In Bremen gab es 2018 nicht genug Lehrstellen, um alle interessierten Jugendlichen mit einem Ausbildungsplatz zu versorgen. Das ist das Ergebnis des „Ländermonitor berufliche Bildung“ der Bertelsmann-Stiftung. Demnach kamen vergangenes Jahr in Bremen auf 92 Ausbildungsplätze 100 Bewerber. Die Zahlen dafür stammen von der Bundesarbeitsagentur und vom Bundesinstitut für Berufsbildung.
Die Verfasser der Studie sehen zwar seit 2016 eine deutlich verbesserte Ausbildungssituation in Bremen, allerdings kommen im Bundesdurchschnitt 96,6 Plätze auf 100 Bewerber. Dennoch beklagen manche Bremer Unternehmen, dass sie keine Azubis finden. Dies begründet die Bertelsmann-Stiftung mit dem Passungsproblem: Die angebotenen Plätze passen nicht zu den Bewerbern. Oder die Jugendlichen suchen in einem ganz bestimmten Beruf. So gab es 2018 noch 351 offene Ausbildungsplätze, während 891 Jugendliche unvermittelt blieben.
Großbetriebe bevorzugt
Die Stiftung sieht verschiedene Gründe, warum es bei zwei Dritteln der unvermittelten Ausbildungsplätze zwar Interessierte gibt, es am Ende aber nicht zum Ausbildungsvertrag kommt. So hielt das Unternehmen den Bewerber nicht für geeignet oder der Jugendliche fand den Betrieb nicht attraktiv. Das könne etwa daran liegen, dass junge Leute eher nach Plätzen in Großbetrieben suchen, offene Stellen aber nur in kleinen Firmen verfügbar sind. Bei kaufmännischen Berufe standen 69 offene Stellen 99 Bewerbern gegenüber, die leer ausgingen. Claudia Burkhard, Berufsbildungs-Expertin der Bertelsmann-Stiftung, sagt dazu: „In diesen Fällen muss es gelingen, mehr Brücken zwischen Jugendlichen und Betrieben zu bauen.“ Zum einen seien Betriebspraktika eine Möglichkeit, zum anderen sollten schwächere Jugendliche während der Ausbildung flexibel unterstützt werden.
Ein weiteres Problem: Wer in Bremen dauerhaft ohne Berufsausbildung bleibt, hat es auf dem Arbeitsmarkt schwer. Während bundesweit bei der Arbeitslosenquote der Anteil von Ungelernten bei 19 Prozent liegt, befinde er sich in Bremen bei 29 Prozent. So wiederholt der Chef der Bremer Arbeitsagentur, Joachim Ossmann, bei jeder Gelegenheit immer wieder den Satz: „Eine Ausbildung ist die beste Absicherung gegen Arbeitslosigkeit.“ Burkhard sieht die Bremer Berufsqualifizierung als Schritt in die richtige Richtung, bei der die jungen Menschen über eine öffentlich geförderte Ausbildung den Sprung ins Berufsleben schaffen sollen. Doch auch hier sei Luft nach oben.
Konkurrenz mit Jugendlichen aus Niedersachsen
Außerdem konkurrieren Bremer Jugendliche mit denen aus dem Umland stärker als in anderen Stadtstaaten. So kommen mehr als 38 Prozent der Azubis im kleinsten Bundesland aus Niedersachsen. In Hamburg sind mehr als 32 Prozent aus dem Umland, in Berlin mehr als 20 Prozent. Und nach der Ausbildung sind viele von ihnen auch wieder weg. So liegt die Übernahmequote bei den fertig Ausgebildeten in Bremen bei 60 Prozent gegenüber bundesweit 74 Prozent.
Arbeitssenatorin Kristina Vogt (Linke) will sich deshalb Ende Oktober mit Vertretern aus Verbänden, Gewerkschaften und Kammer für ein erstes Gespräch treffen. Außerdem plant Vogt die Expertenkommission „Ausbildungsmarkt und Landesausbildungsfonds“: „Diese soll prüfen, ob und inwieweit eine Ausbildungsumlage helfen kann, ein besseres Matching hinzubekommen und mehr Ausbildungsplätze zu schaffen“, sagt sie. Die Senatorin möchte im Dialog mit den Unternehmen ein System entwickeln, das mehr Menschen in Ausbildung bringt und von dem Auszubildende und Unternehmen gleichermaßen profitieren: „Betriebliche Ausbildung ist ein wichtiger Baustein in der Fachkräftesicherung.“
Unterstützung erhält Vogt von Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Bremer Arbeitnehmerkammer: „Wir machen seit langem darauf aufmerksam, dass es in Bremen zu wenig Ausbildungsplätze gibt. Angesichts des drohenden Fachkräftebedarfs ist das fatal. Nur noch gut jeder fünfte Betrieb bildet aus.“ Mit einem neuen Ausbildungspakt in Bremen müsse es auch mehr Ausbildungsplätze geben – notfalls über eine Ausbildungsumlage.
Michael Zeimet, Geschäftsführer Ausbildung bei der Handelskammer Bremen, kann dagegen nicht bestätigen, dass es zu wenig Plätze gibt: „Wie die Bertelsmann-Studie richtig feststellt, ist von 2017 zu 2018 die Zahl der unvermittelten Bewerber gesunken und die Zahl der offenen Stellen gestiegen. Dieses „Kippen des Ausbildungsmarktes“ setzt sich im Jahr 2019 fort, was die Studie nicht berücksichtigt.“ Laut Zeimet geben immer mehr Betriebe auch jungen Menschen eine Chance, die die Voraussetzungen für den Start einer Ausbildung nicht mitbringen.
CDU und FDP für bessere Bildung vor der Ausbildung
Bettina Hornhues, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bremer CDU-Fraktion, führt an, dass viele Unternehmen über mangelnde Ausbildungsfähigkeit bei bremischen Jugendlichen klagen. Daher müsse die Allgemeinbildung in den Schulen besser werden. Gleichzeitig sollten die Kammern mehr Ausbildungsplätze einwerben und kleine und mittelständische Unternehmen unterstützen, die zuletzt schlechte Erfahrungen gesammelt haben. Auch die Kooperationen zwischen Schulen, Betrieben und Kammern müsse besser werden. Über einen neuen Ausbildungspakt sagte Hornhues: „Der ist grundsätzlich richtig, allerdings sind die Zielzahlen in der Vergangenheit nicht erreicht worden. Daher sind gemeinsame Anstrengungen und Bekenntnisse von Wirtschaft und Politik notwendig. Das gegenseitige Zuschieben des ‚Schwarzen Peters‘ zwischen den Beteiligten war in der Vergangenheit nicht hilfreich.“
Von einer Ausbildungsumlage hält Bremens FDP-Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner nichts: „Man sollte eher ein System schaffen, das ausbildende Betriebe belohnt.“ Eine Umlage würde dagegen Unternehmen bestrafen. Wie Hornhues sieht auch Steiner ein Problem auf Bewerberseite: „Wir müssen die Qualität der Schulbildung verbessern.“ Die Konkurrenz der Bremer Bewerber gegenüber denen aus dem Umland kennt sie auch noch aus dem eigenen Familienunternehmen: „Von Schülern aus Niedersachsen hatten wir bereits schon im November Bewerbungen, weil sich die Lehrer dort mit ihren Schülern viel eher mit dem Thema Ausbildung befasst hatten.“ Hier solle der Fokus auch auf den kleinen und mittelständischen Betrieben liegen, mit denen sich die Schüler vielleicht nicht so sehr auseinandersetzen.