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Vulkan-Flüchtlingsprojekt Was die Senatorin erwartet und Bürger wollen

Anja Stahmann (48) ist seit 2011 Sozialsenatorin. Zuvor war sie für die Grünen in der Bremischen Bürgerschaft.
19.02.2016, 00:00 Uhr
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Anja Stahmann (48) ist seit 2011 Sozialsenatorin. Zuvor war sie für die Grünen in der Bremischen Bürgerschaft. Die gebürtige Bremerhavenerin studierte Sozialwissenschaften an der Universität Göttingen. Später absolvierte sie eine Zusatzausbildung als Theaterpädagogin und -therapeutin. Stahmann ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Walle.

Frau Stahmann, gleich werden Sie Fragen von Nordbremern zur früheren Werft-Zentrale des Vulkans beantworten, die seit Monaten zur größten Bremer Flüchtlingsunterkunft umgebaut wird. Warum erst jetzt?

Anja Stahmann: Wir haben schon vor Monaten im Beirat über den Umbau des ehemaligen Verwaltungssitzes zur Zentralen Erstaufnahmestelle gesprochen. Vertreter aus meiner Behörde waren vor Ort, um Fragen zu beantworten.

Und Sie glauben, das reicht bei einem Flüchtlingsprojekt von dieser Dimension?

Wir haben gemerkt, dass es doch ein größeres Informationsbedürfnis im Stadtteil gibt. Deshalb haben wir für diesen Mittwoch ins Vegesacker Bürgerhaus eingeladen, um Rede und Antwort zu stehen. Und um zu erklären, wie so eine Erstaufnahmestelle für 750 Flüchtlinge arbeitet.

Das hätten Anwohner gerne früher gewusst. Es gab eine Kundgebung, auf der Ihre Informationspolitik kritisiert wurde. Was sagen Sie dazu?

Wir sind in guter Übung, wenn wir solche Einrichtungen planen. Wir informieren immer den Beirat, diskutieren die Vorhaben mit dessen Sprecher und der Ortsamtsleitung, informieren auf Veranstaltungen wie an diesem Mittwoch. Und bei denen gibt es immer Befürworter und Gegner. Kritik gibt es immer. Das ist normal.

Wer ist denn normalerweise in der Überzahl: die Gruppe der Befürworter oder die der Kritiker?

Ich würde sagen, dass in Bremen die Gruppe der Befürworter und Unterstützer am stärksten ist.

Und in Bremen-Nord?

Dort hatten wir mehrere Veranstaltungen, auf denen heftig diskutiert wurde. Zum Beispiel, als es mal darum ging, Containerwohnungen aufzustellen. Schon damals kam der Vorschlag von Bürgern auf, das frühere Vulkan-Gelände zu nutzen.

Warum haben Sie das damals abgelehnt?

Weil es uns seinerzeit als eine Nummer zu groß erschien.

Jetzt ist der Vulkan-Bau als Nummer gerade groß genug. Was hat sich geändert?

Wir haben, wenn man so will, mittlerweile eine neue Zeitrechnung. 2008 haben wir deutschlandweit noch 30 000 Flüchtlinge aufgenommen, allein im Vorjahr im Land Bremen 10 274. Das zeigt deutlich, dass wir nicht nur mehr, sondern auch größere Unterkünfte brauchen als bisher.

Die Protestler haben auf ihrer Kundgebung Fragen gesammelt und Ihnen geschickt. Was wollen die Absender wissen?

Sie wollen wissen, welche Institutionen in die ehemalige Vulkan-Zentrale einziehen und wie viele Flüchtlinge. Wie die Abläufe im Haus sein werden und die Versorgung.

Wie viele Fragen haben Sie bekommen, auf die Sie keine Antwort haben?

Da gibt es einige. Ich kann natürlich eine Frage, was im Kopf von Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeht, nicht beantworten. Genauso wenig wie Fragen zur weltpolitischen Lage.

Was haben Sie denn den Absendern bisher beantwortet?

