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Trauerfeier im Dom „Willi hätte das gefallen“: Bremen nimmt Abschied von Willi Lemke

Am Ende sang die Trauergemeinde "You'll never walk alone": So haben Bremen und die Bremer Abschied von Willi Lemke genommen.
23.08.2024, 17:50 Uhr
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„Willi hätte das gefallen“: Bremen nimmt Abschied von Willi Lemke
Von Marc Hagedorn

Ein ausverkauftes Haus, eine Liveübertragung im Fernsehen, Public Viewing draußen am Domshof, Menschen in grünen und weißen Werder-Trikots aus mehreren Jahrzehnten, und am Ende singt das Publikum den Fußballklassiker „You’ll never walk alone“. „Willi hätte das gefallen“, dieser Satz ist an diesem Tag mehr als einmal zu hören. Die Menschen haben sich in dem Moment aber nicht im Weserstadion versammelt, um Werder anzufeuern, sondern im und am St. Petri Dom. Denn der Anlass für ihr Zusammenkommen ist ein trauriger: Bremen nimmt Abschied von Willi Lemke, der am 12. August völlig überraschend gestorben ist.

Wie gedenkt man eines Menschen, der in die 77 Jahre Lebenszeit, die ihm geschenkt waren, ein Leben gepackt hat, „für das man eigentlich 112 Jahre alt hätte werden müssen“, wie es Oliver Rau ausdrückte. Rau, der als Freund der Familie sprach, fand äußerst bewegende Worte für Willi Lemke, der in seinem Leben mindestens drei große Rollen ausgefüllt hat: Lemke war Familienmensch, zweimal verheiratet, Vater von vier Kindern, Opa. Lemke war Fußball-Manager, und Lemke war Politiker. Alle Seiten dieses schillernden Lebens schienen am Freitag in der Trauerfeier auf.

Über 1000 Menschen im Dom, einige Hundert draußen vor der Leinwand und noch viel mehr am Fernseher und im Internet dürften die rund eineinhalbstündige Feier verfolgt haben, die mit Musik und Chorgesang stimmungsvoll untermalt war. Am Bremer Rathaus und am Schütting wehten die Speckflaggen am Freitag mit Trauerflor. Die Fahnen vor der Bürgerschaft waren auf halbmast geflaggt.

Viele Freunde und Weggefährten waren gekommen. Die Bremer Bürgermeister der vergangenen 39 Jahre: Klaus Wedemeier, Henning Scherf, Jens Böhrnsen, Carsten Sieling und der amtierende Amtsinhaber Andreas Bovenschulte. Frühere und aktuelle Senatorinnen und Senatoren, aus der Bundespolitik Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin und der ehemalige Staatsminister Bernd Neumann, beide mit Wurzeln in Vegesack.

Der frühere Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel brachte den Zuhörern in seiner Rede den Politiker Willi Lemke nahe. Zugewandt und energiegeladen sei Lemke gewesen. Das habe er, Gabriel, schon als junger Lokalpolitiker Anfang der 80er-Jahre erleben dürfen. Eine kleine SPD-Zeitung brachten Gabriel und Genossen zu jener Zeit im Harz heraus, und dafür suchten sie immer prominente Interviewpartner. Warum nicht mal den Werder-Manager Lemke anfragen? Gesagt, getan. „,Wisst ihr, Jungs, kommt mich doch einfach mal besuchen‘, hat Willi gesagt, und Schwupps waren wir im Weserstadion.“ Vor Ort habe Lemke ihnen dann das Gefühl gegeben, „als hätte er den ganzen Tag ausgerechnet auf uns gewartet“.

Pastorin Esther Joas erzählte von Lemkes letzten Stunden: „Sein letzter Tag bei vollem Bewusstsein war ein besonders schöner Tag: Joggen im Bürgerpark mit seiner geliebten Frau, eine kleine Radtour. Dann hat er noch Fotos rausgesucht für seine just am Tag zuvor abgeschlossene Biografie. Bevor er ins Koma fiel, flüsterte er seinem Sohn Lars zu: ,Ich bin immer bei euch. Mein Körper ist nur eine Hülle.‘“

Im Dom war vor dem Altar ein großes Bild von Willi Lemke aufgestellt. Er lächelt auf dem Foto, schaut ein wenig versonnen. In dem Moment der Aufnahme, die neueren Datums ist, wirkt er gar nicht so wie der Tausendsassa Willi Lemke, als den ihn die meisten in Erinnerung haben dürften. Eine schöne Facette. Denn eigentlich kennen ihn die Menschen allerorts doch eher so, wie ihn Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald beschrieb: „Schlitzohrig, gewieft, hanseatisch, ein kluger Mann mit Herz und Haltung. Einer der ganz großen Werderaner.“

Lemke führte den Klub als Manager gemeinsam mit seinem kongenialen Partner Otto Rehhagel, der auch zur Trauerfeier gekommen war, in nie gekannte Höhen. Ein ganzes Seitenschiff füllten Werderaner und Männer des deutschen Fußballs: DFB-Sportdirektor Rudi Völler, DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Borussia-Dortmund-Chef Hans-Joachim Watzke, Ex-Leverkusen-Manager Reiner Calmund, Ran-Erfinder Reinhold Beckmann, Meister-Trainer Thomas Schaaf, frühere Werder-Profis wie Rune Bratseth, Dieter Burdenski, Ailton, Klaus Allofs oder Marco Bode.

„Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Dieser Satz aus dem Matthäus-Evangelium war auf das Deckblatt des Begleitheftes zur Trauerfeier gedruckt. Willi, der streitbar war, heißt eigentlich Wilfried. Das bedeutet der, der Frieden will. Tatsächlich fallen am Freitag mit Blick aufs Lemkes Wirken immer wieder Begriffe wie Respekt und Gerechtigkeit, Solidarität, Fairness und Ehrlichkeit. Man kann sich sicher sein: Auch das hätte Willi gefallen.

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