2019 ist für die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung St. Theresienhaus ein spannendes Jahr. Mit einem neuen Eltern-Kind-Projekt in Blumenthal dockt der regionale Träger gewissermaßen an seine Wurzeln an, die neue Geschäftsstelle wird eingeweiht und der langjährige Leiter Christoph Pietsch gibt seine Aufgaben in jüngere Hände ab. Das soll alles gefeiert werden. „Ich finde das gut“, sagt er, „ich stehe auf Rituale“. Wenn etwas beginnt, muss das seiner Meinung nach auch gefeiert werden.
Ursprünglich hatte das St. Theresienhaus seine Zentrale an der Weserstraße. Hier war alles unter einem Dach. Ganz früher in der Geschichte der Einrichtung war hier auch das Säuglings- und Mütterheim ansässig, die Wurzel gewissermaßen. Gesellschaftliche Veränderungen und damit einhergehend neue moderne Konzepte führten 2007 zu der Aufgabe des Domizils mit vielen Angeboten.
Es ging weg von der Zentralisierung zur Dezentralisierung. Das St. Theresienhaus hat inzwischen sieben unterschiedliche kleine Einrichtungen in Bremen Nord und sieben im Kreis Osterholz. Auch inhaltlich hat sich im Laufe der Jahre vieles verändert. Heute heißt es: „Ambulant kommt vor stationär.“ Großheime seien schon lange nicht mehr zeitgemäß, sagt Pietsch. Außerdem solle durch eine Unterbringung in Wohngruppen in den Stadtteilen eine Stigmatisierung der Bewohner verhindert werden. „Die Philosophie ist, Familiensysteme so zu stärken, dass Kinder und Eltern wieder miteinander auskommen und zueinanderfinden“, erklärt er weiter. Es soll nicht so weit kommen, dass gar nichts mehr geht. Das St. Theresienhaus leistet erzieherische Hilfe. Die Angebote des Kinder- und Jugendhilfeträgers sind so zugeschnitten, dass die Hilfen für Kinder und Jugendliche überwiegend nicht entfernt vom Zuhause erfolgen, also ambulant und teilstationär. Unter anderem gibt es Betreuung nach der Schule mit Mittagessen, Hausaufgabenhilfe und einem Freizeitangebot. Die Kinder und Jugendlichen gehen abends wieder nach Hause. Zudem werden die Eltern einbezogen. Bei auffälligen Kindern und Jugendlichen sind sogenannte heilpädagogische Tagesgruppen zuständig. Die Einrichtung organisiert auch Besuchskontakte bei getrennt lebenden Eltern und bietet sozialpädagogische Familienhilfen an.
Fast 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen gehen nach einer Krise wieder in die Familie zurück, wenn es passt", erzählt Christoph Pietsch. Eine Trennung von Kindern und Eltern läge der Einrichtung fern, deren Träger die Stiftung katholische Kinder- und Jugendhilfe im Bistum Hildesheim ist. Das St. Theresienhaus kümmert sich auch um geflüchtete junge Menschen. In Grohn leben geflüchtete Mädchen in einer Wohngruppe an der Färberstraße, in St. Magnus sind es minderjährige Jungen, die unbegleitet geflüchtet sind.
Die Dezentralisierung der Angebote unter anderem in Wohngruppen funktioniere sehr gut. Allerdings wird mit der neuen Geschäftsstelle Grohner Markt 5 doch wieder für die Verwaltung der Einrichtung mit ihren unterschiedlichen Teams und insgesamt 153 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eine neue Zentrale geschaffen. Vorher war die Geschäftsstelle an der Diedrich-Stein-Straße im ehemaligen Pfarrhaus von St. Willehad untergekommen. Hier war auch die Inobhutnahme-Stelle für Kinder- und Jugendliche in Notsituationen. „Es wurde zu klein“, begründet der Leiter des St. Theresienhauses den Umzug auf das 1996 ersteigerte Grundstück in Grohn. Es gehörte einst der Firma Windhorst.
