Erste-Hilfe-Kurse und Kurse zur Wiederbelebung sollen verpflichtender Bestandteil des Schulunterrichts werden. Das fordern in Bremen und Niedersachsen Ärzte, Rettungsdienste und Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Hintergrund ist, dass in Deutschland jedes Jahr 50.000 Menschen einen Herzstillstand erleiden, die Überlebensrate aber gesteigert werden könnte, wenn Ersthelfer umgehend mit der Wiederbelebung beginnen würden. Anders als Niedersachsen sieht die Bremer Bildungsbehörde jedoch keinen Bedarf.
„Viele trauen sich Erste Hilfe nicht zu, Grund sind Wissensdefizite und die Angst, etwas falsch zu machen“, sagt der Bremer DRK-Sprecher Lübbo Roewer. „Die sogenannte Laien-Reanimation spielt für das Überleben aber eine entscheidende Rolle, Deutschland liegt dabei im Vergleich mit anderen europäischen Ländern im unteren Drittel.“
Nach Daten der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin traut sich nur jeder dritte Ersthelfer eine Reanimation bis zum Eintreffen des Notarztes zu. „In Schweden liegt die Quote bei 60 Prozent. Das DRK fordert seit Jahren, dass Erste Hilfe als fester Bestandteil in den Schulunterricht integriert wird. Es geht um Kenntnisse und darum, Ängste abzubauen“, so Roewer.
Der Schulausschuss der Kultusministerkonferenz hatte den Bundesländern bereits 2014 empfohlen, ab der siebten Klasse zwei Unterrichtsstunden pro Jahr dem Thema Wiederbelebung zu widmen und Lehrer schulen zu lassen. Die Empfehlung wurde bislang aber nur vereinzelt umgesetzt. In Nordrhein-Westfalen etwa gibt es seit Schuljahresbeginn 2017/18 ein landesweites Modellprojekt „Laien-Reanimation an Schulen“. Baden-Württemberg hat Reanimationstrainings bereits 2015 an Schulen eingeführt.
Auch Niedersachsen will jetzt nachziehen. „Im Kultusministerium wird derzeit geprüft, wie sich das Thema Reanimationstraining in niedersächsischen Schulen sinnvoll in die bestehenden Strukturen einbinden lässt“, sagte die Sprecherin des Ministeriums, Jasmin Schönberger, dem WESER-KURIER. Der Schulsanitätsdienst und Reanimationstraining könnten demnach miteinander verknüpft und ein einheitliches Lehrprogramm erarbeitet werden.
Keine generelle Unterrichtsvorgabe für Land Bremen
Es sehe vor, dass Lehrer zum Training lebensrettender Maßnahmen einheitliche Unterrichtsmaterialien bekämen. „Die Schülerinnen und Schüler sollten Flyer in barrierefreier Sprache, eventuell mehrsprachig, mit nach Hause nehmen können“, erläutert die Sprecherin des niedersächsischen Kultusministers Grant Hendrik Tonne (SPD). Hilfsorganisationen sollen in das Projekt einbezogen werden.
Die Behörde von Bremens Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) hält solche Projekte derzeit für nicht notwendig: Eine generelle Unterrichtsvorgabe gebe es für das Land Bremen nicht. „Für Erste-Hilfe- einschließlich Wiederbelebungsmaßnahmen gibt es an vielen Schulen Sanitätsdienste für Schülerinnen und Schüler“, sagt Sprecherin Annette Kemp. Dort könnten Kinder und Jugendliche im sozialen Kontext die entsprechenden Fähigkeiten erlernen. Es werde zudem davon ausgegangen, dass das Rettungswesen in den Stadtgebieten Bremen und Bremerhaven als Ballungszentren hocheffektiv und in der Regel ein frühes Eintreffen professioneller Teams gewährleistet sei.
Ärzte wie der Herzspezialist und Vorsitzende der Stiftung Bremer Herzen, Rainer Hambrecht, verweisen darauf, dass die Laien-Reanimation unverzichtbar für eine erfolgreiche Rettungskette sei und die Überlebenschancen eines Patienten mit Herzstillstand signifikant erhöhten. Hambrecht: „Reanimationstraining kann Jugendlichen spielend beigebracht werden. Es sollte in den Unterricht integriert werden.“ Mit dem Projekt „Drück mich“ will die Stiftung das Wissen um Wiederbebung durch Aufklärungs- und Ausbildungskampagnen in der Bremer Bevölkerung steigern. Seit 2017 erfassen Notärzte in Bremen und dem Umland Daten zu Reanimationen, die in ein Register fließen.