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Vorbereitungen für Leichensuche Tietjensee wird abgepumpt

Vier, vielleicht fünf Tage wird es dauern, bis die etwa 35 Millionen Liter Wasser des Tietjensees abgepumpt sind. Erst dann wird es Gewissheit geben, ob der Fall Jutta Fuchs seiner Aufklärung näher kommt.
05.10.2018, 19:00 Uhr
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Von Justus Randt und Nina Willborn

Der Jack-Russel-Terrier und sein Kumpel, ein Labrador-Mix, haben es gut getroffen: Ihr Frauchen, eine Neu-Blumenthalerin, hat den Nedderwarder Weg, unmittelbar hinter der Landesgrenze zu Niedersachsen, zur Lieblings-Gassistrecke auserkoren. „Gestern konnte ich noch mit dem Auto bis an die Weser hinunter fahren“, sagt sie. Am Freitagnachmittag stehen überall Absperrungen, nur Fußgänger und Radfahrer kommen noch über den Deich an den Fluss oder vorbei am Tietjensee. Am Samstagmorgen wird das Technische Hilfswerk (THW) damit beginnen, das Gewässer bis auf seinen schlammigen Grund abzupumpen – auf der Suche nach den sterblichen Überresten der seit 25 Jahren vermissten Jutta Fuchs und einer möglichen Mordwaffe. „Dass die Frau da drin liegt, glaube ich nicht“, sagt die Blumenthalerin.

Sie ist eine der Wenigen, die etwas sagen wollen, einen Tag bevor es losgeht und Medien aus der gesamten Republik vom Ufer des Tietjensees aus über das unglaubliche Vorhaben berichten werden. Ein anderer ist Mitglied des Technischen Hilfswerks, das die vom Landgericht Bremen angeordnete aufwendige Aktion zu stemmen hat.

Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen – noch nicht, denn, dass sei die Absprache zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht und den Akteuren an Ort und Stelle, es müsse Stillschweigen bewahrt werden. Über die Zahl der Helfer, die technischen Mittel, die zum Einsatz kommen sollen und auch über das noch geheimnisvolle Verfahren, mit dem die Fische aus dem See umgesetzt und vielleicht auch die Amphibien gerettet werden sollen.

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"Um die Fische wäre es jedenfalls schade", findet Sebastian Preuß aus Farge. Er ist Angler, allerdings an einem Nachbarsee, diesseits der Bremer Grenze. "Dort gibt es Karpfen, Hecht, Zander, Schleie und Weißfisch. Das könnte im Tietjensee genauso sein", vermutet Preuß. "Dass der ganze See leergepumpt wird, kann ich mir gar nicht vorstellen. Das wird Tag und Nacht zur Sache gehen, mit Festbeleuchtung." Unterdessen bringt das THW flexible Rohrelemente in Position, vor und hinter dem Deich, der blaue Radlader ist ohne Unterlass in Fahrt, bewegt Aggregate und Pumpenteile. "Wir sind alle Ehrenamtliche", sagt der THW-Mann. Und nach drei bis vier Wochen, die wir im Emsland im Einsatz waren, ist bei vielen ein bisschen die Luft raus."

Erst recht bleibt es – bis zum Samstagvormittag – ein Geheimnis, wie es verhindert werden soll, mögliche Beweismittel mit dem Wasser aus dem Tietjensee in die Weser zu pumpen. Ja, selbst welchen Weg das Wasser in die Weser nehmen soll, darf niemand sagen. Auch Rolf-Dieter Thies nicht. Er ist Ortsbrandmeister der Feuerwehr in Neuenkirchen, eines Ortsteils von Schwanewede. Mit 20 Leuten und drei Fahrzeugen hat er die Vorbereitungen zur großen Aktion „flankiert“. Dem THW ist das sehr recht: „Wir haben das Angebot gern angenommen, denn die kennen sich hier aus“, sagt der Koordinator. Und: „Jeder Einsatz ist eine Herausforderung.“ Auf der Tür eines Einsatzautos steht „Raus aus dem Alltag“, der Helfer-Slogan. „Wir verfahren nach dem Lidl-Prinzip: Leben in der Lage, denn so was wie diesen Einsatz kann man nicht trainieren, da ist immer was Neues dabei.“

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Bekannt ist bislang Folgendes: Jutta Fuchs, eine junge Mutter, verschwindet im Juni 1993. Bis heute fehlt von ihr – tot oder lebendig – jede Spur. Die Ermittler gehen davon aus, dass ihr Ehemann die damals 29-Jährige umgebracht hat. Seit Mitte August muss sich der heute 58 Jahre alte Mann wegen Mordes vor dem Bremer Landgericht verantworten. Zu den wichtigsten Beweisen der Staatsanwaltschaft gehören neben Teilen aus einem Auto, bei denen während zweier Überprüfungen Leichenspürhunde angeschlagen hatten, Fundstücke aus dem Tietjensee. Rund ein Jahr nachdem Jutta Fuchs verschwand, fand ein Angler eine mit Steinen beschwerte Tüte. Darin lagen neben Schminksachen der Verlobungsring von Jutta Fuchs und ihre Zahnbürste. Nun hofft die Staatsanwaltschaft, dass nach dem Abpumpen weitere Beweisstücke wie zum Beispiel eine Mordwaffe auf dem Grund des Sees gefunden werden.

Der Tietjensee ist nach dem Mann genannt, der ihn einst angelegt hat. Auf offiziellen Karten hat der See in der Nähe des Weserdeichs bei Schwanewede keinen Namen. Das Gewässer, das die Form eines Rechtecks hat, ist 150 Meter lang, 80 Meter breit und 2,20 Meter tief. Der Plan sieht vor, in den kommenden Tagen etwa 35 Millionen Liter Wasser abzupumpen. Die Fische, die in dem See leben, sollen in ein anderes Gewässer umgesiedelt werden.

Der Eigentümer des Tietjensees, Viktor Walezki, wohnt in der österreichischen Hauptstadt Wien. Er hat den See an den Schwaneweder Angler Mathias Schulz verpachtet. Schon in der Vergangenheit war der See mehrmals durchsucht worden, allerdings hatten die Taucher unter Wasser zu schlechte Sicht für eine gründliche Suche gehabt.

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