Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Pflege und Bewässerung Wie sich der Klimawandel auf Bremens Straßenbäume auswirkt

Der Klimawandel sorgt dafür, dass Straßenbäume nach der Anpflanzung länger Pflege benötigen. Früher kamen sie nach drei bis fünf Jahren ohne zusätzliche Bewässerung zurecht, heute dauert das länger.
07.06.2022, 12:06 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Wie sich der Klimawandel auf Bremens Straßenbäume auswirkt
Von Timo Thalmann

Langsam fährt der Lkw mit dem auf der Ladefläche montierten Wassertank von Baum zu Baum, ähnlich wie ein Müllwagen. Nur wird hier nichts eingesammelt, sondern ausgeteilt. Mindestens einmal pro Woche wird derzeit jeder Baum in der Überseestadt angefahren, um ihm etwa 100 Liter Wasser zukommen zu lassen. "Das Frühjahr war trotz des eigentlich ziemlich nassen Februars unterm Strich schon wieder sehr trocken", sagt Matthias Stahl, dessen Gartenbaubetrieb für die gesamte Grünpflege auf dem Areal zuständig ist und damit auch für die Bewässerung der Bäume.

Ende April haben sie in diesem Jahr damit begonnen, bis Ende Juni sind die Tankwagen noch unterwegs, abhängig vom Wetter. "Die Leute denken immer, wenn im Juli und August die Sonne brennt, müsse man wässern, aber im Grunde ist jetzt die übliche Zeit, um bei Bedarf zu gießen", erläutert der Fachmann. Im Frühjahr sei die Wachstumsphase, da brauchen die Straßenbäume das Wasser. "Wenn es da zu wenig gab, nützt das Wasser im Sommer auch nichts mehr."

Lesen Sie auch

Seit 2014 kümmert sich Stahl im Auftrag von Bremen Ports, dem ehemaligen Hafenamt, um die Grünpflege in der Überseestadt. Anders als im Rest Bremens ist hier nicht der Umweltbetrieb Bremen (UBB) dafür zuständig, sondern weil das alles einmal Hafengebiet war, weiterhin die Hafenverwaltung. Rund 1000 Bäume wurden im Zuge des Umbaus zu einem neuen Stadtteil hier angepflanzt. Stahl ist für ihr Überleben zuständig. Das stand nach seiner Einschätzung in den extrem trockenen Jahren 2018 bis 2020 ziemlich auf der Kippe. "Damals haben wir rund eine Million Liter Wasser im Jahr hier verteilt und wenn wir das nicht gemacht hätten, wären viele Bäume wohl eingegangen", erinnert er sich. Erst 2021 habe es in Sachen Frühjahrs-Niederschlag wieder ein vergleichsweise normales Jahr gegeben.

Bei den Straßenbäumen ist nicht allein die Witterung entscheidend, sondern auch der Umstand, wie dicht Straßen, Parkplätze und Gehwege an sie herangerückt sind. "Schauen Sie doch mal, wie wenig Erde um das Bäumchen herum ist", sagt Stahls Mitarbeiter, als er seinen Wasserschlauch schließt. Die Rasenfläche rund um den Stamm – im Planer-Jargon Baumscheibe genannt – sei fast überall tendenziell zu klein. Selbst wenn es ausreichend regne, könne der Baum darum nur wenig Wasser davon aufnehmen. "Das meiste fließt über die gepflasterten Flächen direkt in den Abwasserkanal."

Ausreichend große Baumscheiben gehören daher zu den Standardforderungen, wenn es um Baumschutz in der Stadt geht. "Zwölf Kubikmeter für Baum und Wurzelwerk sind eigentlich vorgeschrieben", sagt Stahl. Das entspricht zwei mal drei Metern offene Erde bei zwei Metern Tiefe, eindeutig mehr, als viele Straßenbäume in der Überseestadt haben. Als der neue Stadtteil vor mehr als 20 Jahren konzipiert wurde, waren Baumscheiben einfach noch kein Thema.

Die Konsequenz aus zunehmender Trockenheit und häufig zu enger Bebauung: Die Bäume müssen immer länger gewässert werden. Das bezieht sich nicht auf die Dauer dieser Arbeit im jeweiligen Jahresverlauf, sondern auf die Lebenszeit der Bäume. Das gilt nicht nur für die Überseestadt, sondern für ganz Bremen, bestätigt auch Kerstin Doty, Sprecherin des Umweltbetrieb Bremen. Dessen Mitarbeiter und Auftragnehmer sind ebenfalls seit Ende April überall in der Stadt mit Wassertanks unterwegs.

"Im Kern geht es dabei um die sogenannte Entwicklungspflege", erläutert Doty. Neu gepflanzten Bäumen wird dabei in den ersten drei bis fünf Jahren besondere Aufmerksamkeit geschenkt. "In dieser Zeit müssen sie unabhängig vom Wetter regelmäßig im Frühjahr in ihrer Wachstumszeit bewässert werden", sagt Doty. Rund 20 Prozent der mehr als 70.000 Bremer Straßenbäume sind derzeit so jung, dass sie diese Entwicklungspflege genießen. Spätestens nach fünf Jahren sollten die Bäume dann alleine zurechtkommen und auch ein trockeneres Frühjahr aus eigener Kraft bewältigen. "Aber wir haben inzwischen immer mehr Fälle, die wir auch im siebten und achten Jahr nach ihrer Anpflanzung noch wässern müssen, weil sie einfach viel zu langsam wachsen."

Lesen Sie auch

Eine Alternative zu der zunehmenden Bewässerung sind andere Baumarten, die an eine trockenere Witterung besser angepasst sind. Auch das findet sich in der Überseestadt. Rund 70 Gleditschien – auch Lederhülsenbaum genannt – zieren beispielsweise die Eduard-Suling-Straße. Die Gattung ist eigentlich in Nordamerika,  Afrika und Asien zu Hause und hat dann zunächst in Südeuropa Fuß gefasst. Der Klimawandel lässt Gleditschien jetzt auch in Bremen wachsen. Weil sie zudem als Tiefwurzler nicht dazu neigen, mit ihrem Wurzelwerk das Straßenpflaster anzuheben, sind sie bei Stadtplanern inzwischen genauso beliebt, wie ihre Blüten bei den einheimischen Bienen. Allerdings produzieren sie wenig Schatten, denn mittels eher kleiner Blätter und sehr lichtdurchlässigen Kronen trotzen Gleditschien Sonne und Trockenheit. "Bei der Bewässerung macht er in jedem Fall weniger Arbeit", sagt Matthias Stahl.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)