Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Wolfsangriffe "Das ist nicht schön, richtig übel"

Es ist wieder passiert, und dieses Mal hat es gleich 30 Schafe getroffen. Peter Schütte vom Nabu Niedersachsen arbeitet mit den Tierhaltern zusammen und fordert mehr Förderung für den Herdenschutz vor Wölfen.
13.12.2021, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Jürgen Hinrichs

Herr Schütte, 30 tote Schafe, wahrscheinlich war es der Wolf. Können Sie verstehen, dass die Weidehalter voller Zorn sind und den Abschuss fordern?

Peter Schütte: Natürlich kann ich das nachvollziehen. Das ist nicht schön, richtig übel. Sie können sich dieses Ereignis wie beim Fuchs im Hühnerstall vorstellen. Die Panik der potenziellen Opfer löst beim  Angreifer einen Reflex aus, wir nennen es Beuteschlagreflex. Und dann kann es zu solchen Szenen und der großen Zahl von getöteten Tieren kommen.

Die Weide war geschützt, sie hat einen mobilen Zaun, der unter Strom steht und 1,20 Meter hoch ist. Das reicht doch eigentlich, oder?

Wenn der Zaun richtig aufgebaut wurde und genügend Strom hat, ist das ein absolut probates Mittel. Weil ich nicht vor Ort war, kann ich schlecht einschätzen, ob es Schwachstellen gab. Im Prinzip ist es so, dass der Wolf dazu tendiert, unten am Zaun hindurch zu schlüpfen. Dann trifft er idealerweise mit der feuchten Schnauze auf Strom und lernt schmerzhaft, dass es kein Durchkommen gibt.

Lesen Sie auch

Gesetzt den Fall, dass der Schutz ausreichend war – immerhin handelt es sich ja um ein Modellprojekt des zuständigen Deichverbands mit dem Land Niedersachsen: Muss man dann nicht den Schluss ziehen, diesen besonders schlauen Wolf zu töten, damit sich so ein Vorfall nicht wiederholt?

Sofern man das fachgerecht und transparent prüft, wirklich professionell handelt und die Emotionen außen vorlässt, darf es auch aus Sicht von Naturschutzverbänden geschehen, dass man das Tier entnimmt . . .

. . . es tötet.

Ja, und zwar nach dem Naturschutzgesetz, dort sind solche Szenarien vorgesehen. Mit Bejagung hat das nichts zu tun, die ist verboten.

Warum gehen Wölfe eigentlich auf Schafe? Der Tisch ist für die Raubtiere doch auch so schon reich gedeckt.

Das stimmt. Rehe, Hirsche, Wildschweine vor allem, die Frischlinge – davon gibt es mehr als genug, eigentlich zu viel. Je nach Studie wird gesagt, dass die Wölfe sich nur zu 0,4 bis zwei Prozent an Weidetieren bedienen. Der Grund dafür, weil Sie danach fragen, ist schlicht Bequemlichkeit, oder anders gesagt: Gelegenheit macht Diebe. Schafe zu reißen, verlangt den Wölfen weniger ab, wenn sie an die Tiere erst einmal herangekommen sind.

Lesen Sie auch

Womit wir wieder bei den Vorkehrungen gegen Angriffe wären. In den allermeisten Fällen, die im vergangenen Jahr erfasst wurden, waren die getöteten Tiere gar nicht oder nicht hinreichend vor den Wölfen geschützt. Leichte Beute also.

Das ist der Punkt, da liegt der Hase im Pfeffer. Leider gibt es Weidetierhaltende, die noch nicht die angemessene Lösungsorientierung entwickelt haben. Entscheidend ist aber, was sie leisten können, finanziell und personell.

Es gibt Förderprogramme, das Land zahlt doch schon.

Sicher, und das ist sehr löblich. Die Erstanschaffung von Zäunen und Schutzhunden wird zu hundert Prozent übernommen. Das eigentliche K.-o.-Kriterium ist aber der Unterhalt. Da sind die Haltenden schnell am Limit. Die Hunde fressen ihnen die Haare vom Kopf. Und Mobilzäune sind nach drei Jahren durch, wenn sie immer wieder auf- und abgebaut werden. Was dann? Dafür benötigen wir weitere Strategien oder Förderinstrumente.

Zur Person

Peter Schütte (48) ist seit dem Jahr 2010 beim Nabu in Niedersachsen angestellt. Seit 2017 leitet der Diplom-Geograf bei dem Naturschutzbund das Herdenschutz-Programm.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)