Kaffee kann stark sein, doch die Kaffeepflanze ist sensibel. Sie mag es gerne angenehm warm und gleichmäßig feucht. Trockenheit und große Hitze verträgt sie dagegen gar nicht. Doch die Zeiten ändern sich. Forscher warnen: In nicht allzu ferner Zukunft werden viele der wichtigsten Anbaugebiete dem Klimawandel zum Opfer fallen. Umso wichtiger könnte künftig die Methode des Schattenanbaus werden. Das Schattendasein bekommt nicht nur der schwarzen Bohne gut. Es ist auch viel besser für die Umwelt. Das junge Bremer Unternehmen Aranyani hat sich auf Kaffee spezialisiert, der aus nachhaltig bewirtschafteten Regenwäldern stammt. Man könnte auch sagen: auf Schonkaffee für die Natur.
Aranyani heißt im Hinduismus die Schutzgöttin des Waldes und der wilden Tiere, die darin leben. „Ich fand, das passte gut“, sagt Gründer Daniel Töbelmann. Mit der Kaffeebranche hatte er vorher nichts zu tun – das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt ihn dagegen seit vielen Jahren sehr. Bereits während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften an der Bremer Universität habe er seinen Fokus auf nachhaltigen Konsum und nachhaltige Produktion gesetzt, erklärt der 34-jährige Vater einer kleinen Tochter, der in Lilienthal aufgewachsen ist.
Das Interesse am Kaffeeanbau war ein Nebenprodukt in der Recherche zu seiner Dissertation im Bereich der Umweltökonomik. „Alles begann nach einer Fernsehreportage über die Probleme des Kaffeeanbaus im Klimawandel“, erzählt Töbelmann, der mittlerweile hauptberuflich als Nachhaltigkeitsberater eines deutschen Automobilkonzerns arbeitet. „Kurz darauf stieß ich zufällig auf eine wissenschaftliche Studie zum Schattenanbau.“
Es war wie ein Zeichen. Wer sucht, der findet zwar in den Sortimenten mancher Röstereien Schattenkaffee, der zum Beispiel als Urwald- oder Wildkaffee vermarktet wird. „Ich fand aber nirgendwo ein Unternehmen mit diesem Markenkern“, sagt Töbelmann. Mit Aranyani möchte er nun diese Nische füllen. Die ersten beiden Produkte im Online-Shop www.aranyani-kaffee.de sind ein Filterkaffee und ein Espresso. Mit Preisen von 13 beziehungsweise 15 Euro pro halbem Pfund sind die beiden Kaffees von Supermarkt-Sonderangeboten meilenweit entfernt. Doch dafür soll die Kundschaft genau wissen, was sie bekommt.

Gründer Daniel Töbelmann
Und zwar sortenreine Kaffees, die Töbelmann von einem Familienbetrieb in Südindien bezieht. Die Kaffeepflanzen wachsen im Unterholz des Regenwaldes der Provinz Coorg, die wegen ihrer malerischen Szenerie von Wald und Hügeln als „Schottland Indiens“ bezeichnet wird. Mit dem jungen Farmer, der die Plantage in fünfter Generation leitet, steht der Bremer in persönlichem Kontakt. Das renommierte US-amerikanische Smithsonian Institute habe den Betrieb geprüft, als vogelfreundlich zertifiziert und bescheinigte den Anbau nach ökologischen Prinzipien, ohne künstlichen Dünger und Pestizide, erzählt Töbelmann. Die Kaffeepflanzen gedeihen im Schutz alter Hartholzbäume und zwischen heimischen Sträuchern, die wiederum einer Vielzahl von Tierarten Lebensraum bieten. „Es geht auch um Biodiversität“, sagt er. „Kaffee ist eines derjenigen Lebensmittel, für die der meiste Regenwald gerodet wird. Dieser Kaffee vermeidet das.“
Im Grunde ist der Schattenanbau die traditionellste Art der Kaffeeproduktion, denn von ihrem Ursprung ist die Kaffeepflanze im Unterholz tropischer Wälder heimisch. Als die Nachfrage im vergangenen Jahrhundert weltweit stieg, wurden Varianten entwickelt, die in praller Sonne für schnellere und ertragreichere Ernten sorgten. Preis der unnatürlichen Anbaumethode in Monokulturen waren der massenhafte Verlust naturnaher Wälder und ihrer lebendigen Ökosysteme sowie der Einsatz von Pestiziden und Fungiziden. Im Schatten benötigen die Kaffeebohnen länger, um zu reifen, und sie bleiben kleiner. Doch dafür stecken sie voller Aromastoffe und erzeugen Kaffees höchster Qualität, sagt der Kenner. Die maschinelle Ernte ist unter diesen Bedingungen nicht möglich, die Bohnen müssen per Hand geerntet werden. „Man darf nicht nur in rein wirtschaftlichen Kategorien denken“, sagt Töbelmann. „Dieses Produkt soll einen positiven Effekt haben. Wir wollen die Natur nicht berauben, sondern in Harmonie mit ihr wirtschaften.“
Es ist ohnehin höchste Zeit, sich Alternativen auszudenken. Extreme Wetterereignisse wie Dürre, Hitze, Überschwemmungen und Stürme sorgten in den in den vergangenen Jahren immer wieder zu drastischen Ernteausfällen in vielen Kaffeeanbaugebieten. Alarmierend war im vergangenen Jahr die Studie einer Schweizer Forschergruppe, die vorhersagte, dass bis zum Jahr 2050 weltweit mindestens 50 Prozent der jetzigen Anbauflächen für Arabica-Kaffee aufgegeben werden müssen – in einzelnen Ländern sogar bis zu 97 Prozent. Gleichzeitig beschleunigt die Massenproduktion im konventionellen Kaffeeanbau selbst den Klimawandel durch die Rodung von Flächen und die Auslaugung der Böden. „Ich möchte eine Marke aufbauen, die zumindest für eine punktuelle Transformation des Wirtschaftssystems steht“, sagt Töbelmann.
Auf der Suche nach seiner ersten Partnerfarm wurde er von einem niederländischen Unternehmen unterstützt, das sich auf die Vermarktung kleiner, ökologisch wirtschaftender Kaffeeproduzenten spezialisiert hat. Bereitwillige und freundliche Beratung gab es auch von mehreren Bremer Röstereien, die wertvolle Tipps mit dem jungen Kaffee-Novizen teilten, erzählt Töbelmann. Die Bohnen werden ohne Zwischenhandel direkt über den Rotterdamer Hafen nach Bremen transportiert und in einer kleinen Rösterei in der Überseestadt schonend geröstet. Von jeder verkauften Packung Kaffee wird ein Betrag für Natur- und Artenschutzprojekte gespendet. Die Beutel bestehen aus einem aluminiumfreien und komplett recycelbaren Material. Abgebildet sind ein Nashornvogel und ein Pfau, die symbolisch für die Tierwelt vor Ort stehen. „Ich trinke eine Tasse Kaffee und habe die Sicherheit, dass ihr Lebensraum auf dieser kleinen Farm erhalten wird“, sagt Töbelmann. „Das fand ich schön.“