Es hat alles nichts gebracht: Weder die Info-Abende noch die gut gemeinten Aktionen und Kampagnen. Nicht die freundlichen Ermahnungen und auch nicht die weniger freundlichen. Vertreter und -innen von Elternschaft und Polizei redeten am Dienstagabend vor dem Waller Bildungsausschuss Klartext: Vor der Grundschule an der Melanchthonstraße muss schnell etwas geschehen, bevor Schlimmeres passiert. Es müssen Lösungen gefunden werden, um den Bring- und Abholverkehr in der engen Straße mit ihrem 90-Grad-Bogen zu unterbinden.
Denn mit den bisherigen Maßnahmen konnte man die rücksichtslose und uneinsichtige Fraktion unter den Eltern nicht erreichen. Der Ausschuss wird nun die zuständigen Behörden auffordern, temporäre Sperrungen anzuordnen, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen sind. Verbesserungen werden zudem für das Umfeld der Grundschule an der Überseestadt gefordert.
Schon seit mindestens drei Jahren beschäftige sich der Waller Beirat mit der Verkehrssituation in der Melanchthonstraße, erinnerte sich Sitzungsleiter Ingo Wilhelms aus dem Ortsamt West. „Wir haben alles versucht, was wir tun können”, bestätigte Schulelternsprecherin Jennifer Kahl. Zuletzt mit einem mehrere Seiten umfassenden Brandbrief an die verantwortlichen Stellen – ohne sichtbaren Erfolg. Vor und nach dem Unterricht werde die kleine Straße beidseitig von den sogenannten Elterntaxis befahren und zugeparkt, Halteverbote würden konsequent ignoriert, der Verkehr in den angrenzenden Straßen komme zeitweise vollständig zum Erliegen.
Die zuständige Kontaktpolizistin habe kürzlich innerhalb von zehn Minuten zehn Verweise erteilt. Verstärkt habe sich auch die aggressive Stimmung, sagte Kahl und berichtete von Lehrerinnen, die von abholenden Eltern angeschrien würden, und von zwei weiblichen Mitarbeiterinnen des Ordnungsamts, die bei ihrem Einsatz vor der Schule derart angegangen worden seien, dass sie sich von zwei männlichen Kollegen ablösen ließen.
Sie selbst habe kürzlich nach Schulschluss einen Vater angesprochen, der mit laufendem Motor vor dem Schultor wartete. „Die Situation eskalierte”, berichtete die Wallerin. Der Mann habe gedroht, handgreiflich zu werden. Die Kinder, die hinter dem Schulzaun Zeugen des Vorfalls wurden, seien völlig verschreckt gewesen. „Es ist eine Katastrophe”, schloss Kahl. „Man kommt sich manchmal vor wie in einem Actionfilm.“
Der motorisierte Bring- und Abholverkehr beschäftige viele Schulen, nicht nur in Bremen, wusste die Waller Revierleiterin Kirsten Dambek. Doch auch aus Sicht der Polizei sei die Situation rund um die Melanchthonstraße extrem. Angesichts der dünnen Personaldecke habe sie alle Achtung dafür, was die zuständige Kontaktpolizistin vor Ort leiste. Doch auch sie könne nicht zu allen Zeiten vor der Schule präsent sein, so Dambek. „Wir brauchen Zusatzkräfte.”
Mit Info-Aktionen und im Dialog mit Schulen, Eltern und Behörden versuche die Polizei, eine Einsicht zu fördern. „Kinder können definitiv nichts fürs Leben lernen, wenn sie vor der Schule abgekippt werden”, so die Revierleiterin. Doch man mache die Erfahrung, dass eine zunehmende Zahl von Eltern nicht zu überzeugen sei. „Der Egoismus greift um sich.” Im Falle der Melanchthonstraße habe die Polizei diverse Vorschläge an die Verkehrsbehörde gerichtet, die bislang nicht umgesetzt worden seien. Dazu gehöre die Umwidmung zur Einbahnstraße, die vom Amt für Straßen und Verkehr ohne Begründung abgelehnt worden sei, ergänzte Oliver v. Ritz-Lichtenow, Verkehrssachbearbeiter im Waller Revier.
Ausschusssprecherin Caren Emmenecker (Linke) sprach von einer dramatischen Situation. Bärbel Schaudin-Fischer (Grüne) verstand die Ausführungen als Hilferuf. Weil Appelle an die Vernunft offensichtlich nicht ausreichten, erinnerte sie an den Koalitionsvertrag, der die Durchsetzung absoluter Halteverbote vor Schulen und Kitas vorsehe, und sich die Einführung von „Schulstraßen“ vornehme, die zu Bring- und Abholzeiten gesperrt würden. Die Melanchthonstraße biete sich als Modellschule an, so Schaudin-Fischer.Als Option für diejenigen Eltern, für die es keinen anderen Weg gebe als ihre Kinder mit dem Auto zu bringen, brachte FDP-Vertreter Marco Juschkeit das Angebot von „Kiss and Go”-Flächen ins Spiel. In anderen Städten gebe es bereits solch speziell eingerichtete Haltestellen, die nur dafür gedacht sind, Schulkinder sicher aus- und einsteigen zu lassen.
Eine Sperrung der Straße sahen die SPD-Vertreterinnen Nicoletta Witt und Barbara Schwenen kritisch: Man müsse auch an die Anwohner denken, die auf die Verfügbarkeit ihrer Autos angewiesen seien, hieß es. Der Ausschuss beschloss dennoch, die Senatorinnen für Bildung und Mobilität sowie das Amt für Straßen und Verkehr aufzufordern, das Modellprojekt „Schulstraße” an der Melanchthonstraße einzuführen.
Mit Besorgnis wurde zudem die Schulwegsituation vor der neuen Grundschule in der Überseestadt betrachtet. Der Ausschuss wird das Amt auffordern, dem Durchgangsverkehr mit speziellen „Achtung Kinder”-Warnschildern deutlich zu signalisieren, dass besondere Vorsicht geboten ist. Mittelfristig müsse zudem eine andere Route für den Schwerlastverkehr geplant werden. Die Waller Bildungsbeauftragten gehen davon aus, dass auch der Waller Bauausschuss in seiner Sitzung Anfang Dezember den politischen Druck verstärken wird.