- "Jetzt hier"
- Skatepark
- Blaue Karawane
- Kulturenwerkstatt
- Hafen-Klönschnack
- Überseewiese
- Und was sagt die Stadtplanung?
Improvisieren und mit wenig Mitteln was Tolles auf die Beine stellen: Wie das geht, das macht seit 2013 das „Golden City“ vor – eine aus Resten zusammengezimmerte temporäre Hafenbar, die in der Überseestadt gestartet ist und nach zwei Jahren in Woltmershausen voriges Jahr dorthin zurückkehrte. Im Programm: Konzerte, Lesungen, Musiktheater und regelmäßige Talk-Veranstaltungen, die das Golden City zu einem besonderen Ort mit einer wichtigen sozialen Funktion machen.
Die Bar bringt Leben ins Quartier – und zwar aus freien Stücken und nicht etwa in offizieller Mission. „Wir haben unseren Auftrag, den wir für uns empfinden, bisher nur von uns selber“, sagt nämlich die Diplom-Kulturpädagogin, Autorin, Musikerin und Moderatorin Frauke Wilhelm ("Ramona Ariola"), die das Projekt initiiert hat. Gemeinsam mit der Schauspielerin und Regisseurin Nomena Struß alias "Ramon Locker" will sie dabei von jeher vor allem eines: dem neuen Loft- und Businessstyle im alten Hafenquartier mit ihrem Golden City bewusst etwas Lebendiges entgegensetzen.
Nun wollten es die beiden mal wieder wissen. „Wie lebendig ist die Überseestadt?“ hatten sie ihren Nachbarschafts-Talk in der Bar am 20. Juli überschrieben. Die These, mit der sie in den Abend starteten: „Von alleine kommt die Lebendigkeit nicht ins Quartier. Es gibt aber ganz viele Leute, die dran arbeiten.“
"Jetzt hier"
Zum Beispiel Svenja Weber vom Verein Kultur vor Ort, die im Januar das Büro für Quartiersentwicklung „Jetzt hier“ im Erdgeschoss des Gewoba-Gebäudeensembles Überseegärten am Kommodore-Johnsen-Boulevard 19 eröffnet hat. Seitdem ist die Soziologin mit einem Master-Abschluss im Bereich Stadt- und Regionalentwicklung dabei, über verschiedene Aktionen Jung und Alt, Familien und Singles, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund mit zusammenzubringen. Es wurde schon gemeinsam Müll gesammelt, gepflanzt und Geschirr zum Ausleihen für das Quartier gestaltet, das von allen ausgeliehen werden kann. Weber organisiert Trödelmärkte, ein Nachbarschaftscafé und das Nachbarschaftsforum. Gerade bereitet sie ein großes Picknick auf dem Kommodore-Johnsen-Boulevard am 20. August vor (wir berichteten). Webers Vision: „Möglichst viele Menschen dazu inspirieren, das Quartier mitzugestalten und ihre Bedarfe in die Planungen einfließen lassen – jetzt ist noch die Möglichkeit dazu!“ Das Büro für Quartiersentwicklung wird über das Programm „Lebendige Quartiere“ vom Sozialressort gefördert.
Skatepark
Mit rund 800 Jugendlichen feierte der Verein Sportgarten im Sommer 2011 auf einer 25.000 Quadratmeter großen Fläche schräg hinter dem Landmark-Tower die „Brachländparty“. „Da war nichts“, erinnert sich Ulli Barde vom Sportgarten. Nach einem mehrjährigen Prozess sei dort schließlich der Skatepark gebaut worden, etliche Jugendliche konnten ihre Ideen und Wünsche bei der Planung einbringen. Die im Juli 2014 eröffnete Anlage bietet Flächen für Fußball, Skaten, BMX, Parkour, zum Tanzen und auch zum Chillen. Rechtzeitig zum Winter soll Barde zufolge eine Flutlichtanlage installiert werden und mittlerweile gibt es mit Helal Omar auch einen Pädagogen, der sich vor Ort um das Angebot kümmert. Bis Mittel dafür da waren, hat es gedauert. Das Stadtteil-Budget für die Jugendarbeit reichte anfangs nicht. Seit 2020 gibt es einen im Sozialressort angesiedelten Fördertopf für Angebote mit stadtteilübergreifender Strahlkraft wie den Skatepark.
