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Bürgerschaftsdebatte Wie Bremen die hohe Armutsquote reduzieren will

Armut ist das zentrale Thema im aktuellen Lebenslagen-Bericht, den die Bürgerschaft am Donnerstag diskutiert hat. Wo die Probleme in Bremen besonders groß sind und welche Lösungen die Politiker vorschlagen.
12.05.2022, 20:43 Uhr
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Wie Bremen die hohe Armutsquote reduzieren will
Von Felix Wendler

Wie leben die Menschen in Bremen? Wie viel Geld haben sie? Wie ausgeprägt sind soziale Unterschiede und Chancen? Im Dezember hat das Ressort von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) den sogenannten Lebenslagen-Bericht veröffentlicht, der diese Fragen thematisiert. Es ist der dritte Bericht dieser Art – davor waren die Lebensumstände der Bremer und Bremerinnen zuletzt 2015 umfangreich beschrieben worden. Auch der neueste Bericht basiert teilweise auf Daten, die nicht mehr aktuell sind. An anderen Stellen berücksichtigen die Autoren aber beispielsweise auch neue Studien zu Corona-Folgen. Am Donnerstag hat die Bürgerschaft den Bericht diskutiert. Diese Fragen standen dabei im Mittelpunkt:

Wie verbreitet ist Armut in Bremen?

Das Thema Armut dominiert den Bericht in vielen Bereichen – dementsprechend bestimmte es auch die Bürgerschaftsdebatte. "Wir wissen, dass die Armutsgefährdung sich in Bremen stärker ausbreitet als im Bundesdurchschnitt", sagte Sigrid Grönert (CDU). Mehr als 40 Prozent der Bremer Kinder seien von Armut bedroht. SPD-Sozialpolitikerin Birgit Pfeiffer sprach von einer "besorgniserregenden Situation" in bestimmten Stadtteilen. Aus dem Bericht geht hervor, dass im Jahr 2019 im Land Bremen 80.000 Menschen verschuldet waren. Wie an vielen anderen Stellen auch, fehlen neuere Zahlen. Neben anderen Abgeordneten mutmaßte auch die Grünen-Politikerin Sahhanim Görgü-Philipp, dass sich bestehende Probleme durch die Corona-Pandemie eher verschlechtert hätten. Sie verwies darauf, dass man in Bremen deshalb die Schuldnerberatung ausgeweitet und finanziell gestärkt habe. 

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Wo sind die Probleme besonders groß?

Von Armut besonders betroffen seien neben Alleinerziehenden auch kinderreiche Familien, sagte Sofia Leonidakis (Linke). Pfeiffer nannte Altersarmut als weiteres großes Problem, die oftmals eine Folge prekärer Beschäftigungsverhältnisse sei. Leonidakis wies außerdem auf einen Umstand hin, der in der Diskussion mehrfach angesprochen wurde: soziale Ungleichheit innerhalb Bremens. Sie merkte an, dass Haushalte mit Großeinkommen in Schwachhausen 40 Mal häufiger zu finden seien als in Woltmershausen. Grundsätzlich hätten gerade während der Corona-Krise reiche Menschen ihr Vermögen ausbauen können, während die Armutsquote insgesamt gestiegen sei. 

Welche Rolle spielt Bildung bei der Armutsbekämpfung?

Die Grundlage der Armutsbekämpfung sei "Bildung, Bildung, Bildung", sagte Magnus Buhlert (FDP). Ähnlich äußerte sich die Linken-Politikerin Miriam Strunge. Ziel müsse es sein, möglichst wenige niedrige Schulabschlüsse und Schulabbrüche zu haben – die Realität sehe allerdings anders aus. Tatsächlich ist die Quote der Schulabgänger ohne Abschluss laut Bericht zwischen 2012 und 2019 von 6,8 auf 10,2 Prozent gestiegen. Bremen liegt damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt (2019: 6,8 Prozent). Nirgendwo seien die Startchancen schlechter als in Bremerhaven und Bremen, warf Buhlert dem Senat vor.

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Strunge forderte, regionale Beratungszentren stärker zu stützen. Es müsse auch in diesem Bereich darum gehen, soziale Ungleichheiten abzufedern. Sie verwies auf eine Abiturientenquote von mehr als 90 Prozent in Borgfeld, während in Grohn nur zehn Prozent der Schulabgänger diesen Abschluss erreichten. In Gröpelingen liege – so steht es auch in dem Bericht – der Sprachförderbedarf in Kitas bei 75 Prozent, sagte Strunge weiter. Wenn nur drei von 50 Kindern Muttersprachler seien, fehlten die sprachlichen Vorbilder. Ziel sei es, besser durchmischte Quartiere zu schaffen.

Wie ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt?

Die Zahlen des Berichts sind veraltet, aber die Tendenz hat Bestand: Im Bundesvergleich ist die Arbeitslosenquote in Bremen traditionell hoch – zuletzt ist sie aber leicht gesunken. Sozialstaatsrat Jan Fries sprach in der Debatte davon, dass es trotz der Krise einen "Hauch von Optimismus" gebe, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt verbessere. Sülmez Dogan (Grüne) nannte die sinkende Langzeitarbeitslosigkeit in Bremerhaven als positive Entwicklung. Die Schaffung von Arbeit sei entscheidend bei der Armutsbekämpfung, sagte die Grünen-Politikerin Henrike Müller. Sie verwies auch auf die Bedeutung geförderter Arbeit, die den Betroffenen Anerkennung und Selbstbewusstsein verschaffe und möglicherweise eine Rückkehr auf den freien Arbeitsmarkt ermögliche. Wiederholt wurde der steigende Landes- und Bundesmindestlohn als Chance für die Armutsbekämpfung genannt – beispielsweise von Jasmina Heritani (SPD), die zudem die Notwendigkeit guter Tariflöhnen und berufsbegleitender Weiterqualifizierung betonte.

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Welche Kritik gibt es?

Die Opposition äußerte sowohl Kritik an den Maßnahmen des Senats als auch am Bericht selbst. Bremen bekämpfe Armut nicht in dem Umfang, in dem es nötig wäre, so Buhlert. Der Bericht lasse keine Verbesserung erkennen: "Das muss uns zu denken geben." Grönert warf dem Senat vor, in dem Bericht werde gezielt so formuliert, dass die Bilanz für Bremen nicht allzu schlecht aussehe. Alle Ideen für die Zukunft blieben im Ungefähren, kritisierte sie weiter. Außerdem würden bestehende Maßnahmen nicht ausreichend auf ihre Wirksamkeit überprüft.

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