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Bremer Arbeitsmarkt „Bremen ist ein attraktiver Wirtschaftsstandort“

Nach einem Jahr im Amt zieht Joachim Ossmann, Chef der Bremer Arbeitsagentur, Bilanz: Er verrät seine Wünsche an den neuen Senat - und was Bremen von Nürnberg lernen kann.
28.06.2019, 22:35 Uhr
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„Bremen ist ein attraktiver Wirtschaftsstandort“
Von Stefan Lakeband

Herr Ossmann, vor etwas mehr als einem Jahr sind Sie nach Bremen gekommen, vorher waren Sie Chef der Arbeitsagentur in Nürnberg. War Ihr Job in Bayern leichter?

Joachim Ossmann: Nein, denn ähnlich wie Bremen hat auch Nürnberg eine schwierige Vergangenheit und musste einige Probleme bewältigen. Dazu gehören beispielsweise die Zusammenbrüche des Versandhauses Quelle oder der Elektronikhersteller Grundig und AEG. Umbrüche, wie sie auch Bremen kennt, etwa mit den Werften oder Borgward.

Haben Sie während Ihrer Zeit in Nürnberg etwas gelernt, das auch bei den Bremer Problemen helfen kann?

Zwei Dinge sind besonders wichtig: Nach dem Ende der Schule müssen die jungen Erwachsenen schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden. Außerdem muss man Menschen, die ihren Job verloren haben, schnell wieder vermitteln und weiterbilden. Denn je länger jemand arbeitslos ist, desto größer werden die Probleme.

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Wie gut ist Bremen darin?

Die Arbeitslosenstruktur in Bremen ist schwierig, das ist bekannt. Die größten Sorgen machen die Langzeitarbeitslosigkeit und der Anteil der Arbeitslosen, die keine Berufsausbildung haben. Diesen Menschen zu helfen, ist nicht ganz einfach. Wir können künftig beides vermeiden, wenn wir die Jugendlichen als Schüler ansprechen und beim Weg in die Ausbildung begleiten. Und da ist Bremen mit den Jugendberufsagenturen auf einem guten Weg. Aktuell wurde uns ein Viertel mehr Ausbildungsstellen gemeldet als vor einem Jahr. Das ist für mich das Zeichen, dass die Betriebe jungen Menschen eine Chance geben wollen.

Wie ist das Verhältnis von Bewerbern und gemeldeten Stellen?

Wir haben einen leichten Rückgang an Bewerbern und einen starken Anstieg bei Ausbildungsstellen. Im Ergebnis stoßen junge Menschen also auf einen Ausbildungsmarkt, der ihnen viele Möglichkeiten bietet. Das ist eine sehr positive Entwicklung.

Sie gehen also davon aus, dass Sie im Herbst mehr Lehrstellen vermittelt haben werden als im vergangenen Jahr?

Ja, davon gehe ich aus.

Zuletzt ist die Arbeitslosenquote in Bremen unter die Zehn-Prozent-Marke gefallen. Werten Sie das als Erfolg?

Auf jeden Fall. Der Rückgang ist eine sehr positive Entwicklung, sowohl für Bremerhaven als auch für Bremen. Denn auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist gesunken. Er ist zwar immer noch viel zu hoch, der Trend stimmt aber.

Dabei hat vor allem die gute Wirtschaftslage geholfen. Gleichzeitig wird der Arbeitsmarkt immer spezialisierter. Lässt das überhaupt noch Platz für Langzeitarbeitslose und Ungelernte?

Wir brauchen für Menschen ohne Berufsausbildung einen Arbeitsmarkt, der ihnen Chancen bietet. Den gibt es bereits in Bremen, aber wir brauchen noch mehr solcher Stellen. Gleichzeitig benötigen wir aber auch die anspruchsvollen Arbeitsplätze: Menschen mit guter Qualifikation verdienen mehr – und das sorgt für Wohlstand und Kaufkraft.

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Verschwinden nicht gerade die einfachen Arbeitsplätze durch Automatisierung und Digitalisierung?

Das kann man nicht pauschal sagen. Durch die Umbrüche am Arbeitsmarkt fallen tatsächlich Arbeitsplätze weg, auch höherwertige. Gleichzeitig entstehen an anderer Stelle neue Jobs, weil die Betriebe durch neue Technologien wettbewerbsfähiger produzieren können. Das ist von Branche zu Branche unterschiedlich.

Und der Branchenmix in Bremen ist gut?

Es gibt keine besonders große Konzentration auf eine Branche. Daher ist die Wirtschaft insgesamt nicht so leicht verwundbar.