Pietsch hat inzwischen die Erfahrung gemacht, auch wegen der kurzen Wege, dass eine zentrale Verwaltung unter einem Dach für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als Anlaufstation wichtig ist. Nun lautet das Motto der Einrichtung: dezentral betreuen, zentral verwalten. Die offizielle Einweihungsfeier für das neue Domizil wird es am 8. März mit geladenen Gästen, darunter auch Sozialsenatorin Anja Stahmann, geben.
Zu den Wurzeln geht es gewissermaßen auch bei dem neuen Projekt an der Fresenbergstraße in Blumenthal zurück, aber ganz anders als zu der Zeit, als Mütter mit ihren Kindern im Theresienhaus an der Weserstraße in einem Heim wohnten. „Es soll niemals wieder so eine Großeinrichtung geben. Das ist doch kein lohnenswerter Lebensort für junge Menschen“, lautet die Einstellung des Theresienhaus-Leiters. Heute heißt das Projekt „Eltern-Kind-Gruppe“. Das Gebäude, in dem sich das Pfarrbüro von St. Marien befindet – es zieht ins Gemeindehaus um – wird zu sieben Appartements für junge Mütter, darunter auch minderjährige, umgebaut.
Sie können hier mit ihren Kindern wohnen, eigenständig ihr Leben führen, aber betreut. „Sie dürfen hier erwachsen werden“, erläutert Pietsch. Den jungen Müttern werden „Möglichkeiten an die Hand gegeben, wie sie ihren Weg gehen können“. Das Team des Theresienhauses steht hilfreich zur Seite, zwingt aber nichts auf. Rund um die Uhr wird sichergestellt, dass die Versorgung der Kinder gut klappt. Pietsch rechnet damit, dass Anfang 2020 Einweihung gefeiert wird.
Davor schon, Ende 2019, werden Abschied und Neuanfang gefeiert. Christoph Pietsch geht dann mit 65 Jahren in den Ruhestand. „Irgendwann muss man loslassen“, sagt er. Man müsse den Mut haben, auf junge Leute zu setzen. Er hat in der 43-jährigen Fachbereichsleiterin Martina Ulrich die geeignete Nachfolgerin gefunden. Darum zieht er sich beruhigt zurück. „Sonst könnte ich nur schwer gehen.“ Ihm ist bewusst, dass sie die Aufgabe anders als er machen wird. Das stört ihn nicht im Geringsten. Von Generation zu Generation ändere sich etwas. Das empfindet er als richtig. „Man muss die jungen Leute unterstützen, selber ihre Erfahrungen zu machen.“
Vom Fürsorgeverein zum modernen Jugendhilfe-Träger
Das St. Theresienhaus wurde 1927 vom Katholischen Fürsorgeverein Bremen gegründet. Der Ausgangspunkt war ein Heim für Mütter und Säuglinge an der Weserstraße Vegesack. Laut Informationen auf der Internetseite entsprechen die heutigen Leistungen im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien den aktuellen Lebenswelten.
Zum inhaltlichen Hintergrund heißt es: Das Selbstverständnis unserer pädagogischen Arbeit gründet auf einem christlich-humanistischen Welt- und Menschenbild. Der Mensch verfügt unseres Erachtens über schöpferische Kräfte, die ihn befähigen, sich selbst zu entfalten. Zwischenmenschliche Beziehungen und soziale Verantwortlichkeit sind für die seelische Gesundheit und Selbstverwirklichung unverzichtbar. Das Ziel sei, Kindern, Jugendlichen und deren Familien Unterstützungsangebote und neue Perspektiven auch vor dem Hintergrund sich verändernder gesellschaftlicher Anforderungen zu bieten. „In der Zusammenarbeit mit Kindern, Jugendlichen und deren Familien bieten wir ein ‚Lernen am Modell‘. Dazu gehört ein ausgewogenes Verhältnis von Nähe und Distanz sowie dem Angebot von Freiräumen und Grenzen.“