Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Überfüllung in der Bremer JVA Anstalt am Anschlag

Die Bremer JVA platzt aus allen Nähten. Viel zu viele Gefangene. Das macht den Insassen das Leben noch einmal schwerer.
08.08.2024, 05:10 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Anstalt am Anschlag
Von Jürgen Hinrichs

Es ist ruhig im Knast. Die meisten Gefangenen gehen irgendwo auf dem weitläufigen Gelände der Justizvollzugsanstalt in Oslebshausen ihrer Arbeit nach. Einer der wenigen Männer, die im Zellentrakt geblieben sind, hat den Job, die Duschen zu schrubben. "Können Sie mir mal aufschließen?", fragt er Jörg Köster. Klar doch, kein Problem, Köster hat Schlüsselgewalt. Die Duschen sind im Erdgeschoss, von dort geht der Blick nach oben, vier Etagen, die im offenen Mittelteil mit dicken Netzen voneinander getrennt sind. "Falls jemand runtergeworfen wird oder springt", sagt der stellvertretende Anstaltsleiter. Runterwerfen, springen? Köster erklärt das: "Knast ist kein Spaß, die Gefangenen haben totalen Stress." Gerade bei denen, die neu sind, müsse aufgepasst werden, dass sie sich nichts antun.

Besuch in Haus 3. Das gedrungene Backsteingebäude ist mehr als 100 Jahre alt und war damals als Zuchthaus konzipiert. "Härtere Arbeit, Lagerhaft und kärgere Kost", beschreibt Köster den Unterschied zur Unterbringung in den anderen Häusern der JVA, die teilweise noch älter sind. Heute gibt es den besonders strengen Vollzug nicht mehr, abgesehen von wenigen Hochsicherheitstrakten in deutschen Gefängnissen. "Die Zuchthäuser wurden Ende der 1960er-Jahre abgeschafft", erklärt der Beamte.

Lesen Sie auch

Kommod ist es im Knast damit noch lange nicht. Zumal er in Oslebshausen chronisch überbelegt ist. "Wir sind voll bis unters Dach", sagt Köster. Bei gut 600 Gefangenen müsste eigentlich Schluss sein, um mit einer ordentlichen Reserve manövrierfähig zu bleiben. An diesem Tag sind es Köster zufolge 693. Ein wesentlicher Punkt, der es schwierig macht: Jugend-, Frauen-, U-Haft und Strafhaft dürfen nicht gemischt werden. Werden im Frauengefängnis zum Beispiel ein paar Zellen frei, können sie nicht mit inhaftierten Männern belegt werden.

Wegen der drangvollen Enge sei es bereits vermehrt zu Auseinandersetzungen gekommen, so das Justizressort in einem Brief an die Strafverfolgungsbehörden. Es bestehe das Risiko, dass sich die Haftbedingungen weiter verschlechtern und die Sicherheit und Ordnung innerhalb der Anstalt gefährdet wird. Als Konsequenz hat das Ressort veranlasst, bis Mitte Oktober keine Gefangenen mehr aufzunehmen, die eigentlich in den Knast müssen, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlt haben.

Köster arbeitet seit 31 Jahren in der Bremer Justizvollzugsanstalt. Ihn bringt so schnell nichts aus der Ruhe, auch die angespannte räumliche Situation nicht, die zusätzlich dadurch erschwert wird, dass Haus 1 und Haus 2 bei laufendem Betrieb gerade saniert werden. "Wir werden damit fertig, jonglieren uns durch", sagt der Beamte.

Eines allerdings, meint er, sollte in nächster Zeit besser nicht wieder passieren – dass wie im sogenannten Encrochat-Fall in Bremen Dutzende Drogenhändler verhaftet oder die sogenannten jungen Räuber aus den Maghreb-Staaten vermehrt von der Straße geholt werden. Das sind ganze Banden, für die im Gefängnis im Grunde kein Platz mehr ist. Paradox: Die Erfolge polizeilicher Ermittlungsarbeit lösen woanders Probleme aus.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)