Es sieht so aus, als schwäche sich die Konjunktur ab. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Ganz Deutschland ist im Umbruch. Eine ex­trem starke Branche ist der Automobilsektor, die sich durch die E-Mobilität gerade aber massiv wandelt. Diesen Prozess müssen wir als Arbeitsagentur intensiv begleiten. Und ich bin optimistisch, dass uns das gelingt.

Eine Arbeitsagentur ist von der Konjunktur und von Unternehmen abhängig. Frustriert es Sie, dass Sie nur reagieren können?

Die Arbeitsagentur schafft keine Arbeitsplätze – das ist richtig. Wir arbeiten aber mit der Wirtschaftsförderung zusammen, damit mehr Firmen nach Bremen kommen. Wenn wir rechtzeitig von einer Neuansiedlung erfahren, können wir auch gezielte Qualifikationsprogramme für Arbeitslose anbieten und sie so auf einen Job vorbereiten.

Ist Fortbildung generell ein Thema, das zu wenig im Fokus steht?

In Bremen und Bremerhaven gibt es ein Pilotprojekt: die Weiterbildungsberatung. Hier können sich Menschen beraten lassen, wenn sie sich weiterqualifizieren möchten, etwa um den Job oder die Branche zu wechseln. Dieses Angebot wird sehr stark nachgefragt. Für uns ist das ein Zeichen: Die Menschen machen sich Gedanken darüber, ob ihr Qualifizierungsstand noch ausreicht. Sie wissen, dass ihre berufliche Zukunft davon abhängt.

In Bremen laufen gerade die Koalitionsverhandlungen. Was wünschen Sie sich vom neuen Senat?

Bremen ist ein attraktiver Wirtschaftsstandort. Das muss auch so bleiben. Daher brauchen wir attraktive Rahmenbedingungen, damit die Zahl der Arbeitsplätze noch weiter wächst. Wenn wir die Arbeitslosigkeit weiter reduzieren wollen, müssen wir dafür sorgen, dass sich noch mehr Betriebe ansiedeln.

Haben Sie diese Wünsche schon an die Parteien herangetragen?

Ich bin im Gespräch mit Vertretern der Parteien, dabei tauschen wir uns über diese Dinge aus. Mein Eindruck ist, dass allen Parteien sehr bewusst ist, wie wichtig dieses Thema ist.

In den laufenden Verhandlungen haben die Parteien die Einrichtung eines Ausbildungsfonds beschlossen; Unternehmen, die keine Lehrlinge einstellen, sollen demnach eine Abgabe zahlen. Halten Sie das für den richtigen Weg?

Die gewünschte Wirkung und inhaltliche Ausgestaltung eines Ausbildungsfonds sollten unter Beteiligung aller Akteure am Ausbildungsmarkt auf Basis verlässlicher Daten diskutiert werden. Beispiele aus der Pflege und der Bauwirtschaft zeigen, wie unterschiedlich solche Modelle aussehen können. Das gilt insbesondere für die Frage der Finanzierung. Eine Bewertung des Vorhabens halte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt deshalb noch für zu früh.

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Ein Thema, um das es zuletzt still geworden ist, ist die Integration von Geflüchteten. Ist das ein Zeichen dafür, dass es gut läuft?

Es wird immer besser. Zumal die Sprachkenntnisse langsam ein Niveau erreicht haben, das ausreicht, um einfache Tätigkeiten aufzunehmen. Immer noch nicht ganz zufriedenstellend ist die Integration in Ausbildung. In Berufsschulen werden relativ gute Deutschkenntnisse erwartet. Das bedeutet große Anstrengungen. Wir wollen auf jeden Fall verhindern, dass junge Geflüchtete in die Langzeitarbeitslosigkeit abrutschen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.

Es ist also nur noch eine Frage der Zeit?

Die Unterstützungsangebote sind sehr vielfältig und können kaum noch gesteigert werden. Vor einigen Monaten war ich bei einer Jobbörse, bei der sich Unternehmen extra für Geflüchtete präsentiert haben. Sowohl die Firmen als auch die Geflüchteten waren sehr engagiert. Viele Betriebe haben gesagt, sie sind vorbehaltlos bereit, jungen Geflüchteten eine Chance zu geben. Das hat mir einen guten Eindruck vermittelt.

Ein paar Geflüchtete sind auch schon länger in Ausbildung. Wie sind da die Rückmeldungen?

Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Viele Geflüchtete verfügen über eine hohe persönliche Motivation, sich anzustrengen, um sich in Deutschland ein Leben aufzubauen.

Das Gespräch führte Stefan Lakeband.

Zur Person

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Joachim Ossmann leitet seit April 2018 die Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven. Der 59-Jährige stammt vom Niederrhein, hat drei erwachsene Kinder und zuvor in Nürnberg gelebt und gearbeitet.

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