Auf den ersten Blick lässt sich nicht gerade vermuten, dass man in dem schlichten weißen Flachdachgebäude mit den blauen Fensterrahmen im Habenhausener Gewerbegebiet in andere Welten abtauchen kann. Im Erdgeschoss ist ein Lackierbetrieb, in den Räumen im ersten Stock aber werkeln die Gründer des Start-Up-Unternehmens Immersion Escape an einer Welt zwischen raubeiniger Vergangenheit und dystopischer Zukunft.
Im Sommer wollen hier drei spielebegeisterte Menschen aus Bremen zwei sogenannte Escape Rooms eröffnen. Themenräume also, in die sich eine Gruppe von zwei bis sechs Personen einschließen lässt und erst dann wieder herauskommt, wenn sie bestimmte Rätsel und Aufgaben gelöst hat.
Johanna Schmidt und Robin Kockers, Software-Entwicklerin und Bauingenieur, 29 und 33 Jahre alt, empfangen in einem Vorraum, der mit Sammelsurium dekoriert ist, das aus der Zeit gefallen wirkt. Alte Musikinstrumente und Lampen stehen herum, ein großer Ast lehnt an der Wand, daneben hängt eine schwarze Armbrust. Man sitzt auf Holzbänken, über dem Kassenbereich ist ein Monitor für ein Einführungsvideo befestigt.
„Hier geben wir auch die Sicherheitseinführung, erklären, wo die Notausgänge sind und wie das mit den Notausknöpfen in den Räumen funktioniert“, berichtet Robin Kockers, neben seiner Partnerin Johanna Schmidt und Manuel Liebl einer von drei Gesellschaftern des Immersion Escape Room. Liebl ist per Video über das Handy zugeschaltet.
„Der Begriff Immersion in unserem Namen kommt daher, dass die Besucher in eine ganz besondere Themenwelt eintauchen können“, erklärt der 34-Jährige, im Hauptberuf Lieferantenbetreuer bei einem europäischen Flugzeugbauer. Im Bremer Immersion Escape reisen die Gäste zurück zu den alten Wikingern und in eine düstere Endzeitwelt namens Wasteland. Seit Januar 2021 bauen die drei Gründer an ihren Fluchträumen – hauptsächlich an den Wochenenden.
„Wir haben uns einige Escape Rooms in Norddeutschland angeschaut, da wir eigene Themen entwickeln wollten, die noch nicht so verbreitet sind“, betont Johanna Schmidt. Also eben nicht das x-te Detektivbüro oder den Gefängnisausbruch.
Ein kurzer Blick ins Habenhausener Wasteland, das sich – irgendwie passend – noch im Rohzustand befindet. Mit viel Metall, archaischen Schaltschränken und Kabeln erinnert das Interieur ein wenig an die Mad Max-Ästhetik. Man steht auf einem rostigen alten Gitter, das als Hindernisparcours für ein ferngesteuertes Auto dient. Parcours und Vehikel sind mit Magneten bestückt. „Bei geschickter Fahrweise treffen die Magnete aufeinander und eine Lampe schaltet von rot auf grün“, beschreibt Robin Kockers eine der Aufgaben.
Auch logisches Denken ist gefragt. Mit Kabelsteckern muss man eine bestimmte Menge an Lichtern an einem Schaltkreis gleichschalten. „Für uns ist das eindeutig, aber den Besuchern klar zu machen, was man will und dass das zum Setting und zur Story passt, ist oft schon schwieriger“, erklärt Manuel Liebl die konzeptionelle Arbeit bei einem Escape Room.
Viel Sound-, Licht- und Magnetsensoren sind hier im Einsatz. Und RFID-Chips, eine Technologie zum automatischen und berührungslosen Identifizieren und Lokalisieren von Objekten und Lebewesen. „Das findet man in anderen Escape Rooms nicht so“, berichtet Robin Kockers. Über einen engen Flur gelangt man in den Wikinger-Themenraum nebenan. Eine Schamanenhütte, in der es gilt, den Zorn der Götter zu besänftigen, um den ewigen Winter im Dorf zu beenden. Es ist düster, ein surrendes Geräusch hängt in der Luft. Man erkennt Runen-Zeichen an Pfählen und Wänden. Schriftrolle, Schatztruhe, knarzende Türen und Elektrofackeln bestimmen das Bild.
„Hier darf man im Unterschied zum Wasteland natürlich die Technik nicht sehen, da wir ja in der Vergangenheit unterwegs sind“, erklärt Johanna Schmidt die möglichst authentische Umsetzung eines Escape Rooms. Zu Beginn der Entwicklung hätten die drei Tüftler auch viel zu kompliziert gedacht, erinnert sie sich. „Die ersten Tester brauchten eine Stunde nur für den ersten Teil des Wikingerraumes."
Nach einer Umgestaltung haben inzwischen sechs erfahrene Spieletester die insgesamt sieben zusammenhängenden Rätsel des Raumes in 45 Minuten geschafft. Software-Expertin Schmidt setzt bei der Entwicklung eines Escape Rooms mit Konzept, Story und Technik – ähnlich wie bei ihrem Hauptjob – auf eine iterative, also schrittweise und logische Vorgehensweise. „Man entwickelt etwas, lässt es testen und passt es dann an“, erklärt sie.
Eine Stunde ist auch die vorgegebene Zeit für die Besucher, aus den Habenhausener Escape Rooms zu entkommen. Dafür zahlen zwei Personen 70 und fünf Personen 115 Euro. Nur diese beiden Räume allein seien allerdings nicht wirtschaftlich, sagen die drei Gründer, die sich aber vorstellen können, das Geschäft auszuweiten – wenn es denn gut läuft.
Was sie sich nicht vorstellen können ist der Kauf fertiger Escape Rooms von der Stange. Dafür mieten die Betreiber eine Location und bezahlen zwischen 18.000 und 50.000 Euro für Ausstattung und Story. „Dann hat man aber einen Raum, den es so schon dreimal irgendwo anders gibt. Das wollten wir nicht“, erklären die Macher von Immersion Escape. Dann doch lieber noch ein paar Wochenenden mehr unbezahlte, aber trotzdem lohnende Arbeit.