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Turboprojekt Bürohaus in der Überseestadt: Richtfest nach zehn Tagen

Zehn Tage hat es nur gedauert, bis in der Bremer Überseestadt ein Bürohaus mit vier Etagen errichtet wurde. Einmalig ist auch die computergestützte und hybride Bauweise.
03.09.2019, 19:43 Uhr
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Bürohaus in der Überseestadt: Richtfest nach zehn Tagen
Von Jürgen Hinrichs

An diesem Mittwoch ist Richtfest, ganz normal, wenn die Arbeiten am Rohbau beendet sind. Dann wird ein bisschen gefeiert, der Polier sagt seinen Spruch auf, und am Kran hängt ein Kranz. In der Überseestadt geschieht das fast jede Woche, dort wird überall gebaut, ein regelrechter Boom. Was also ist so besonders an dem Richtfest? Es ist die Zeit. Das Bürohaus mit seinen immerhin vier Etagen und einer Bruttogeschossfläche von 3200 Quadratmetern, die Tiefgarage nicht mitgerechnet, ist in nur zehn Tagen hochgezogen worden. Ein kleines Wunder, das erklärt werden kann. Da waren keine Heinzelmännchen am Werk, auch keine Armada von Bauarbeitern, die rund um die Uhr schuften musste. Es waren stattdessen der kluge Plan, die ausgefeilte Technik und minutengenaue Logistik. Ein Haus als Just-in-time-Produkt.

Der Investor hat ein großes Ding daraus gemacht. Deutschlandpremiere, schrieb er in seiner Einladung zur Grundsteinlegung. Das war eine Übertreibung, denn woanders gab es solche Projekte bereits, nur in Bremen noch nicht. Er schrieb, dass bis zum Richtfest 14 Tage verstreichen werden, nur 14, so rasant. Aber auch das war nicht richtig, dieses Mal hatte er untertrieben und nicht gewusst, nicht einmal geahnt, dass es noch schneller geht.

Gebäude bekommt digitalen Zwilling am Computer

Der Clou ist die Vorbereitung. Das Gebäude wird zunächst am Computer errichtet, es bekommt einen digitalen Zwilling. Dieses Ebenbild ist Grundlage für einen derart detaillierten Ablaufplan, dass bis zur kleinsten Schraube jedes Element erfasst, produziert und verbaut wird. Zuerst passiert das virtuell, dann in der Praxis. Zuerst ohne Helm auf dem Kopf, dann besser mit Helm, denn was da jeden Tag über den Arbeitern einschwebte, hatte Tonnengewicht.

Wände und Decken wurden wie beim Lego spielen einfach zusammengesteckt. Die einzelnen Module aus einem Fertigteilwerk in Wiefelstede waren so bestückt, dass kaum noch etwas fehlte. Die Fenster schon drin, die Leitungen für Heizung und Klima auch. Deshalb mussten die Arbeiter, 35 insgesamt, die in zwei Schichten von sechs Uhr morgens bis 20 Uhr am Abend auf der Baustelle waren, nur noch zusammenfügen, was zusammengehört.

Sebastian Hauptreif staunt selbst, wie sehr in den zehn Tagen alles ineinandergegriffen hat. „Wir hatten aber auch Glück“, räumt der Oberbauleiter ein, „Wetter und Transport, beides optimal.“ Die Bauteile wurden direkt vom Laster zum Haus gehievt und dort sofort montiert. Keine Lagerhaltung – just in time. „Von außen kommt noch Dämmwolle drauf, zum Schluss die Blechfassade“, erklärt Hauptreif. Das Dach wird begrünt.

Weniger CO2-Emissionen

Der Bau ist ein Hybrid. Holz wird mit Beton kombiniert, was unter anderem den Vorteil hat, dass der Boden weniger Gewicht tragen muss – im Vergleich zur herkömmlichen Stahlbetonbauweise nur die Hälfte. Weil die Gebäude leichter sind, müssen sie nicht mehr so aufwendig gegründet werden. Ein weiterer Aspekt sind die CO2-Emissionen. Nach Angaben des Investors reduzieren sie sich um bis zu 80 Prozent pro Quadratmeter Nutzfläche.

Das Projekt zwischen Hafenstraße und Konsul-Smidt-Straße trägt den Namen „Handwerkerhaus“. In Auftrag gegeben hat es der Bremer Multi-Unternehmer Kurt Zech. Er lässt verschiedene Gewerke seiner Baufirma in das Haus einziehen. Zech ist, wie so oft, Auftraggeber und Auftragnehmer in einer Person. Im vergangenen Jahr übernahm er Anteile am österreichischen Holz-Hybridbau-Pionier Cree, der das „Handwerkerhaus“ konzipiert hat.

Die Vorarlberger haben sich dem Bauen im System verschrieben. Prozesse und Konstruktionen sind standardisiert und computergestützt. Vor dem ersten Spatenstich will Cree den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes abbilden, Abbruch und Wiederverwertung inbegriffen. „Warum bauen wir Gebäude immer noch wie Prototypen?“, fragen die Österreicher auf ihrer Homepage, „Prototypen bergen hohe Risiken – finanziell, terminlich und im Ergebnis. Warum leistet sich eine fortgeschrittene Industriegesellschaft Einweghäuser, die nach Gebrauch nutzlos sind?“

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Das Gebäude in der Überseestadt soll Anfang kommenden Jahres komplett fertig sein. Ein Tempo, das Neugierige anlockt: „Wir hatten auf der Baustelle manchmal mehr Besucher als Handwerker“, berichtet Hauptreif. Das „Handwerkerhaus“ ist die Referenz für weitere Projekte dieser Art. Zwei Aufträge haben Cree und Zech bereits an Land gezogen. Sie werden für Siemens in Erlangen bauen und in Berlin die Deutschlandzentrale des Energieversorgers Vattenfall errichten. Beides hat ein Volumen von mehr als 100 Millionen Euro. Der Hybrid-Modulbau, möglich sind Häuser mit bis zu 30 Etagen, ist heute zwar noch deutlich teurer als die üblichen Bauverfahren, weil Holz mehr kostet als Beton, dafür spart der Bauherr aber an der Bauzeit.

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