelis schloss sich seinen Worten an. "Ich fühle mich als Einzelhändler in Vegesack sicher", sagte der Inhaber des gleichnamigen Lederwarenfachgeschäfts an der Gerhard-Rohlfs-Straße. Vor vier Wochen hätten Unbekannte erfolglos versucht, in sein Geschäft einzubrechen. Den gleichen Fall habe er zuletzt vor 25 Jahren gehabt. "Wenn so etwas alle 25 Jahre passiert, dann kann ich damit leben", schilderte er.
Der Beirat will sich nach der Sommerpause noch einmal mit dem Themenkomplex befassen. Dann soll auch das Ordnungsamt zu den Problemen in der Fußgängerzone Stellung nehmen. Das hat es am Montagabend nicht getan. Trotz Einladung des Ortsamtes hatte die Behörde keinen Vertreter nach Vegesack entsandt.