Blaue Karawane
Auch die Akteure der Blauen Karawane standen vor einigen Jahren in einer Sandwüste am heutigen Kommodore-Johnsen-Boulevard: Im August 2010 träumten sie in einem großen Bambuszelt davon, dort einmal ein inklusives Wohnprojekt zu verwirklichen. „Der Architekt, der dabei war, hat nicht geglaubt, dass das klappt“, erzählt der Karawane-Mitbegründer und Waller Psychiater Klaus Pramann. Über den kürzlich verstorbenen Bauunternehmer Klaus Hübotter entstand 2012 Kontakt zur Gewoba, wodurch das Projekt Fahrt aufnahm: Im Sommer 2019 zogen die ersten Bewohner in die 84 Wohnungen ein. „Wir wollen als Blauhaus-Projekt ein Ort für ein bewusstes Aufeinander-Zugehen sein“, unterstreicht Simone Scheidl, die seit Januar gemeinsam mit Fitz Dennig die Veranstaltungen in der „Blauen Manege“ koordiniert. „Wir brauchen in Zukunft ein neues Café“, sagt Pramann außerdem.
Kulturenwerkstatt
Imme Gerke ist promovierte Biologin und hat ab 1980 in der Schweiz, in Afrika und in Kanada gelebt. 2015 kam sie zurück in ihre Heimatstadt Bremen und hat mit ihrem Mann Jacques Drolet an der Konsul-Smidt-Straße direkt neben dem Landmark-Tower die Kulturenwerkstatt eröffnet: Eine Art „öffentliches Wohnzimmer“, in dem sich seither verschiedenste Menschen treffen. Warum Gerke unbedingt in die Überseestadt wollte? „Ich habe das Gefühl, hier ist der Aufbruch angekommen.“
Hafen-Klönschnack
Imme Gerke engagiert sich auch beim Hafen-Klönschnack: Der Verein lädt regelmäßig Prominenz aus Wirtschaft und Politik ein, um über die aktuellen Entwicklungen im ehemaligen Hafenquartier zu diskutieren. Für Anfang August ist dort ein „Business Walk“ durch die Überseestadt geplant.
Überseewiese
Gelegentlich ist Imme Gerke auch auf der Überseewiese anzutreffen – einer Freifläche, die die Gewoba bis Herbst 2023 von der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) als temporären Quartiersplatz für die Nachbarschaft gepachtet hat. Soeben hat Gerke dort ein Projekt mit Sozialwissenschaftlerin Brenda Berning realisiert, die ich seit September im Auftrag der Überseekirche als Quartiersmanagerin um die vordere Überseestadt kümmert: Mit Unterstützung von Mädchen und Jungen aus dem Kinderhaus Hafen haben die beiden eine Friedenstreppe gebaut. „Die kann man jetzt mit Kollegen, Nachbarn, Partnern oder Kindern ausprobieren“, so Gerke.
Und was sagt die Stadtplanung?
Im Jahr 2010 ging die Stadt von 12.000 Arbeitsplätzen und 2700 Einwohnern in der Überseestadt aus – heute von 24.000 Arbeitsplätzen und 12.000 Einwohnern: Dass viele Menschen in der Überseestadt wohnen möchten, habe sich erst im Laufe der Jahre gezeigt, erinnert Stadtplanerin Georgia Wedler aus der Baubehörde: „Wir haben also viel nachzujustieren.“ Wedler ist überzeugt: Die Stadt wird mit der Entwicklung der Überseeinsel viel gewinnen. Noch seien außerdem viele Lücken in der Überseestadt zu füllen, so Wedler, die sich über die verschiedenen Projekte im Quartier freut: „So was kann man nicht planen. Man kann nur die Lücken lassen, damit so etwas entsteht.“