Bisher haben wir noch keine Frage schriftlich beantwortet. Wir wollen erst schauen, welche Punkte wir an diesem Mittwoch auf der Bürgerversammlung klären können. Auf die, die eventuell offen bleiben, werden wir dann schriftlich antworten.

Wie? Werden Sie gleich tatsächlich eine Liste führen und abhaken, was schon beantwortet wurde?

Wir haben die Fragen, die per Post gekommen sind, in Kategorien eingeteilt. So können wir schnell sehen, welche an diesem Mittwoch schon beantwortet werden.

Und was ist mit den Leuten, die Fragen geschickt haben, aber nicht zur Versammlung kommen können?

Es gibt ein Bürgerbeteiligungsverfahren, die Menschen nehmen die Medien zur Kenntnis, und wir werden alle, die ihre Anschrift angegeben haben, auch noch einmal persönlich mit den wichtigsten Informationen versorgen. Das sind übrigens weniger als 20.

Auch Sie haben eine Einladung bekommen. An diesem Mittwoch waren Sie in der früheren Vulkan-Zentrale auf der Baustelle. Wie oft waren Sie schon dort?

Ich war vor Längerem einmal auf dem Gelände und habe mir das Gebäude angeschaut. Jetzt habe ich mir zum ersten Mal die Baustelle angeschaut.

Warum nicht öfter, ist Ihnen das größte Flüchtlingsprojekt dafür nicht groß genug?

Nein, wenn ich alle Baustellen für Flüchtlingsunterkünfte besuchen würde, wäre ich mit nichts anderem mehr beschäftigt. Mitarbeiter meiner Behörde sind regelmäßig vor Ort und berichten mir ebenso oft. Dass ich nicht immer persönlich den Umbau begleiten kann, ist kein Desinteresse.

Wie ist Ihr Eindruck von der Baustelle?

Mein Eindruck ist, dass die Ingenieure, Architekten und Handwerker einen guten Job machen. Einen Bau von dieser Größe zu entkernen, ist eine Herausforderung.

Genauso wie der Zeitplan...

Wir gehen fest davon aus, dass die Notunterkunft zu Beginn des zweiten Quartals fertig wird und die Zentrale Erstaufnahmestelle im September. Alles ist unter einem Dach. Darum ist das Projekt so gut.

Aber nicht unbedingt günstig, oder?

Die Stadt wird das Gebäude mieten, aber nicht zu irgendwelchen Fantasiepreisen. Bremen zahlt einen Quadratmeterpreis, der für Immobilien dieser Art üblich ist.

Und wie hoch ist der?

Wir wollen keine Preisspirale in Gang setzen, deshalb reden wir ungern über genaue Quadratmeterpreise.

Was macht Sie so optimistisch, dass Vegesack 750 Flüchtlinge verkraften kann?

In Bremen-Mitte leben mehr Flüchtlinge als in Bremen-Vegesack leben werden, wenn die Aufnahmestelle eingerichtet ist. Außerdem bauen wir nicht bloß Unterkünfte, sondern passen auch die Infrastruktur in den jeweiligen Gebieten an. Dabei entstehen auch Arbeitsplätze.

Politiker fordern dennoch Hilfe für Vegesack. Welche wird es geben, welche nicht?

Vorhin hatte ich Besuch von Mitgliedern des Vereins ,Wätjens Park’. Sie haben uns angeboten, mit ihnen einen Spielplatz einzurichten...

Die Politiker sprechen nicht von Spielplätzen, sondern von einem neuen Kindergarten, von der Sanierung einer Turnhalle.

Auch das haben wir im Investitionsplan berücksichtigt. Wir werden den Bau eines Kindergartens ebenso prüfen wie die Sanierung der Turnhalle.

Turnhallen suchen Sie nicht mehr, um sie als Notunterkunft zu nutzen, Sie geben sie wieder für den Sport frei. Welche werden wann auf die Turnhalle ,In den Sandwehen’ folgen?

Wir sind jetzt an der Turnhallen ,Lerchenstraße’ dran. Einen Termin kann ich aber noch nicht nennen.

Das Gespräch führte Christian Weth.

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