Ein leichtes Aufhellen sehen verschiedene Konjunkturexperten für 2020. So geht das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) für dieses Jahr von einem Wachstum bei 1,4 Prozent in Deutschland aus. „Dem liegen bestimmte Annahmen zugrunde“, sagt Jan Wedemeier vom HWWI in Bremen. Dazu gehörten, dass die Inlandsnachfrage solide bleibe und sich außenwirtschaftliche Störungen zwar nicht vollständig auflösen, aber auch nicht verstärken. „Davon gehen wir in unserem Szenario im Moment nicht aus.“ Sollte es jedoch Probleme durch den Brexit oder den Handelskonflikt zwischen China und den USA geben, wäre Bremen davon aufgrund der hohen Exportabhängigkeit stärker betroffen als andere Bundesländer. Auswirkungen hätte das nicht nur auf die Industrie, sondern auch auf Handel und Logistik, sagt der Ökonom. Das niedersächsische Umland werde ebenfalls von Bremens Entwicklung beeinflusst.
Die jüngste Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) zeigt ebenfalls, dass sich die Aussichten verbessern. IW-Direktor Michael Hüther sprach von einem „zarten Hoffnungsschimmer“, aber keiner Entwarnung. Die Handelskammer Bremen rief unlängst dazu auf, dass die Politik etwas gegen einen drohenden Abschwung im Bundesland tun müsse. Im ersten Halbjahr 2019 sei die Wirtschaftsleistung nach ersten Zahlen leicht zurückgegangen.
Ein Teil der nun für 2020 erwarteten Aufhellung geht auf einen Sondereffekt zurück. Weil mehr Feiertage auf Wochenenden fallen, gehe man von einem 0,4 Prozent stärkeren Wachstum aus, sagt Wedemeier: „Das ist schon eine Hausnummer.“
Im Streit zwischen den USA und China erwartet das HWWI derzeit keine weitere Eskalation. „Unsere Vermutung ist, dass der Wahlkampf stärker in den Vordergrund rückt.“ Die Unsicherheiten aber bremsen die Wirtschaft. Der Präsident der IHK Niedersachsen, Gert Stuke, sieht bei Brexit und Handelskonflikt zwar ebenfalls eine Entspannung. „Unsere Unternehmen können somit gerade im Export etwas optimistischer in die Zukunft blicken.“ Der Handelskonflikt halte aber sicher weiter an. Der Handel mit Großbritannien werde zudem mit dem Brexit komplizierter und damit für alle Beteiligten teurer und ineffizienter.
Austritt ohne Folgeabkommen bleibt möglich
Unternehmen in Norddeutschland belaste der Brexit, sagt auch Christian Lips, Chefanalyst der Norddeutschen Landesbank, wenngleich sich aufgrund der Übergangsphase zunächst wenig verändere. Lips befürchtet jedoch, dass das Aushandeln des Folgeabkommens länger dauert als ein Jahr, das sei „illusorisch“ in dieser kurzen Zeit: „Zumal erhebliche Differenzen zutage treten dürften. Damit droht 2020 neue Unsicherheit, denn auch ein Austritt ohne Folgeabkommen bleibt möglich.“ Seit dem Brexitvotum 2016 habe die Außenhandelsverflechtung mit Großbritannien allmählich an Bedeutung verloren.
„Die Wirtschaft hat einige Jahre regelrecht geboomt, viele Unternehmen sind mit ihrer Produktion an der Kapazitätsgrenze gefahren“, kommentiert Ludwig Blomeyer von der Deutschen Bank in Bremen. Derzeit kehre eine Normalisierung ein – auch bei den Unternehmen in Bremen und in der Region. Die Lage sei besser als es Stimmungsberichte glauben ließen. Dagegen ist Lars Köhler von der Bremischen Volksbank kritisch: Die Herausforderungen für die in Bremen wichtige Automobilwirtschaft, Logistik und Industrie sowie Auswirkungen des Brexits ließen sich kaum durch andere Wachstumssegmente wie der IT oder der Bauwirtschaft kompensieren. In Bremen müsse der Fachkräftemangel als derzeit entscheidender Faktor für wirtschaftlichen Erfolg angegangen werden.
Für 2019 rechnet das HWWI in Deutschland mit einem Plus von 0,5 bis 0,6 Prozent – ein schwaches Wachstum. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) forderte, dass Belastungen abgebaut werden müssten: „Wir brauchen wieder mehr Wirtschaftswachstum, damit Löhne und Renten weiter steigen können.“ Jan Wedemeier sieht Treiber für Wachstum: In der nächsten Dekade spielten drei Themen eine wichtige Rolle: die Demografie, die Digitalisierung und die Dekarbonisierung hin zu einer klimaneutralen Produktion. Diese Aufgabe, die im „Green Deal“ der EU Ausdruck findet, werde große Investitionen nach sich ziehen. „Das muss nicht nur eine Bedrohung, sondern kann auch eine Chance sein.“