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Straßenserie Mehrere Straßen erinnern an Tannenberg

In Bremen erinnert die Tannenbergstraße an den deutschen Sieg über russische Truppen im Ersten Weltkrieg. Tatsächlich feiern aber auch andere Straßen das Geschehen – und General Paul von Hindenburg.
05.10.2022, 06:00 Uhr
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Mehrere Straßen erinnern an Tannenberg
Von Frank Hethey

Von der Ostpreußischen Straße zweigt die Tannenbergstraße ab, nach knapp 200 Metern setzt sie sich in einem Parzellengebiet fort. Der dortige Kleingartenverein nennt sich Verein der Gartenfreunde Tannenberg. Auf den ersten Blick erscheint Tannenberg als harmloser Ortsname, benannt nach einer Ansiedlung in Ostpreußen. In der Nachbarschaft erinnern weitere Straßen an Örtlichkeiten aus der früheren preußischen Provinz: die Marienburger Straße, die Ortelsburger Straße, die Allensteiner Straße und der Gumbinnenweg. Fast ein Ostpreußenviertel also.  

Doch die scheinbar so unverfänglichen Straßennamen stehen in einem kriegerischen Kontext. Es dürfte kaum ein Zufall sein, dass die einstigen Koppelwege in der Hastedter Feldmark allesamt 1924 ihre Namen erhielten – zehn Jahre nach der Schlacht bei Tannenberg. In den Augen vieler Zeitgenossen war Tannenberg positiv besetzt, als Chiffre für einen glanzvollen Sieg in fast aussichtsloser Lage. Untrennbar verbunden war Tannenberg mit dem Namen des Generals Paul von Hindenburg, der als Reichspräsident den "böhmischen Gefreiten" Adolf Hitler zum Kanzler ernannte.   

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Die Schlacht bei Tannenberg spielte sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs ab. Russische Truppen hatten die Grenze nach Ostpreußen überschritten, südlich von Allenstein trafen deutsche und russische Streitkräfte am 26. August 1914 aufeinander. Zunächst deutete alles auf einen Sieg der Invasoren hin. Doch nachdem Hindenburg und sein Stabschef Erich Ludendorff das Kommando übernommen hatten, wendete sich das Blatt. Im Laufe einer viertägigen Schlacht wurde eine russische Armee eingekesselt. Fast 100.000 Soldaten gerieten in deutsche Gefangenschaft.

Zunächst sprach man von der „Schlacht bei Allenstein“. Auf Betreiben Hindenburgs setzte sich jedoch die Bezeichnung „Schlacht bei Tannenberg“ durch, mitunter war auch von der Schlacht bei Ortelsburg und Tannenberg die Rede – ein geschickter Schachzug, um den Makel der gleichnamigen Schlacht von 1410 zu tilgen. Damals hatte das Heer des Deutschen Ordens gegen die verbündeten Polen und Litauer eine vernichtende Niederlage erlitten. Der bereits 67-jährige Hindenburg erschien seither als geradezu übermenschliche Retter- und Vatergestalt – der Hindenburg-Mythos war geboren. Sogar eine Stadt wurde nach ihm benannt, Bremen wie auch etliche andere Städte ernannten ihn zum Ehrenbürger.

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Zum zehnten Jahrestag der Tannenberg-Schlacht hatte man offenbar das Bedürfnis, die Geschehnisse durch Straßenbenennungen zu würdigen. Und zwar nicht nur durch die Tannenbergstraße. Sämtliche Straßennamen des Viertels weisen einen direkten Bezug zu den damaligen Kriegsereignissen auf. Bei Gumbinnen hatten sich die russischen Invasoren am 19./20. August 1914 die erste Schlacht mit deutschen Truppen geliefert. Die symbolträchtige Ordensburg Marienburg war damals wochenlang das Hauptquartier von Hindenburg und Ludendorff. Abgeschlossen wurde das Areal durch die Hindenburgallee, dessen südöstlicher Teil seit 1953 Beneckendorffallee nach Hindenburgs zweiten Nachnamen heißt. Der verbliebene Teil wurde 1978 in Konrad-Adenauer-Allee umbenannt.

Über die Benennung der Tannenbergstraße erhielt Hindenburg keine Nachricht – das sei "nicht üblich", vermerkt das Senatsprotokoll. Bis heute erinnern in Deutschland zahlreiche Straßen an die gewonnene Schlacht, der konkurrierende Langemarck-Mythos schlug sich bei Weitem nicht in so vielen Straßenbenennungen nieder. Ludendorff konnte indessen schlecht vertragen, dass Tannenberg vorzugsweise mit Hindenburg und nicht mit ihm in Verbindung gebracht wurde. Der unter seiner Federführung 1925 gegründete Tannenberg-Bund kann als Versuch gesehen werden, den historischen Namen für sich zu reklamieren. 

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