Ein Ausstellungs- oder Museumsbesuch kann eine ziemlich trockene Angelegenheit sein. Exponate hinter Sicherheitsglas, schweigende Statuen, respektvolle Stille. Und bloß nichts anfassen! Die Museen hatten die Deutungshoheit darüber, wie man die Exponate zu verstehen hatte. Aber das Konzept von Ausstellungen als Einbahnstraße bloßer Wissensvermittlung für mehr oder weniger mündige Besucher bröckelt schon seit geraumer Zeit.
„Viele Museen stehen heute vor der Aufgabe, neue Zielgruppen anzusprechen. Dafür brauchen sie eine andere Haltung den Besuchern und Besucherinnen gegenüber. Eine Ausstellung sollte also nicht nur ein Ort zum Betrachten und Staunen sein, sondern nahbar und aktivierend“, meint Carsten Dempewolf, einer von vier Geschäftsführern der 1994 gegründeten Bremer Kommunikationsagentur Gruppe für Gestaltung (GfG).
Der Begriff der Gruppe im Namen wurde damals bewusst gewählt, da man sich als Zusammenschluss von mehreren Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Kenntnissen verstanden hat. „Es war von Anfang an eine disziplinübergreifende Zusammenarbeit mit Grafikdesign, Innenarchitektur und Mediengestaltung unter einem Dach“, erklärt Dempewolf, der selbst über die Architektur in den Bereich Ausstellungen kam.
Aus diesem Pool an Disziplinen, welche die GfG neben crossmedialen Kampagnen, Webseiten und Markenentwicklung natürlich auch heute noch anbietet, habe sich der Fokus auf Ausstellungen fast natürlich entwickelt. „Das entspricht schon unserem Gründungsgedanken“, sagt Dempewolf beim Interview in einem der großen Showräume der Agentur im Gebäude der Alten Feuerwache in der Bremer Überseestadt.
Man sitzt also selbst seit 2005 an einem geschichtsträchtigen Ort, der sich aus seiner maritimen Vergangenheit gelöst und der Dienstleistungs-Zukunft zugewandt hat. Vielleicht hat man sich bei der GfG auch deshalb bei Ausstellungen und Gedenkstätten zu einem Hidden Champion gemausert, dessen Erfahrung und Wissen inzwischen bundesweit nachgefragt sind. Prominente Beispiele wären etwa „Der mobile Mensch“ – eine Gemeinschaftsausstellung von Bremer Unternehmen mit dem Universum oder „Die Schlacht bei Minden 1759 – Fakten, Fiktionen, Forschungen", eine Laborausstellung im Mindener Museum.
Thematisch bewegt sich die GfG also zwischen Vergangenheit und Zukunft und greift immer wieder Fragen auf, „die wir als Gesellschaft künftig verhandeln und beantworten müssen“, wie es Marthe Trottnow erklärt, die bei der Agentur für Contentdesign und Storytelling zuständig ist. „Es geht oft um Megatrends wie Mobilität, natürliche Ressourcen oder die Zukunft der Arbeit, die sich dann auch im Medium Ausstellung fortsetzen."
Große Themen also, die aber von den insgesamt etwa 50 Mitarbeitern der GfG oft detailverliebt und mit Präzision umgesetzt werden. In einem Materialraum im ersten Stock des alten Gebäudes finden sich in Regalen bis zur Decke Hunderte von Farb- und Druckmustern, Carsten Dempewolf zeigt die Exponate stilisierter Werder-Trikots für eine Ausstellung mit Bremen-Bezug.
Ein weiteres Exponat namens „Das künstliche Blatt“ wurde für das Helmholtz-Forschungszentrum entwickelt. Es besteht aus einem Holzsockel und mehreren hintereinander montierten Glasscheiben und soll am Beispiel der Photosynthese eines Blattes die Forschung zur Gewinnung grünen Wasserstoffs möglichst einfach darstellen. „Wir wollten einen niedrigschwelligen Einstieg ermöglichen und komplexe Inhalte einfach darstellen. Gleichzeitig sollte aber auch so viel Tiefe da sein, dass sich auch ein Fachpublikum dafür interessiert“, erklärt Nadine Ahlers, die das GfG-Team für das Exponat leitete. Die klimafreundliche Energiegewinnung der Zukunft – ein bedeutsameres Thema dürfte es auch für Ausstellungsmacher zurzeit kaum geben.
So setzen auch größere Wirtschaftsunternehmen in den vergangenen Jahren zunehmend auf Ausstellungen als Vermittlungsformat. „Die wissen schon länger, dass klassische Schulungen nicht so gut ankommen. Als Beispiel nennt Carsten Dempewolf einen großen Bremer Automobilhersteller, der seinen Mitarbeitenden mit einer interaktiven Ausstellung das Thema Arbeitssicherheit näherbrachte.
„Wir fräsen uns in die Themen unserer Kunden rein. Das ist fast wie Übersetzen. Und wenn wir es nicht verstehen, verstehen es die Besucher wahrscheinlich auch nicht“, sagt Trottnow über die teilweise sehr komplexe inhaltliche Arbeit bei Ausstellungsprojekten der GfG.
Neben klassischen Museen gehören auch Forschungseinrichtungen zunehmend zu den Kunden der Bremer Agentur. Aktuell arbeitet man mit dem Internationalen Maritimen Museum Hamburg (IMMH) und einem Verbund von Forschungsinstituten zum Thema Tiefsee. „Seit einiger Zeit geht es auch darum, die Arbeit der Ausstellungshäuser mehr zu erklären, den Blick hinter die Kulissen zuzulassen und Objekte aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten“, sagt Carsten Dempewolf über den verstärkten Vermittlungsauftrag zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Das sei schließlich auch der Auftrag der Häuser, die oft über Steuergelder finanziert würden.
Viele dieser Häuser sehen Ausstellungen mittlerweile als Form des wissenschaftlichen Publizierens ihrer Forschungsergebnisse und auch der Besuchsforschung. Aus welchem Milieu kommen die Menschen? Sind es Akademiker oder will man auch Leute erreichen, die vielleicht nicht unbedingt sonntags ins Museum gehen?
Denn Fakt ist laut Dempewolf auch: Trotz aller neuen Vermittlungsformate gehen immer noch hauptsächlich Bildungsbürger ins Museum. Um auch andere Menschen zu erreichen, kreiert man interaktive Formate, die visuell zugänglich sind und an denen die Besucher Spaß haben.
Ein Weg zu mehr Beteiligung und Wissensvermittlung durch Unterhaltung ist das Storytelling mit eigens entwickelten Personen als Identifikationsfiguren, die die Menschen durch die Ausstellung begleiten und die Geschichte der Exponate auf persönliche Weise erzählen. Marthe Trottnow drückt es so aus: „So werden die Besuchenden selbst zu Forschenden und dabei geht es oft weniger um Antworten als darum, neue Fragen zu stellen."