Das Bild mit der großen Sechs fällt sofort auf. Die freundlich-fröhlichen Pastellfarben wirken leicht und unbeschwert. Beim Näherkommen ist zu erkennen, dass die Collage aus farbigen Puffreis-Drops besteht. Und dass der Hintergrund ernst ist: „Alle sechs Sekunden stirbt auf der Welt ein Mensch an den Folgen von Diabetes“, ist zu lesen. Die Künstlerin Petra von Seggern stellt kritische Fragen zum süßen Thema.
„Zucker ist eine Bedrohung. Man braucht ihn, aber ein bewusster Umgang ist wichtig“, sagt Petra von Seggern. „Zuckerflut. Ertrinken wir im Zucker?“, so der Titel ihrer Ausstellung, die im Kunstkeller des Heimatmuseums Schloss Schönebeck zu sehen ist. Collagen, Retuschen, Acrylmalerei und Installationen – in verschiedenen Techniken widmet sich Petra von Seggern, die unter anderem als Mediengestalterin, Kommunikationswirtin und Kunsttherapeutin tätig ist, dem Thema. Die unterschiedlichen Exponate sollen Raum zum Nachdenken geben und ein größeres Bewusstsein für den Verzehr des „weißen Glücklichmachers“ schaffen.
Ein süßes Thema – ebenso kritisch wie kunstvoll aufgegriffen. Mal nähert sich die Nordbremerin ihrem Sujet fast spielerisch, mit einem Augenzwinkern, dann wieder drastisch. So wird in einer Installation eine kühle Partyszene in Weiß- und Silbertönen mit Diskokugel und Cocktailgläsern dargestellt. Doch das weiße Pulver, das mit einer Kreditkarte auf der Spiegelfläche zusammengeschoben wird, ist kein Kokain, sondern Zucker. Die süße Droge. An der Wand daneben ein Totenkopfsymbol aus Zuckerwürfeln auf alarmrotem Grund. Und aus vielen bunten Zuckertütchen, wie sie im Café zum Cappuccino gereicht werden, hat die Nordbremer Künstlerin eine alles verschlingenden Flutwelle gestaltet.
Ein Preis für den Sugar Chair
Auch der „Sugar Chair“, der schon in der Atelierkate Lesum zu sehen war und dort im Wettbewerb „Verrückte Zeiten“ den zweiten Preis gewann, soll auf die gesundheitlichen Gefahren, die durch den alltäglichen Zuckerkonsum hervorgerufen werden, aufmerksam machen. Viele bunte Fäden verhindern, dass jemand versehentlich auf dem „Sugar Chair“ Platz nimmt. „Das macht ihn zu einem Objekt, das den Betrachter zum aktiven Stehen auffordert, um der übermäßigen Kalorienzufuhr entgegenzuwirken“, erläutert Petra von Seggern.
Für eine weitere Collage hat sie Menschen im Alter von sechs bis 78 Jahren gefragt: „Woran denkst du als erstes beim Begriff Zucker?“ Es tauchen Wörter auf wie „Zuckerwatte, Kluntje, lecker, Jahrmarkt, Nostalgie“, aber auch „Hüftgold, Karies, ungesund, Diabetes Typ 2“. Die Menschen wüssten durchaus, dass zu viel Zucker ungesund sei, aber es schmecke doch so gut. Und manchmal sei den Personen gar nicht bewusst, welche Mengen „versteckten Zucker“ sie konsumieren. So zeigt unter anderem eine Installation, wie viel Zucker in manchen Lebensmitteln enthalten ist. Zu sehen sind mehrere Supermarkt-Produkte – und daneben die enthaltene Menge Zucker in Zuckerwürfeln. Eine allseits bekannte Nuss-Nougat-Creme bringt es bei 750 Gramm auf erschreckende 140 Zuckerwürfel. Aber auch eine Dose Tomatensuppe hat immerhin 16 Zuckerwürfel in sich.
Der Wunsch: Weniger Zucker
„Es bleibt zu hoffen, dass die korrekte Angabe von Zucker als Inhaltsstoff in Lebensmitteln zukünftig noch transparenter dargestellt wird, um die kostenintensiven gesundheitlichen Folgen für uns alle zu reduzieren. Andere Länder sind da schon viel weiter“, so Petra von Seggern. Noch besser wäre es natürlich, wenn gar nicht erst so viel Zucker verwendet würde. „Während stetig auf Fettreduzierung durch die Verwendung von Lightprodukten hingewiesen wird und die Werbung immer neue Marketingideen hervorbringt, um für schmale Kurven zu sorgen, ist die einfachste Form der Kalorieneinsparung, die Vermeidung von Zucker in Lebensmitteln, immer noch ein Thema, dem viel zu wenig Beachtung geschenkt wird“, so Petra von Seggern.
Den Abschluss der Ausstellung bildet ein kleiner Zucker-Zen-Garten. „Hier kann man entspannt durch den Zucker harken und nochmals über alles nachdenken“, sagt Petra von Seggern mit einem Augenzwinkern. Seit 2008 engagiert sie sich ehrenamtlich im Heimatmuseum Schloss Schönebeck. „Und nun freue ich mich natürlich riesig, dass ich jetzt selbst hier ausstelle.“