Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Bremen ändert Vorschriften Mehr Platz für Solaranlagen

Die Energiewende braucht mehr Platz – zum Beispiel für Solaranlagen auf dem Dach. Dafür ändert das Bremer Umweltressort jetzt die Bauvorschriften. Umstritten ist, ob das etwas bringt.
12.05.2023, 18:50 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Mehr Platz für Solaranlagen
Von Christoph Barth

Das Umweltressort will auf Bremens Dächern mehr Platz für Solaranlagen schaffen. Dafür wurden die Brandschutzregeln, die einen Mindestabstand zwischen den Anlagen vorschreiben, erneut gelockert – per Erlass der Umweltsenatorin. Nach Ansicht von Energieexperten jedoch bringt die Neuregelung wenig. 

Welchen Beitrag leistet Solarstrom für die Energieversorgung?

Elf Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland deckte im vergangenen Jahr die Fotovoltaik ab; damit war sie nach den Windrädern an Land die zweitwichtigste der erneuerbaren Energiequellen. An sonnigen Tagen lieferte Solarstrom zeitweise sogar mehr als zwei Drittel des Bedarfs, hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) ermittelt. Bis 2030 soll der Anteil der Fotovoltaik an der Stromerzeugung nach den Plänen der Bundesregierung auf 30 Prozent steigen.

Lesen Sie auch

Wie soll das erreicht werden?

Mehr Dächer als bisher müssten mit Solarmodulen ausgerüstet werden. Die Bundesregierung nimmt dabei verstärkt Gewerbe-Immobilien ins Visier: Zur Einweihung der größten deutschen Solaranlage auf einer Industriehalle reiste Anfang Mai sogar Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an: 80.000 Quadratmeter Solarpaneele ließ die BLG im Bremer Güterverkehrszentrum (GVZ) aufs Dach ihrer neuen Logistikhalle für Mercedes-Autoteile schrauben. Auf privaten Bremer Hausdächern stehen zurzeit rund 3200 Fotovoltaik-Anlagen. Hausbesitzer sollen mit höheren Einspeisevergütungen für Solarstrom umworben werden.

Was steht dem Ausbau der Fotovoltaik auf Privathäusern im Weg?

Neben den beachtlichen Investitionskosten und der Verfügbarkeit von Handwerkern und Material sind das unter anderem die Brandschutzvorschriften. Fotovoltaik-Anlagen sind kleine Kraftwerke; Defekte in der Anlage können Brände auslösen. Das Fraunhofer-ISE gibt die Zahl der Brandschadensfälle mit 0,006 Prozent aller Fotovoltaik-Anlagen an und beruft sich dabei auf eigene Untersuchungen, die allerdings schon zehn Jahre her sind. Bei derzeit zwei Millionen Anlagen in Deutschland wären das also 120 Schadensfälle. Fotovoltaik-Anlagen stellten "im Vergleich mit anderen technischen Anlagen kein besonders erhöhtes Brandrisiko dar", resümieren die Wissenschaftler.

Wie sehen die aktuellen Brandschutzvorschriften aus?

Auf den Dächern von Reihen- oder Doppelhäusern müssen Fotovoltaik-Anlagen einen Sicherheitsabstand von 1,25 Meter zur nächsten Brandmauer halten. So soll im Falle eines Feuers ein Übergreifen der Flammen verhindert und der Feuerwehr der Zugang zum Dach gesichert werden. Ausnahmen gibt es bereits für sogenannte Glas-Glas-Module, die nicht brennbar sind: Hier reicht ein Abstand von einem halben Meter zur Brandmauer. Durch die Abstandsregeln verkleinert sich die Fläche, die auf einem Reihenhausdach  für die Erzeugung von Solarenergie zur Verfügung steht. Kommen dann noch Dachfenster und Gauben hinzu, wird die Sache schnell unrentabel.

Lesen Sie auch

Was plant das Bremer Umweltressort?

Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) hat in dieser Woche einen Erlass unterzeichnet, der anstehenden Gesetzesänderungen auf Bundes- und Landesebene vorgreift. Demnach können Fotovoltaik- und Solarthermie-Anlagen ab sofort auch ohne Sicherheitsabstände aufs Dach geschraubt werden – allerdings unter einer Bedingung: Die Brandmauer zum Nachbarhaus muss über das Dach hinausragen, und zwar um mindestens 30 Zentimeter. Zweite Neuerung: Wie bei den Glas-Glas-Modulen reicht jetzt auch für die brennbaren Glas-Folien-Module ein Sicherheitsabstand von 50 Zentimetern zur Brandmauer, wenn das Modul nicht höher als 30 Zentimeter ist. Für höher aufragende Solarpaneele bleibt es bei 1,25 Meter Abstand. "Damit erhöht sich der mögliche Ertrag aus diesen Anlagen, die Rentabilität, sowie der Beitrag zum Klimaschutz und der Energiewende in Bremen", meint die Umweltsenatorin. "Wir beschleunigen so die Möglichkeit, Bremer Dachflächen optimal nutzen zu können."

Was bringt diese Änderung für Bremen?

Nicht viel, glaubt Inse Ewen, Leiterin der Energieberatung bei der Verbraucherzentrale – zumindest was die Abschaffung der Abstände zu den erhöhten Brandmauern angeht. "Es gibt im Innenstadtbereich, in Walle, Findorff oder der Vahr nur sehr wenige Fälle, in denen die Gebäude für diese neue Regelung infrage kommen", sagt sie. In der Regel verfügten die Reihenhäuser dort über durchgehende Dachflächen; die Brandmauern enden unterhalb des Dachstuhls und bieten deshalb nicht die Voraussetzungen für einen dichteren Besatz mit Fotovoltaik-Anlagen.

Was könnte man stattdessen tun?

Das eine tun, heißt nicht, das andere zu lassen, meint Ewen. Ein Ansatz zur besseren Nutzung von Dachflächen könnte jedoch sein, dass Nachbarn in Doppel- und Reihenhäusern sich zusammentun und ihre Dächer gemeinsam für die Solarstromproduktion nutzen. Dabei stellen sich allerdings ein paar Fragen: Wer ist der Eigentümer der Anlage? Wer versorgt wen mit Strom? Wer zahlt? "Es gibt mehr Hürden zu überwinden, aber daran muss so ein Nachbarschaftsprojekt nicht scheitern", versichert Ewen. "Wenn wir den Solarstrom voranbringen wollen, brauchen wir kreative Lösungen."

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)