Das Pinökel ist eine Institution in Vegesack. Sie gilt als Lieblingskneipe von Jan Böhmermann und erfreut sich auch bei vielen anderen Nordbremern großer Beliebtheit. Doch im vergangenen Jahr wurde die Kneipe geschlossen. Seit dem 1. April hat sie mit Markus Podehl wieder einen neuen Pächter, der nun an sechs Tagen in der Woche hinter dem Tresen steht.
Eigentlich wollte der gebürtige Nordbremer die Kneipe schon im April wieder eröffnen. Doch das Coronavirus machte ihm einen Strich durch die Rechnung. „In der ersten Zeit gab es weder die Erlaubnis für Tresen- noch für Stehplätze. Da habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und erst einmal renoviert“, erzählt Podehl. Alles in allem habe die Renovierung vier Monate gedauert. „Es ging jeden Morgen um acht Uhr auf die Baustelle bis abends um zehn. Zwischendurch habe ich vier Tage Ruhe gehabt“, sagt der Gastronom, der die Arbeiten in Eigenregie gemeinsam mit einem Freund erledigt hat.
Durch die Renovierung sei der Raum insgesamt größer geworden, da das Podest, auf dem früher Bands spielten, herausgerissen werden musste. „Das war nicht der Plan. Wir haben eineinhalb Monate mit dem Podest im Hinterkopf renoviert. Aber es ließ sich einfach nicht erhalten“, sagt der 55-Jährige. Zum einen sei die Bühne eine Stolperfalle gewesen. Zum anderen hätten die Heizkörper über Jahrzehnte geleckt, wodurch das Mauerwerk porös und der Boden aufgequollen war. „Da hat der Hausbesitzer zu uns gesagt: 'Reißt das Ding heraus'“, so Podehl.
Auf Livemusik will er aber trotzdem nicht verzichten. „Ich habe ganz bewusst die Gewerbeanmeldung so gestaltet, dass ich eine Schankwirtschaft mit Musikdarbietung habe, wie es im Fachterminus heißt“, so Podehl. Doch aufgrund der Corona-Pandemie will er noch ein wenig warten, bis er das erste Konzerte im Pinökel organisiert.
Neben Musik wird es künftig auch wieder einen Dartautomaten geben. „Ganz viele Gäste haben gefragt, ob man hier wieder spielen kann“, erzählt er. Nachdem die pandemiebedingten Vorgaben Dartspiele in Kneipen wieder erlaubten, soll der Automat nun zeitnah aufgestellt werden.
Auf Personal verzichtet Markus Podehl derzeit allerdings noch. "Das ist eine One-Man-Show. Ich stehe hier sechs Tage die Woche alleine, weil ich Angestellte im Moment einfach nicht bezahlen kann", so der Nordbremer. So kümmert er sich nicht nur um die Buchhaltung, sondern putzt die Kneipe auch selbst. Arbeit nennt er seine Tätigkeit im Pinökel aber trotzdem nicht. "Das ist meine Leidenschaft und Gastronomie empfinde ich als meine Berufung. Ich arbeite nicht, ich lebe nur und übe die Tätigkeit aus, die mir am meisten Spaß macht, sagt Podehl, der in Heidelberg Jüdische Studien und Theologie sowie Alte Geschichte und Religionswissenschaften in Berlin studiert hat. Abgeschlossen hat er sein Studium allerdings nicht, genauso wie seine Ausbildung zum Restaurantfachmann.
Geboren wurde Makus Podehl im Hartmannstift, wuchs aber in Lemwerder auf. Trotzdem fühlte er sich auch weiterhin mit Vegesack sehr verbunden, weil seine Großmutter hier lebte. „In Lemwerder gab es kein Freizeitheim und keine Kneipen, wo Jugendliche reingelassen wurden“, sagt er. Deshalb zog es ihn regelmäßig nach Vegesack, auch ins Pinökel. „Hier wurde vor 40 Jahren die Weltrevolution geplant. Man kam hier rein und sah eigentlich nur das, was wir heute alternative Leute nennen. Es waren die letzten Ausläufer der 68er, die hier zu sehen waren“, erinnert sich Podehl. „Schon damals fand ich das Pinökel einfach hinreißend.“
Heute steht er nicht mehr vor dem Tresen, sondern dahinter und schenkt Biere, Wein und alkoholfreie Getränke aus. „Es gibt hier vier Biere vom Hahn und das fantastische Moorbier, ein dunkles Vollbier mit etwas mehr Alkohol. Schmeckt aber sehr süffig und ölig“, berichtet er. Daneben bietet er auch Flaschenbiere und Spirituosen an. Zudem hält er auch ein paar Knabbereien für seine Gäste parat. Essen servieren darf er hingegen nicht. „Das Pinökel ist eine Raucherkneipe und in Raucherkneipen ist es nicht erlaubt, Essen anzubieten. Nur abgepackte Knabbereien sind gestattet“, sagt Podehl.
Zum Pinökel gehören nicht nur Getränke, sondern auch Gespräche. „Mit mir kann man fast über alles diskutieren“, sagt er. Ob Allgemeinwissen, Politik, Geschichte oder Religion, Podehl kann in vielen Bereichen etwas zur Diskussion beitragen. „Die Themen entstehen von selbst, aber ich rede am liebsten über Politik, Religion und Geschichte, weil ich denke, darin sind die großen Fragen der Menschheit verborgen“, ist er sich sicher.
Im Laufe der Jahre hat Markus Podehl in vielen gastronomischen Betrieben gearbeitet, zuletzt in einer Schulmensa in Berlin. Doch dort sah er keine Zukunft mehr. Zudem gab es mit seiner Wohnung Probleme. „Ich habe in einem Bezirk gewohnt, der vor zehn Jahren noch unpopulär war und nun knallhart gentrifiziert wird. Meine Hausverwaltung hat mich noch mal angesprochen und mich gefragt, ob ich nicht gegen ein kleines Entgelt doch ausziehen möchte“, erzählt Podehl. Also entschloss er sich, zurück in die Heimat zu gehen und googelte kurzerhand „Gaststätte pachten Bremen-Nord“. Dabei stieß er unter anderem auf eine Anzeige, die kaum Details enthielt. „Durch eine Recherche bin ich dahinter gekommen, das es sich um das Pinökel handelt. Ich habe gedacht, dass kann doch nicht sein, dieser Laden ohne Pächter?“, erzählt Podehl. „Ich war ja nicht einmal darüber informiert, dass die Kneipe geschlossen war.“ Also hat er sich auf die Anzeige gemeldet und sich direkt mit dem Verpächter getroffen. Kurze Zeit später hatte er den Pachtvertrag in der Tasche.
Auch wenn er in seinem Leben schon viel herumgekommen ist, will er Vegesack und das Pinökel nicht mehr verlassen. „Ich mache mir alles schön, dass ich hier irgendwann sterben kann“, sagt Markus Podehl. „Die Leute werden mich hier die nächsten 15 Jahre verknusen müssen.“
Weitere Informationen
Das Pinökel an der Albrecht-Poppe-Straße 2 ist von Montag bis Sonnabend ab 17 Uhr geöffnet. Sonntags ist Ruhetag. Telefonisch ist die Kneipe unter 04 21 / 67 30 15 13 zu erreichen.