Mit denkmalgeschützten Bauten kann die Fitgerstraße in Schwachhausen nicht glänzen. Und doch ist die Verbindung zwischen Parkallee und Hartwigstraße ungemein typisch für die Bebauung des Bürgerparkviertels. Bis heute reiht sich in der Fitgerstraße ein Altbremer Haus an das andere, der Zweite Weltkrieg hat keine nennenswerten Lücken gerissen. Sogar einen prominenten Sohn hat die Fitgerstraße zu bieten: In der Nr. 36 kam am 14. Dezember 1914 der spätere Bundespräsident Karl Carstens zur Welt.
Erstmals aktenkundig wurde die Fitgerstraße im November 1899. Damals beantragte der Kaufmann Lambert Leisewitz, Teilhaber der Kaiser-Brauerei (später Beck & Co.), die Anlage dreier Straßen im entstehenden Bürgerparkviertel. Neben der Fitgerstraße hatte der Schwiegersohn des Brauereigründers und Baumeisters Lüder Rutenberg (1816-1890) auch die Otto-Gildemeister-Straße und die Allmersstraße auf dem Zettel, heute Hermann-Allmers-Straße. Leisewitz verpflichtete sich, innerhalb von zwei Jahren die Straßen zu pflastern.
Das Kuriose: Sämtliche Namensgeber waren 1899 noch am Leben, wenn auch betagt. Der Schriftsteller und Bremer Bürgermeister Otto Gildemeister wie auch der "Marschendichter" Hermann Allmers starben 1902, der Malerpoet Arthur Fitger 1909. Wobei im Falle der Fitgerstraße nicht ganz klar ist, ob der fehlende Vorname als Indiz dafür gewertet werden muss, dass die Würdigung auch seinem Bruder Emil Fitger galt. Der langjährige Chefredakteur der "Weser-Zeitung" war ein einflussreicher Mann, er starb 1917 nach einem Schlaganfall, den er bei einem "einsamen Spaziergange" im Bürgerpark erlitten hatte.
Verschiedentlich heißt es, die Fitgerstraße sei nach beiden Fitger-Brüdern benannt, im Wikipedia-Artikel wird Emil Fitger sogar als alleiniger Namensgeber vorgestellt. Dagegen spricht allerdings, dass im Adressbuch von 1914 nur auf Arthur Fitger verwiesen wird. Warum dann nicht sein voller Name als Straßenname gewählt wurde, bleibt ein Rätsel. Ungewöhnlich ist der Verzicht auf den Vornamen indessen nicht, das zeigen die Beispiele Bulthaupt- , Franzius- und Benquestraße aus der Nachbarschaft.
Wann die ersten Häuser errichtet wurden, lässt sich anhand des Bremer Adressbuchs nachvollziehen. Im Adressbuch von 1903 wird ein erstes fertiges und bewohntes Haus angeführt, in der Ausgabe von 1904 sind es schon drei Gebäude, zwei weitere waren im Bau. So ging es dann Schritt für Schritt weiter, unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die Fitgerstraße so gut wie vollständig bebaut, nur in Richtung Bürgerpark waren noch ein paar Baugrundstücke zu haben.
Ein Schlaglicht auf die Sozialstruktur der Bewohner werfen ebenfalls die Angaben in den Adressbüchern. In der Fitgerstraße ließen sich zahlreiche gut situierte Familien nieder, die Ernährer waren Lloydbeamte, Oberlehrer und Prokuristen. Freilich waren die Häuser teils auch von mehreren Parteien bewohnt wie im Falle der Familie Carstens. Seinen Vater hat der spätere CDU-Politiker niemals kennengelernt, der promovierte Pädagoge fiel kurz nach Kriegsausbruch im Oktober 1914 in Frankreich. Bis 1926 wohnte der junge Carstens in seinem Geburtshaus, ehe er mit der Mutter in die Busestraße umzog.
Zwischen Buse- und Fitgerstraße lagen damals noch Parzellen. Viele Jahre befand sich die Fitgerstraße an der Peripherie der Stadt, nur hier und da reichte die Bebauung über den benachbarten Schwachhauser Ring hinaus. Das änderte sich erst, als dort in den 1950er- und 1960er-Jahren überwiegend vier- bis fünfstöckige Wohnblöcke als Neu-Schwachhausen aus dem Boden gestampft wurden.